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Flüchtlingstalk bei Markus Lanz "Das System ist kaputt"

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"Es sind einfach zu viele Menschen, um die wir uns kümmern müssen", sagt Bundesjustizminister Buschmann bei Lanz.

"Es sind einfach zu viele Menschen, um die wir uns kümmern müssen", sagt Bundesjustizminister Buschmann bei Lanz.

(Foto: ZDF und Markus Hertrich)

Seit Jahren gibt es in Deutschland ein Flüchtlingsproblem. Weder die Bundesbehörden noch die Kommunen können Herr der Lage werden. Nun hat die Bundesregierung einen Plan für die Zukunft. Die Lösung der Flüchtlingskrise ist ein Thema in der ZDF-Talkshow Markus Lanz am Dienstagabend.

Immer mehr geflüchtete Menschen kommen nach Deutschland. Sie wollen nur eins: ein besseres Leben. Dazu brauchen sie Asyl. Doch schon seit einem Dreivierteljahr schlagen die Kommunen Alarm. Sie können der vielen Flüchtlinge nicht mehr Herr werden. In Brüssel verhandelt die Europäische Union zurzeit über ein gemeinsames Vorgehen. Die Haltung der Ampelkoalition war bisher geteilt. In der vergangenen Woche hat nun Bundeskanzler Scholz ein Machtwort gesprochen und den Streit vorerst beendet. Eine Einigung auf ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) dürfe nicht an einer Auseinandersetzung in der Bundesregierung über die darin enthaltene Krisenverordnung scheitern, machte Scholz klar. Zuvor hatten vor allem die Grünen Bedenken geäußert.

"Drei Bausteine"

Was das konkret bedeutet, erklärt am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow Markus Lanz Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP. In der Sendung unterhalten sich die Gäste einmal mehr über die aktuelle Flüchtlingslage in Deutschland. Die ist dramatisch, und Markus Lanz fasst die Situation ein ums andere Mal mit den Worten zusammen: "Das System ist kaputt." Wenn das stimmt, müsste es repariert werden. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass die GEAS-Reform endlich gelingt", verspricht Buschmann.

Dazu brauche es drei Bausteine. Zunächst sollen Asylverfahren in Zukunft nicht mehr in den Asyl gebenden Ländern, sondern außerhalb der EU geprüft werden. Dazu müssten die Kontrollen an den EU-Außengrenzen verstärkt werden. Das werde etwa zwei bis drei Jahre dauern. Außerdem sollen Geflüchtete möglichst in Aufnahmeeinrichtungen außerhalb Europas untergebracht werden, bis ihr Asylverfahren geprüft sei. So könnten sie bei einer Ablehnung leichter in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, so Buschmann. Zudem müssten mit so vielen Ländern wie möglich Rückführungsabkommen geschlossen werden, und man müsse die Schleuserkriminalität entschlossener bekämpfen.

Das Problem sei nicht, ob Deutschland hilfsbereit sein wolle oder nicht. "Es sind einfach zu viele Menschen, um die wir uns kümmern müssen. Darum müssen wir die Zahl der Menschen reduzieren, weil sonst die Kommunen zusammenbrechen", sagt Buschmann.

"Das geht gerade fürchterlich schief"

Ob Buschmann mit seinen drei Bausteinen die Zahl der Geflüchteten in Zukunft senken kann, bleibt abzuwarten. Doch viele Kommunen haben jetzt Probleme. Davon berichtet Rita Röhrl. Die SPD-Politikerin ist Landrätin im Landkreis Regen, der idyllisch im Bayerischen Wald liegt, direkt an der Grenze zu Tschechien. Dort boomt der Tourismus. 15 Prozent der Bevölkerung verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Es gibt jede Menge kleine Hotels und Gasthäuser, die jedes Jahr von knapp einer halben Million Menschen besucht werden. Sie kommen im Sommer zum Wandern, im Winter zum Ski laufen – oder ganz einfach zum Feiern. Doch das Land der Buchteln und des schwarzgeräucherten Schinkens hat ein Problem, sagt Rita Röhrl: "2015 lebten bei uns etwa 4000 Geflüchtete, jetzt sind es 7000.

Da ist zum Beispiel das Dorf Rabenstein, das zur Stadt Zwiesel gehört. Die 600-Seelen-Gemeinde muss 150 Geflüchtete unterbringen. "Und das geht gerade fürchterlich schief", sagt Röhrl. In dem Dorf gibt es zwei Vier-Sterne-Hotels. Eines wurde von einem Investor aus Liechtenstein gekauft, der die Geflüchteten in 45 Gastzimmern unterbringen will. "Die Regierung sucht händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten, denn die, die schon bestehen, werden nicht leergeräumt von den Menschen, die eigentlich keinen Anspruch auf Asyl haben", so die Landrätin.

Die Menschen, die das Hotel beziehen sollen, warten auf die Bearbeitung ihres Asylantrages. Integrieren werden sie sich vorerst nicht, weiß Röhrl. "Wir reden von Asylbewerbern, über deren Status noch überhaupt keine Klarheit besteht." Die Asylverfahren werden laut Röhrl nicht vor Ort entschieden, was vermutlich auch schwierig wäre: Trotz der deutlich gewachsenen Zahl der Geflüchteten seit acht Jahren konnte das Landratsamt keine zusätzlichen Mitarbeiter einstellen, "Und die BAMF-Verfahren dauern eine Ewigkeit." Und selbst bei einer negativen Entscheidung ändere sich wenig, sagt Röhrl: "Wir haben Asylbewerber, die schon seit 2018 ausreisepflichtig sind." Diese Menschen warteten auf ihren Rückführungstermin, ohne Chance auf Arbeit.

Auch Röhrl fordert Rückführungsabkommen, doch das reiche nicht aus. Wer an der Grenze Asyl fordere, müsse zwar ins Land gelassen werden, sagt sie. Aber: "Wir müssen das Glück haben, dass die, die an der Grenze Asyl schreien, nicht vorher alle ihre Papiere weggeworfen haben." Doch das sei oft der Fall – und ist ein Grund dafür, dass Asylverfahren in Deutschland sehr lange dauern können: zwischen sieben Monaten und drei Jahren.

Röhrl wäre geholfen, wenn abgelehnte und geduldete Geflüchtete das Recht hätten, in Deutschland zu arbeiten. Sie hat beobachtet, dass viele Geflüchtete das auch wollen. Das Problem scheint die Bundesregierung erkannt zu haben. Aber sie leide unter einer zu lange währenden Politik des Nichtstuns, klagt Buschmann. Nun werde aber gehandelt, und innerhalb des letzten halben Jahres seien schon Rückführungsabkommen mit zwei Ländern abgeschlossen worden: Moldawien und Georgien. Dass aus diesen Ländern kaum Geflüchtete in Deutschland leben, verschweigt Buschmann.

Quelle: ntv.de

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