Kommunen beklagen "Heuchlerei" Flüchtlingsgipfel: Mehr Kommunikation, aber nicht mehr Geld
16.02.2023, 17:52 UhrMehr als eine Million Flüchtlinge kommen im vergangenen Jahr nach Deutschland. Viele Kommunen schlagen Alarm: Es fehle an Wohnraum, Personal und Geld. Einige fordern auch eine Begrenzung der irregulären Migration. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel im Innenministerium. Erfüllt werden sie größtenteils nicht.
Bei einem Flüchtlingsgipfel in Berlin haben Bund, Länder und Kommunen eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. Unter anderem soll ein digitales "Dashboard" zur Migration künftig bis auf die Landkreis-Ebene hinunter für "Transparenz" sorgen. Forderungen nach mehr Geld für die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser schon vor dem Gipfel eine Absage erteilt - mit Hinweis auf die bereits zugesagten 3,5 Milliarden Euro für 2022 und weitere 2,75 Milliarden Euro für 2023. Nach dem Treffen sagte die Innenministerin, es gebe einen klaren Fahrplan, um Ostern herum mit dem Bundeskanzler erneut über Finanzen zu verhandeln.
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, zeigte sich mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Er sagte: "Wir brauchen in Deutschland jetzt dringend Entlastung für die, die kommunale Verantwortung tragen." Der für die Unterbringung von Flüchtlingen erforderliche Wohnraum sei begrenzt. Ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer stünden nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung. Dass der Bund nun angekündigt habe, Liegenschaften des Bundes auf eigene Kosten für die Unterbringung herzurichten, sei gut. Faeser sagte, die Immobilien würden mietzinsfrei überlassen, Sanierungskosten würden vom Bund erstattet.
CDU fordert stärkere Regulierung der Migration
Nicht alle Probleme seien mit Geld zu lösen, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth von der CDU. Er betonte: "Die Migration nach Europa muss stärker reguliert werden." Auch bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber müsse es Fortschritte geben.
Hamburgs Innensenator, der SPD-Politiker Andy Grote, sagte mit Blick auf die nun verabredeten neuen Arbeitsprozesse: "Wir beziehen die Kommunen noch stärker ein." Ostern sei ein guter Zeitpunkt, um erneut über Geld zu sprechen. Bis dahin werde man besser einschätzen können, wie viele zusätzliche Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu erwarten seien. Für einen kleinen Eklat sorgte bei der Pressekonferenz nach der Veranstaltung der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke. Während Grote sprach, verließ Henneke, der zwischen den Journalisten saß, den Saal und rief: "Heuchelei".
Linke schlägt Beschlagnahme von leerstehenden Gebäuden vor
Faeser hatte die Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände eingeladen, um mit ihnen über die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu sprechen. Damit reagiert sie auch auf Hilferufe aus einigen Kommunen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine waren 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland gekommen. Darüber hinaus beantragten hierzulande im vergangenen Jahr 217.774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl - so viele wie seit 2016 nicht. Der Trend zu mehr irregulärer Migration setzte sich auch im Januar dieses Jahres fort.
Die Parteichefin der Linken, Janine Wissler, schlug vor, zur Unterbringung von Geflüchteten weitere Gebäude des Bundes zu nutzen. Zusätzlich forderte sie: "Unbegründet leerstehende Gebäude in privatem Besitz müssen notfalls zeitweise beschlagnahmt werden, um sie sinnvoll zu nutzen."
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef kritisierte, der Mangel an angemessenem Wohnraum und geschulten Betreuern führe dazu, dass geflüchtete Kinder mit ihren Familien über längere Zeiträume in Einrichtungen leben müssen, die nicht kindgerecht und sicher seien. "Dies betrifft zunehmend auch unbegleitete geflüchtete Kinder, da einige Bundesländer bereits im letzten Jahr Standards bei ihrer Unterbringung und Versorgung abgesenkt haben", teilte Unicef Deutschland mit. "Dadurch erhöht sich das Risiko, dass geflüchtete Kinder nicht ausreichend geschützt und Opfer von Gewalt werden können."
Quelle: ntv.de, uzh/dpa