Sanktionen wegen Protassewitsch EU sperrt Luftraum für Flugzeuge aus Belarus
24.05.2021, 21:44 Uhr
Von der Leyen befürwortet ebenfalls Sanktionen gegen Belarus.
(Foto: REUTERS)
In Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs der EU, wie sie auf die erzwungene Landung in Belarus reagieren sollen. Sanktionen gegen Machthaber Lukaschenko sind im Gespräch, nun gibt es erste Strafmaßnahmen.
Die EU-Staaten verhängen nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk neue Sanktionen gegen die frühere Sowjetrepublik Belarus. Wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel nach Beratungen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel mitteilte, sollen belarussische Fluggesellschaften künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen dürfen und auch nicht mehr auf Flughäfen in der EU starten und landen dürfen. Zudem soll unter anderem die Liste mit Personen und Unternehmen erweitert werden, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten. "Das Urteil war einstimmig, dies ist ein Angriff auf die Demokratie, dies ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und dies ist ein Angriff auf die europäische Souveränität", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. "Dieses ungeheuerliche Verhalten bedarf einer starken Antwort."
Fluggesellschaften mit Sitz in der EU werden darüber hinaus aufgefordert, den Luftraum über Belarus zu meiden. "Der Europäische Rat verurteilt nachdrücklich die erzwungene Landung eines Ryanair-Fluges am 23. Mai 2021 in Minsk (Belarus) und die Inhaftierung des Journalisten Roman Protassewitsch und von Sofia Sapega durch die belarussischen Behörden", heißt es in einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Der Blogger und seine Partnerin müssten umgehend freigelassen werden. Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation forderte den EU-Gipfel auf, den "beispiellosen und nicht hinnehmbaren Vorfall" dringend zu untersuchen.
Zuvor hatte die EU als Reaktion auf die erzwungene Landung des Ryanair-Flugs Investitionen im Volumen von rund drei Milliarden Euro an das Land auf Eis gelegt. Das Geld werde so lange nicht fließen, bis Belarus wieder einen demokratischen Kurs einschlage, erklärte von der Leyen in Brüssel.
"Wir tolerieren keine Versuche, russisches Roulette mit dem Leben unschuldiger Zivilisten zu spielen", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Die Staats- und Regierungschefs hätten "zusätzliche Sanktionen gegen Einzelpersonen beschlossen, die an dieser Entführung beteiligt waren", sagte von der Leyen weiter. Auch Unternehmen, "die dieses Regime finanzieren", sollten sanktioniert werden können. Zudem müsse der festgenommene belarussische Regierungskritiker und Journalist Roman Protassewitsch wieder freigelassen werden. Weitere Strafmaßnahmen gegen Belarus sind nicht ausgeschlossen.
Lufhansa, SAS und AirBaltic wollen Luftraum über Belarus meiden
Die Staats- und Regierungschefs der EU waren am Montagabend zu einem Gipfel zusammengekommen, bei dem es unter anderem um den Umgang mit Belarus ging. Einem gemeinsamen Erklärungsentwurf zufolge, den die Nachrichtenagentur Reuters einsehen konnte, wird dabei europäischen Fluglinien empfohlen, den Luftraum über Belarus zu meiden. Die Lufthansa hat bereits angekündigt, dies zu tun. Die Fluggesellschaften SAS und AirBaltic schlossen sich an.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ordnete einen Stopp von Direktflügen von und nach Belarus an. Ukrainische Flugzeuge würden zudem nicht mehr durch belarussischen Luftraum fliegen, teilte die Präsidentschaft in Kiew mit. Das Verbot betrifft vor allem Reisen zwischen der Ukraine und Russland, bei denen viele Passagiere einen Zwischenstopp in Minsk einlegen, weil es seit 2015 keine Direktverbindungen mehr gibt.
Handyverbot bei den Beratungen
Die erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeuges am Sonntag sei ein "internationaler Skandal" und "nicht akzeptabel", hatte Ratspräsident Michel vor Gipfelbeginn gesagt. Es seien deshalb "verschiedene Optionen" zu Sanktionen vorbereitet worden. Die EU verlangt außerdem eine internationale Untersuchung der erzwungenen Landung eines Ryanair-Passagierflugzeugs in Belarus und der anschließenden Festnahme eines Regierungskritikers. Diese Forderung erhob der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Für die EU-Staats- und Regierungschefs galt beim EU-Gipfel während der Beratungen zu Belarus und Russland Handy-Verbot. Michel habe verlangt, dass "die Debatte ohne elektronische Geräte" erfolgt, teilte ein Sprecher mit. Damit solle die "Vertraulichkeit der Diskussion zu Belarus und Russland" gewahrt bleiben.
Die Behörden in Belarus hatten am Sonntag einen Ryanair-Passagierflug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen zur Landung gezwungen. Die Maschine wurde wegen eines mutmaßlichen Bombenalarms umgeleitet, ein Militärjet eskortierte sie zum Flughafen Minsk. An Bord war auch der im Exil lebende Blogger und Journalist Roman Protassewitsch, ein erklärter Gegner Lukaschenkos. Er wurde in Minsk festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Massenproteste ausgelöst zu haben, worauf in Belarus bis zu 15 Jahre Haft stehen. Eine Bombe wurde nicht gefunden, der Flug wurde später fortgesetzt. Von der Leyen hatte noch am Sonntagabend von einer "Entführung" der Maschine gesprochen, auf die Sanktionen folgen müssten. Nun hat sie beim EU-Sondergipfel betont, dass die belarussischen Behörden für die Gesundheit des verhafteten Bloggers Roman Protassewitsch und seiner Freundin verantwortlich sind.
Quelle: ntv.de, vpe/ysc/dpa/rts/AFP