Lauterbach nennt groben Zeitplan Cannabis-Freigabe braucht noch Brüssels Segen
26.10.2022, 13:45 Uhr
Das Kabinett will den Kauf und Besitz von Cannabis für private Zwecke erlauben.
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Das Eckpunkte-Papier für eine Cannabis-Legalisierung in Deutschland steht. Damit es umgesetzt werden kann, muss die EU-Kommission allerdings grünes Licht geben. Gesundheitsminister Lauterbach ist optimistisch und prognostiziert, wann es so weit sein könnte.
Die Bundesregierung will ihren Plan für eine Legalisierung von Cannabis auf der Grundlage nun erarbeiteter Eckpunkte nur nach einem positiven Votum der EU-Kommission weiterverfolgen. Das kündigte Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Eckpunkte an. Diese würden Brüssel mit der Bitte um eine "Vorabprüfung" zugeleitet. "Wenn eine solche Vorabprüfung klar ergeben würde, dass dieser Weg für die Europäische Kommission nicht gangbar ist, dann würden wir auf dieser Grundlage auch keinen Gesetzentwurf entwickeln", sagte Lauterbach. Bei einzelnen Bedenken würden die Pläne angepasst.
Die vom Kabinett gebilligten Eckpunkte sehen vor, Erwerb und Besitz "bis zu einer Höchstmenge von 20 bis 30 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum im privaten und öffentlichen Raum" straffrei zu ermöglichen. Der private Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt. "Die Produktion, die Lieferung und der Vertrieb von Genusscannabis werden innerhalb eines lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmens zugelassen." Für Abgabe von Cannabis an Menschen ab 21 Jahren soll es keine Obergrenze für den THC-Gehalt geben, für jüngere Erwachsene wird eine solche Maßnahme geprüft.
Kontrollierte Abgabe soll Jugendschutz stärken
Der Vertrieb soll nach dem Plan mit Alterskontrolle in lizenzierten Fachgeschäften und gegebenenfalls Apotheken erfolgen. Lauterbach nannte Sachkunde als Voraussetzung. Auch dürften die Geschäfte nicht Alkohol oder Tabakprodukte verkaufen und nicht in der Nähe von Schulen und Kindergärten sein. Werbung für Cannabisprodukte solle untersagt werden. Zudem sei eine "Cannabissteuer" vorgesehen.
"Die Einführung einer kontrollierten Abgabe von Genusscannabis an Erwachsene verfolgt das Ziel, zu einem verbesserten Jugendschutz und Gesundheitsschutz für Konsumentinnen und Konsumenten sowie zur Eindämmung des Schwarzmarktes beizutragen", heißt es in den Eckpunkten. Gegenüber der EU-Kommission will die Bundesregierung Lauterbach zufolge hierauf Bezug nehmen.
Lauterbach: "Kämpfen mit offenem Visier"
"Wir interpretieren den Inhalt der bestehenden Verträge so, dass das Ziel der bestehenden Verträge mit unserem Ansatz besser verfolgt werden kann", sagte er. Diese "Interpretationslösung" wolle man in Brüssel vortragen. "Wir kämpfen da mit offenem Visier", sagte er. Bei entsprechend schneller Prüfung sei die Koalition in der Lage, im ersten Quartal 2023 einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Ich kann mir gut vorstellen, dass, wenn alles gut läuft, 2024 die Legalität erreicht wird", sagte Lauterbach, der mit der Vorlage ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzt.
Die Unionsfraktion übte scharfe Kritik. "Die gravierenden gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums werden in den Eckpunkten nur ungenügend berücksichtigt", sagte ihr gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge der Funke-Mediengruppe. Irreversible Schäden würden billigend in Kauf genommen. "Hier wird Ideologie vor Gesundheit gestellt." Auch beim Schutz von Kindern und Jugendlichen gebe es eklatante Lücken, erklärte Sorge. Wie bei einem straffreien Eigenanbau zu Hause verhindert werden solle, dass Kinder Zugang zu den Cannabispflanzen haben, bleibe völlig offen. "Cannabis ist offenbar der Kitt, der die Ampelkoalition zusammenhält", meinte er.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht noch viele offene Fragen. Zu wünschen seien "mehr Verbindlichkeit und klare Maßgaben, die die Arbeit der Polizei erleichtern und sie nicht erschweren", erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke in Hilden. Die Folgen der Legalisierung für die Polizeiarbeit müsse stärker berücksichtigt werden. Bei den bisher vorgelegten Eckpunkten zur Cannabis-Legalisierung sei für die Polizei mit "kleinteiligen, kontrollintensiven Einzelfallprüfungen" zu rechnen. Festgelegte Obergrenzen zögen weiterhin Kontrollen nach sich. "Das heißt, wir sind künftig alle mit der Feinwaage unterwegs", mahnte Kopelke. Ebenfalls müsse es Vorgaben für den straffreien Eigenanbau geben.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, begrüßte Lauterbachs Pläne. Gegenüber der Düsseldorfer "Rheinischen Post" hob er hervor, dass der Entwurf großen Wert auf den Jugend- und Gesundheitsschutz lege. "Was wir wollen, ist ein Neuanfang in der hiesigen Drogenpolitik - ein Neuanfang, der Menschen nicht mehr stigmatisiert, sie nicht mehr kriminalisiert, sie endlich in ihrer Eigenverantwortung ernst nimmt", sagte er.
Quelle: ntv.de, mdi/DJ/AFP