
Heizkosten werden weiterhin steigen.
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Dass die Regierung etwas gegen die hohen Gas- und Strompreise tut, ist richtig. Doch freuen muss man sich über das Gesetz nicht. Es ist weder effizient noch zielgerichtet. Das Geld würde woanders gebraucht.
"Gießkanne" könnte das nächste deutsche Wort werden, das in anderen Sprachen Karriere macht. So wie "Kindergarten", "Zeitgeist" oder zuletzt "Geisterspiele". Immer wenn Regierungen auflodernde Unzufriedenheit ablöschen möchten, käme "the" oder "la Gießkanne" zum Einsatz. So wie in Deutschland: Der Bundestag hat gerade die Gas- und Strompreisbremse beschlossen, am Freitag folgt der Bundesrat.
Natürlich ist es richtig, jetzt abzufedern. Gas- und Strompreise überfordern viele im Land. Auch Lebensmittel und Sprit werden immer teurer. Aber zielgerichtet ist das neue Gesetz nicht. Im Gegenteil, hier wird ein Problem mit Geld zugeschüttet. Statt allen zu helfen, sollte man lieber da helfen, wo es wirklich nötig ist.
200 Milliarden Euro liegen für die kommenden Jahre bereit, um Energiepreise zu subventionieren. Dass Menschen das Geld einsacken, die es gar nicht brauchen, wird schulterzuckend hingenommen. Dass die Gaspreise für viele im kommenden Jahr trotz der Bremse noch einmal steigen, weil die Versorger noch eben schnell die Preise erhöht haben (die dann wieder runtergebremst werden), ist dann halt so. Es sollte eben schnell und einfach gehen.
Dass es geht, wissen wir
Aber es ginge schon etwas zielgerichteter und effizienter. 13 Millionen Menschen in Deutschland sind von Armut bedroht - sie haben weniger als 15.009 Euro zur Verfügung. Zugleich besitzen die oberen zehn Prozent der Bevölkerung 60 Prozent des Vermögens. Das untere Fünftel hat gar nichts auf der hohen Kante. Man könnte noch weitere Zahlen anführen, die Botschaft ist immer die Gleiche: Wenige haben viel, viele haben wenig.
Es ist bekannt, dass alleinerziehende Mütter und Väter besonders von Armut bedroht sind. Ebenso Familien, besonders die mit drei und mehr Kindern. Auch viele Rentner und ganz besonders Rentnerinnen kommen oft nur so gerade über die Runden. Warum verteilt man das Geld nicht zielgerichtet an sie? Bei Sozialpolitik, bei Solidarität geht es doch darum, den Schwachen zu helfen.
Dass das grundsätzlich ginge, wissen wir. Dieses Jahr haben ja Familien mit Kindern bereits Zahlungen über mehrere Hundert Euro bekommen. So hätte man es wieder machen können. Man hätte Alleinerziehende wie Familien desto besser ausstatten können, je mehr Kinder sie haben. Auch für alle im Rentenalter ließe sich eine Lösung finden. So bekämen diejenigen Geld, die es besonders dringend brauchen. Vielleicht ließe sich so die eine oder andere Milliarde sparen. Das wäre gerechter und auch finanzpolitisch verantwortungsvoller gewesen.
Die Gießkanne droht dagegen zur deutschen Selbstverständlichkeit zu werden. Es bleibt aber wichtig, genau hinzugucken. Denn die hohen Energiepreise sind beileibe nicht die einzige Baustelle, die wir in Deutschland haben. Das Gesundheitswesen ächzt. Aber das betrifft ja auch nur die Menschen, die dort arbeiten und die armen Teufel, die gerade ins Krankenhaus müssen.
Aufschrei beim letzten Entlastungspaket
Klar, den Fachkräftemangel kann man auch mit mehr Geld nicht einfach wegwischen. Aber es gäbe ein paar Stellschrauben, um die Rahmenbedingungen zu verbessern. Dass Kinderkliniken überlastet sind, dass die Berliner Charité nun wieder planbare Operationen verschiebt, ist nicht hinnehmbar. Die Liste ließe sich fortsetzen: Kita, Schule, Ausbildung. Digitalisierung. Erneuerbare Energien fördern. Jetzt dagegen wird ein Teil des Geldes einfach verheizt, weil die Regierung keine Gewichtung bei den Hilfen machen wollte.
Warum? Vielleicht weil es beim letzten Entlastungspaket diesen Aufschrei gab, Rentner und Studierende seien vergessen worden. Weil man immer ein bisschen Ungerechtigkeit schafft, wenn man einzelne Gruppen bevorzugt: Es wird dann Fälle geben, in denen manche am Ende mehr Geld haben, als die, die nichts bekommen haben. Millionen gingen leer aus - und viele wären dann vermutlich sauer. Aber muss immer alles im Konsens stattfinden? Glaubt man vielleicht, dass die Massen ohne Abfederung gleich der AfD hinterherrennen? Dabei legt Olaf Scholz doch so großen Wert darauf, sich nicht von der öffentlichen Meinung treiben zu lassen.
Etwas spart sich die Regierung doch. Nämlich die Kritik derjenigen, denen weniger oder auch gar nicht geholfen würde. Nun bekommen alle etwas, und nicht alle sind froh, aber einen Aufschrei gibt es auch nicht. Ob die "Gießkanne" im Ausland noch Karriere macht? Vielleicht ja, als Schimpfwort.
Quelle: ntv.de