Zweifel an Migrationsabkommen Tunesiens Präsident lehnt EU-Millionen als "Almosen" ab
03.10.2023, 15:58 Uhr Artikel anhören
Ein Teil der EU-Gelder ist für die Instandsetzung der Boote der tunesischen Küstenwache vorgesehen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit Hunderten Millionen Euro will die EU Tunesien unterstützen - im Gegenzug für ein konsequentes Vorgehen gegen die Migration über das Mittelmeer. Seit Wochen mehren sich Zweifel, ob Tunis das Abkommen umsetzen will. Präsident Saied wettert offen gegen das "respektlose" Vorgehen der EU.
Der tunesische Präsident Kais Saied hat im Namen seines Landes Millionenhilfen der EU für sein Land als "Almosen" zurückgewiesen. Tunesien sei zur Zusammenarbeit bereit, nehme aber keine "Gefälligkeit" an, "wenn sie respektlos ist", erklärte Saied. "Tunesien lehnt ab, was die Europäische Union in den vergangenen Tagen angekündigt hat", sagte Saied laut Mitteilung des Präsidialamts bei Facebook. "Nicht wegen der geringen Summe", sondern weil der Vorschlag im Widerspruch stehe zur zuvor unterzeichneten Absichtserklärung zwischen Tunesien und der EU. Worin Tunis genau einen Widerspruch sieht, wurde nicht genannt.
Die EU-Kommission hatte vor gut einer Woche angekündigt, Tunesien rund 127 Millionen Euro auszuzahlen, um die Migration über das Land zu verringern und die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln. Rund 67 Millionen Euro davon sollen im Zusammenhang mit einer umstrittenen Migrationsabsprache bereitgestellt werden. Dazu kommen noch 60 Millionen Euro Haushaltsunterstützung, damit sich das Land von der Corona-Krise erholt.
Tunesien ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus Afrika mit Ziel Europa. Mit den Äußerungen Saieds mehren sich Zweifel, ob das umstrittene Abkommen zur Migration zwischen Brüssel und Tunis weiter Bestand haben wird. Im Rahmen einer entsprechenden Absichtserklärung vom Juli soll Tunesien Finanzhilfen von bis zu 900 Millionen Euro erhalten und im Gegenzug stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen. Die EU-Kommission will damit erreichen, dass weniger Schleuserboote über Tunesien nach Italien kommen.
Ärger über Kritik aus der EU
An dem Abkommen kamen auch Zweifel auf, als Tunesien einer Delegation des Europäischen Parlaments Mitte September die Einreise verweigerte. Dieses Verhalten sei "beispiellos" seit der Revolution in Tunesien von 2011, teilte die Delegation anschließend mit. Eine Begründung für den Schritt gab es von tunesischer Seite nicht. Der Nachrichtenseite "Politico" zufolge sollen Vertreter der Regierung in Tunis sich aber verärgert gezeigt haben über EU-Abgeordnete, die Rückschritte mit Blick auf die Demokratie in Tunesien kritisiert hatten.
Saied regiert in Tunesien Kritikern zufolge in zunehmend autoritärem Stil. "In den Augen unseres Volkes entsprechen die Schätze der Welt nicht einem einzigen Korn unserer Souveränität", sagte Saied laut einem Bericht der Staatsagentur TAP. "Tunesien und sein Volk wollen kein Mitleid, sondern lehnen etwas ab, wenn sie nicht respektiert werden."
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/AFP