Trumps Ukraine-Plan bei MiosgaFrieden oder Kapitulation? "Das wäre eine totale Bankrotterklärung"

"Mogelpackung": Donald Trumps Friedensplan soll den Ukraine-Krieg beenden. Bei Caren Miosga wird er zerrupft. Es geht um "deutsche Illusionen" und eine "vogelfreie" Ukraine. Armin Laschet lobt Kanzler Merz - und erntet Kritik.
Ist das Ende des Kriegs in der Ukraine zum Greifen nah? Bringt Donald Trumps 28-Punkte-Plan Frieden oder kommt er einer Kapitulation Kiews gleich? Am Sonntagabend diskutiert die ARD-Talkshow "Caren Miosga" den aktuellen Stand der Verhandlungen, streitet über das weitere Vorgehen - und ist sich unisono einig, dass der von den USA vorgelegte Plan der Ukraine und Europa massiv schaden und Russland in die Hände spielen würde.
Der Plan ist eine "Mogelpackung", fasst es Claudia Major zusammen. Die Vizepräsidentin für Transatlantische Sicherheitsinitiativen beim German Marshall Fund ist eine der profiliertesten deutschen Sicherheitsexpertinnen zählt gleich mehrere fatale Fehler auf: Die Beschneidung der ukrainischen Streitkräfte, während die russischen unbehelligt anwachsen dürfen; keine wirklichen Sicherheitsgarantien; keine NATO-Soldaten auf ukrainischem Gebiet. "De facto heißt das: Die Ukraine bleibt vogelfrei", zerrupft Major das Dokument.
Vor allem der Punkt, dass die Ukraine sich trotz freier Bündniswahl in die Verfassung schreiben soll, niemals in die NATO einzutreten, und dass die NATO die Ukraine nicht mehr aufnehmen wollen darf, stoßen Major auf. "Russland beschneidet damit die Souveränität der Ukraine", sagt sie. "Für die Europäer ist das total beunruhigend." Denn ausgerechnet Moskau, das von der NATO als größte Gefahr für Europa angesehen wird, beanspruche nun die NATO-Politik zu diktieren und zu revidieren. "Das wäre eine totale Bankrotterklärung", lautet Majors Urteil.
Auch CDU-Außenpolitiker Armin Laschet findet Trumps Plan "inhaltlich falsch", aber das sei "die amerikanische Haltung im Moment" und deshalb müsse man damit arbeiten. Nur bei einem Punkt bleibt er hart: Laut den 28 Punkten soll die Ukraine den Donbass, auch noch nicht eroberte Gebiete, an Russland abgeben. "Es darf keine völkerrechtliche Anerkennung der Gebiete geben", sagt Laschet aber. "Das geht nicht. Der Punkt ist für Europa nicht akzeptabel."
"Sie glauben, dass Trump das beeindruckt?"
Kurz vor der Sendung hatte US-Außenminister Marco Rubio erklärt, dass es Fortschritte in den Verhandlungen, die bis mindestens Donnerstag fortgeführt werden sollen, gebe. Es soll auch einen neuen Entwurf des Friedensplans geben, über den der Chef des ukrainischen Sicherheitsrats, Rustem Umerow, sagte, er enthalte viele "wichtige Prioritäten" seines Landes. Die Europäer sollen zuvor einen veränderten Entwurf vorgelegt haben. Sicherheitsexpertin Major analysiert: "Wenn man beide Dokumente nebeneinanderlegt, den ursprünglichen Plan und Europas Angebot, sind da fundamentale Unterschiede."
Laschet lobt bei Miosga sogleich seinen Kanzler Friedrich Merz, der am Rande des G20-Gipfels mit Trump geredet hat und versucht habe, "ihm klarzumachen, was verändert werden muss". "Sie glauben, dass Trump das beeindruckt?", kontert Paul Ronzheimer. Der stellvertretende Chefredakteur der "Bild"-Zeitung berichtet seit Kriegsbeginn aus der Ukraine und sagt: "In Wirklichkeit macht Europa nichts", man reagiere lediglich auf einen Vorschlag, aber habe keine wirklichen Druckmittel. In der Ukraine wisse aber jeder, dass es diese in Trumps Plan nun festgehaltenen "schmerzhaften Zugeständnisse irgendwann geben wird". Weil Russland weiterhin vorrücke, wenn auch langsam. Für die meisten Ukrainer laute die Frage daher: Wie groß fallen die Zugeständnisse aus? Wenngleich es einige Militärs gebe, "die Gebiete niemals abgeben würden".
Auch Major findet, dass Deutschland und Europa die Hebel fehlen im Friedensplan-Prozess: "Jetzt rächt sich gerade, dass die Europäer in den letzten zehn Jahren nicht ins Militär investiert haben. Das wissen die USA und das wissen die Russen. Wir können keinen wirklichen Unterschied machen." Nun sei es so, dass genau über die Punkte diskutiert wird, die Russland seit den Verhandlungen von Istanbul 2022 fordert. Würde die erste Variante des Plans umgesetzt werden, würde er lediglich "zu einer Kampfpause führen, die es Russland erlaubt, seine Streitkräfte in aller Ruhe zu regenerieren", erklärt die Sicherheitsexpertin. Die 28 Punkte würden Moskau vermitteln, dass "Grenzverschiebung durch Krieg gerechtfertigt wird" und zudem Russland in eine bessere Situation für spätere mögliche Angriffe bringen, was auch für Deutschland sehr gefährlich sei.
Russland hat "keinen Grund, den Krieg zu beenden"
Allerdings glauben Major und Ronzheimer nicht, dass Moskau den Trump-Plan überhaupt unterzeichnen möchte, weil es nicht weit genug gehe. "Es gab haufenweise Verhandlungsversuche. Bislang sind all diese Versuche von Russland abgelehnt worden, weil Russland auf diesen Krieg schaut und sagt: Die langwierige Abnutzungsstrategie funktioniert. Aus russischer Perspektive gibt es keinen Grund, den Krieg zu beenden", sagt die Sicherheitsexpertin. Sollte er den Donbass nicht bekommen, würde er den Plan definitiv nicht akzeptieren, meint Ronzheimer.
Diese Aussagen bringen Laschet auf die Palme. Der ehemalige Kanzlerkandidat gibt sich realistisch und warnt: "Wenn man jetzt schon bei der Erarbeitung des Plans davon ausgeht, dass die Russen das eh nicht machen, werden wir keinen Millimeter weiterkommen." Man solle zusammensitzen und nachschärfen. Denn sonst würden die USA ihre Unterstützung für die Ukraine möglicherweise bald komplett beenden: "Dann hätten wir ein großes Problem." Man solle also nicht auf Putin schauen, sondern die Kräfte in den USA stärken, die weiter mit Europa arbeiten wollen.
Ein weiterer Punkt im Friedensplan lautet: Es wird von Russland erwartet, dass es die Ukraine nicht erneut angreift. "Lachen oder weinen die Ukrainer über diese Formulierung?", fragt Talkmasterin Caren Miosga. "Wahrscheinlich beides", antwortet Ronzheimer. In der Ukraine glaube niemand Russland, weil Putin immer wieder Versprechen gebrochen habe. Die Bürgerinnen und Bürger trieben Fragen um wie: "Kann ich mein Leben jemals so weiterleben, wie es vor dem Krieg war? Kann ich leben ohne die ständige Angst, wieder angegriffen zu werden?"
"Man muss sich die deutschen Illusionen nehmen, dass Russland diesen Krieg beenden will", warnt auch Major mit Nachdruck. "Die russische Theorie ist die eines Abnutzungskrieges, und schrecklicherweise geht dieser Plan auf." Trump attestiert sie zwar "ein ehrliches Bestreben, diesen Krieg zu beenden", aber der US-Präsident wolle auch die Beziehungen zu Russland normalisieren, selbst wenn sich die russischen Positionen nicht verändern. "Und Russland will immer noch die Ukraine und europäische Sicherheit kontrollieren", analysiert die Sicherheitsexpertin.
Ist der 28-Punkte-Plan eine Grundlage für einen dauerhaften Frieden? Das bleibt auch nach der ARD-Talkrunde mehr als fraglich. Claudia Major fasst es erneut prägnant zusammen: "Das ganze Dokument atmet immer noch den russischen Willen."