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Bauernproteste bei Maischberger "Das ist oberdoof"

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Aiwanger ist selbst Landwirt und hat volles Verständnis für den Protest.

Aiwanger ist selbst Landwirt und hat volles Verständnis für den Protest.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Die Landwirte laufen Sturm gegen die Politik der Ampelregierung. Zu Recht? Auf jeden Fall, meint Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger. Die Fähren-Blockade der Bauern gegen Robert Habeck kritisiert er nicht - und liefert sich mit Grünen-Chef Nouripour einen teils heftigen Schlagabtausch.

Es sind beeindruckende und teilweise auch beängstigende Bilder: Seit Montag protestieren Landwirte in ganz Deutschland gegen die Landwirtschaftspolitik der Ampelkoalition. Die hatte im Kampf gegen ein drohendes Haushaltsloch im vergangenen Dezember unter anderem angekündigt, Rabatte für Agrardiesel und die KFZ-Steuerbefreiung für Agrarfahrzeuge zu streichen. Damit wollte sie rund 920 Millionen Euro in diesem Jahr einsparen. Nach ersten Protesten von Landwirtinnen und Landwirten hatte die Regierung angekündigt, auf die Streichung der Steuerbefreiung von Agrarfahrzeugen zu verzichten. Die Subventionen von Agrardiesel sollen bis 2026 schrittweise abgebaut werden. Dem Bauernverband reicht das nicht, er hat für diese Woche zu weiteren Protesten aufgerufen.

Fakt ist: Durch den Strukturwandel seit den 1950er-Jahren sind immer mehr Höfe dichtgemacht worden. Das liegt unter anderem an den steigenden Preisen für Agrardiesel, aber auch an der Politik von Politik und Bauernverband. Der wollte mit der Aktion "Wachse oder weiche" die klein strukturierte Landwirtschaft vor dem Zerfall bewahren. So sollten Höfe wachsen, große Maschinen sollten von mehreren Betrieben kostengünstig eingesetzt werden. Doch den Strukturwandel in der Landwirtschaft konnten die Betroffenen so nur für kurze Zeit erträglicher machen, aufhalten konnten sie ihn nicht. Kritiker werfen Landwirten, Verbänden und Politik vor, den Strukturwandel in der Landwirtschaft während der letzten Jahre verschlafen zu haben. Nach vielen harten Jahren haben die Landwirte zuletzt teils deutliche Gewinne eingefahren. Doch schaut man sich die aktuelle Entwicklung an, muss man erkennen: Die guten Jahre könnten sehr bald vorbei sein.

"Mich würde es nicht umbringen"

Hubert Aiwanger will sich an die Spitze des Bauernprotestes setzen. Er ist in einem landwirtschaftlichen Betrieb groß geworden, seine Familie lebte vor allem von dem Verkauf von Masttieren. Der Familienbetrieb im niederbayerischen Rottenburg an der Laaber existiert noch immer. Doch man hat sich angepasst. In der ARD-Talkshow Maischberger erzählt der Freie-Wähler-Chef und bayerische Wirtschaftsminister, in seinem Familienbetrieb setze man auf erneuerbare Energien. Von den Regierungsplänen sei der Hof kaum betroffen. "Bei mir wäre es sehr überschaubar, bei mir wären es einige hundert Euro. Mich würde es nicht umbringen", so Aiwanger. "Aber dem Durchschnitt der Landwirte tut es eben weh, wenn ein Monatseinkommen wegbricht." Tatsächlich haben durch den Wegfall der Subventionen beim Agrardiesel die Landwirte im Durchschnitt etwa 2.900 Euro Verlust, auf ein ganzes Jahr gerechnet.

Experten gehen davon aus, dass durch die Beschlüsse der Bundesregierung ein weiteres Höfesterben ausbleiben wird. Dennoch hält Aiwanger das Vorgehen der Regierung für unakzeptabel: "Die Bauern haben immer gemerkt, dass sie mit einer kurzfristig hektischen Tagespolitik nicht Schritt halten können, weil das Investieren in die Landwirtschaft in Generationszyklen erfolgt." Habe man zum Beispiel einen Kuhstall gebaut und dafür Schulden aufgenommen, die man innerhalb von dreißig Jahren zurückzahlen wolle, könnten sich nach wenigen Jahren die Gesetze ändern. Dann sei der Stall nicht mehr tierhaltungskonform, und man müsse alles wieder umbauen. Aiwanger: "Das ist das Problem der Landwirte in den letzten Jahren, dass sie mit ständigen Änderungen konfrontiert wurden, und damit immer unzufriedener wurden mit der Politik." Die Gesetze der Bundesregierung vom Dezember brachten das Fass dann offenbar zum Überlaufen. Aiwanger sagt es mit seinen Worten: "Jeder freut sich, wenn er die Subvention für den Agrardiesel oder schlichtweg die vorher gezahlten Steuern teilweise rückerstattet bekommt. Dass man genau dort hingreift, ist nochmal oberdoof."

"Die braven Bauern"

Grünen-Chef Omid Nouripour kann den Frust der Bauern teilweise verstehen. "Die Doppelbelastung war zu viel, und es ist gut, dass das jetzt korrigiert wird", sagt er bei Maischberger. Die Streichung der Agrardieselsubventionen tue weh, sie sei aber nicht existenzbedrohend. Trotzdem seien die Proteste der Bauern in Ordnung, sofern sie friedlich verlaufen würden. Nicht zu akzeptieren seien Proteste wie die vom vergangenen Donnerstag in Schleswig-Holstein. Da hatte eine wütende Menschengruppe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen am Verlassen einer Fähre gehindert. Viele Politiker hatten den Vorfall kritisiert und verurteilt, der Bauernverband hatte sich distanziert.

Am Dienstagabend kann sich Aiwanger zu einer Kritik nicht durchringen. Er sei nicht dabei gewesen, Aussagen von Polizei und Demonstranten seien widersprüchlich. "Ich kann nicht sagen, ich finde das schrecklich, ich weiß nicht, wie es gewesen ist, und darum enthalte ich mich einer Bewertung und warte, bis die Polizei das endgültig bewertet hat."

Nouripour kann diese Haltung nicht verstehen und reagiert sehr genervt: "Warum kann man nicht sagen, es ist indiskutabel, dass Leute, die aus dem Urlaub kommen, nicht aus der Fähre aussteigen können, weil die Bauern stinkig sind wegen der Politik anderer? So schwer kann das doch nicht sein." Und auch Maischberger reagiert mit Unverständnis: "Ich stelle fest, dass Sie leichter im Urteilen sind als im Verurteilen", wirft sie Aiwanger vor.

Der nimmt die Landwirte in Schutz. Sie seien an stabilen Verhältnissen interessiert, sagt er, und er weist auf die vielen Demonstrationen hin, in denen "grüne Extremisten" marschiert seien. "Diese Masse an braven Bauern, wenn da auch im schlimmsten Falle ein paar Verrückte mitrennen sollten: Die werden niemals diese Proteste kapern. Und dann tausend Bauern mit dem Traktor hinter einem Extremisten her. Das sind Situationen, da muss ich nur lachen."

Quelle: ntv.de

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