Politik

Gegen Störsender immun Glasfaser - der Drohnenkrieg nimmt die nächste Stufe

Der Drohnenkrieg an der Front entwickelt sich technologisch in rasantem Tempo weiter

Der Drohnenkrieg an der Front entwickelt sich technologisch in rasantem Tempo weiter

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Wenn massenhaft Drohnen durch Störsender des Gegners bekämpft werden, muss die nächste Entwicklung her: Glasfaser. Drohne am Kabel, das klingt old school, ist aber an der Front agil und gefährlich wie kaum etwas derzeit.

Längst ist aus dem russisch-ukrainischen Krieg ein Drohnenkrieg geworden. Sowohl Langstreckendrohnen als auch sogenannte First-Person-View-Drohnen (FPV-Drohnen), die beide Seiten als eine Art Artillerie-Ersatz einsetzen, werden gefühlt mit jedem Tag besser. Gleiches gilt auch für die Mittel der elektronischen Kampfführung wie etwa Störsender, um unterschiedliche Drohnen auch auf diesem Wege zu bekämpfen. Auf der Verbesserung der elektronischen Kampfführung lag zuletzt der Fokus der Ukrainer, denn in diesem Bereich ist die russische Armee besonders stark.

Doch seit dem letzten Sommer werden auf dem Schlachtfeld neue Drohnen eingesetzt, gegen die elektronische Kampfführung machtlos ist, denn sie benutzen keine Radiowellen. Es handelt sich um sogenannte Glasfaser-Drohnen, die der Drohnenpilot über einen sehr langen Draht steuert, der sich im Flug über mehrere Kilometer abwickelt. Erste Modelle gab es in der Ukraine zwar noch 2023, doch an Perspektiven im praktischen Fronteinsatz der Glasfaser-Drohnen glaubte in Kiew zunächst kaum jemand.

"Wir gewinnen den Drohnenkrieg"

Anders in Russland: Die russische Armee testete diese Drohnen zuerst in großem Ausmaß während des überraschenden ukrainischen Angriffs auf die Region Kursk. Als Anfang Januar 2025 dann, ebenfalls in Kursk, die Ukrainer wieder in die - viel kleiner angelegte - Offensive gingen, belegten zahlreiche Videos, wie erfolgreich die ukrainische elektronische Kampfführung gegen russische Drohnen war. Allerdings gegen alle außer Glasfaser-Drohnen, die schon länger an allen bedeutenden Frontabschnitten im Einsatz sind.

"Wir gewinnen inzwischen den Drohnenkrieg gegen die Russen", betonte Kyrylo Budanow, Chef des Militärgeheimdienstes HUR, Ende Dezember. Dass die Russen massiv auf die Glasfaser-Drohnen umgestiegen sind, sei ein großes Problem für die Ukrainer: "Es ist der Trend dieses Jahres. 2025 werden wir gemeinsam nach einer Lösung suchen müssen, wie man eine große Anzahl dieser Drohnen effektiv bekämpfen kann." Die Ukraine braucht aber nicht nur die Mittel zur Bekämpfung, sondern die Glasfaser-Drohnen selbst. Denn erst vor Kurzem gab das Verteidigungsministerium den einheimischen Herstellern ein klares Signal: Solche Drohnen werden von den Streitkräften an der Front dringend benötigt. Der Staat ist bereit, diese in großen Mengen zu kaufen.

Laut den Quellen der ukrainischen BBC-Redaktion beteiligen sich aktuell rund 25 Teams an der Entwicklung von eigenen Glasfaser-Drohnen. Auch der ukrainische Generalstab meldete am Jahresende, dass die wichtigsten Tests abgeschlossen sind. Wenn die Serienproduktion tatsächlich bald aufgenommen wird, könnte sich ab März die Dominanz der Russen in diesem Bereich etwas abmildern.

Die Glasfaser-Drohnen, die die Ukrainer bisher einsetzen, werden meist von freiwilligen Helfern in kleiner Zahl zur Verfügung gestellt. Zu erwarten ist, dass sich bis Herbst der Einsatz solcher Flugkörper auf beiden Seiten mit dem Einsatz der FPV-Drohnen etwa ausgleicht, was trotz der Vorteile der Glasfaser-Geräte nicht bedeutet, dass sie FPV-Drohnen komplett ersetzen werden.

Immun gegen russische Jammer

"Idealerweise sollte die Einheit über viele FPVs auf unterschiedlichen Frequenzen, Drohnen mit maschinellem Sehen und auch über viele Glasfaser-Drohnen verfügen", sagt Ihor Rajkow, Zugführer einer Panzerabwehrkompanie der 13. Brigade der Nationalgarde, der "Ukrajinska Prawda". Jedes dieser Mittel sei auf seine Art und Weise gut und erfülle die nötigen Aufgaben. "Glasfaser-Drohnen können beispielsweise bei der Abwehr von Angriffen gegen gepanzerte Technik eingesetzt werden", glaubt Rajkow. "Sie funktionieren gut im Nebel und sind immun gegen Mittel der elektronischen Kampfführung, die auf Fahrzeugen des Feindes installiert sind."

Zu den Vorteilen der Glasfaser-Drohnen gehört auch, dass der Bediener einer solchen Drohne ein recht klares Videobild bekommt, weswegen deren Benutzung sowohl bei der Aufklärung als auch bei der Zerstörung der möglichen Ziele Sinn macht. Das hilft dabei, eine Waffenattrappe - und diese werden von beiden Seiten längst in Masse eingesetzt - von echtem Militärgerät zu unterscheiden. Sie können außerdem sehr niedrig fliegen, zwei, drei Meter über dem Boden. Dadurch lässt sich oft sogar feststellen, ob sich in einem fahrenden Auto Soldaten oder Zivilisten befinden.

Nachteilig ist bei Glasfaser-Geräten die geringe Reichweite, selten mehr als zehn Kilometer. Das hat mit hohen Kosten, vor allem aber mit dem ausreichenden Platz für den Gefechtskopf zu tun - je länger der Draht, desto weniger Platz für den Sprengsatz. Eine schwierige Aufgabe für die Hersteller, hier die richtige Balance zu finden.

Hauptvorteil allerdings nach jetzigem Stand: Tatsächlich gibt es aktuell keine effektive Möglichkeit, sich vor einer Glasfaser-Drohne zu schützen - man kann sich nur verstecken oder versuchen, sie mit einem Maschinengewehr abzuschießen.

Werden Laser das neue Gegenmittel?

Ukrainische Entwickler arbeiten zwar an Ideen zur physischen Zerstörung solcher Drohnen mit automatisierten Drehtürmen, Netzwerfern - und prüfen auch die Möglichkeit, Laser einzusetzen. Diese Ansätze werden etwa vom Hersteller Brave1 getestet. Eine effektive Lösung ist aber noch nicht gefunden.

Theoretisch gibt es die Idee, Glasfaser-Drohnen mittels eines üblichen Autoradars zu erkennen. Dazu könnte man ein System erarbeiten, das die Informationen über die Drohne gleich bei einem Drehturm einreicht, der sie anschließend bekämpft. Ob das wirklich funktionieren wird, weiß derzeit noch niemand. Es zeigt jedoch: Der erste Drohnenkrieg dieses Maßstabs in der Geschichte entwickelt sich technologisch in rasantem Tempo weiter.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen