Politik

"Hätten besser zuhören sollen" Ein Bundespräsident, der warnte und recht behielt

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Es gab nach der Annexion der Krim 2014 vielleicht nicht genug Warnungen mit Blick auf Russland. Doch eine glasklare Stimme aus dem höchsten deutschen Amt wurde damals sträflich abgetan. Heute sind wir klüger. Hoffentlich.

Fast ein Jahr nach Beginn russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bleiben viele wichtige Fragen unbeantwortet. Viele Bürgerinnen und Bürger würden sicher gerne erfahren, wie die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel heute über ihre Russlandpolitik nachdenkt. In einem aktuellen Interview mit RTL/ntv sagt der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck: "Natürlich unterlaufen Politikern auch Fehler und ich bin ganz gespannt, wenn sie ihre Memoiren vorlegen wird, wie sie sich dazu einlassen wird. Bisher haben wir dazu noch nicht viel gehört."

Politikerinnen und Politikern unterlaufen Fehler, das stimmt. Das ist auch legitim. Die Frage ist nur, ob ihnen so grobe und grundsätzliche Fehleinschätzungen unterlaufen dürfen, wie einem großen Teil der deutschen Politik im Hinblick auf Russland.

Zumal es einen Mann gab, der vor allem nach der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland, ganz glasklar vor dem Aggressor Wladimir Putin warnte. Joachim Gauck, damals Bundespräsident, sprach diese Warnungen mehrfach aus. So sagte Gauck im September 2014 anlässlich eines Gedenktags zum deutschen Überfall auf Polen: "Die Geschichte lehrt uns, dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern." Gefragt nach der Bedeutung dieses Satzes im Jahr 2023, sagt Gauck: "Ich bewerte ihn so, dass er richtig war, und viele mochten das nicht hören."

In der Tat war es so, dass Gauck wegen dieser Äußerungen, aber auch wegen Äußerungen auf der Münchner Sicherheitskonferenz scharf kritisiert wurde. Ein Bundespräsident möge sich doch bitte nicht so in außenpolitische Angelegenheiten einmischen, hieß es beispielsweise aus der Linkspartei und der SPD. Heute sagt der Bundespräsident a.D.: "Ich hätte mir gewünscht, daraus wäre eine Politik gefolgt, die wenigstens beim Sanktionsregime entschlossener war." Und vor allem die ignorierten Warnungen aus dem Baltikum und aus Polen schmerzen: "Die wussten uns schon über Putins Absichten Etliches zu sagen. Wir hätten besser zuhören sollen."

"Zuschauen mag ich nicht"

Auch heute hat Gauck eine Botschaft an die junge Generation und sie trägt den Namen "Freiheit". Wenn man lange über Freiheit verfüge, dann erscheine sie irgendwann selbstverständlich, sagt Gauck, der in der DDR aufgewachsen ist.

"Jetzt sehen wir aber, mit der Aggressivität, wie Putin seine reaktionäre Ideologie weiter in Richtung Europa vorantreibt: Es kann passieren, dass wir uns tatsächlich wieder verteidigen müssen." Gauck betonte weiter: "Deshalb liegt es mir am Herzen, davon zu erzählen, wie kostbar die Freiheit ist und wie sie unseren Lebensraum positiv gestaltet und dass das nicht selbstverständlich ist."

Junge Menschen müssten sich deswegen diese Fragen stellen: "Will ich, dass diese Freiheit bleibt? Will ich auch diese Freiheit verteidigen oder will ich nur zuschauen? Und zuschauen mag ich nicht. Ich mag, dass wir uns engagieren für das, was uns am Herzen liegt."

Quelle: ntv.de

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