Politik

Der Kriegstag im Überblick Gouverneur: Sjewjerodonezk weitgehend erobert - Scholz kündigt neuen Ringtausch an

Sjewjerodonezk ist schon seit Wochen heftig umkämpft.

Sjewjerodonezk ist schon seit Wochen heftig umkämpft.

(Foto: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire)

Bei der Schlacht um Sjewjerodonezk nehmen russische Truppen nach Angaben des Gouverneurs die Stadt fast vollständig ein. Wegen heftiger Gefechte könnten laut Hilfsorganisationen 12.000 Zivilisten im Kreuzfeuer gefangen sein. Derweil beschließen die EU-Länder ein Ölembargo, und Bundeskanzler Scholz kündigt einen neuen Ringtausch für Panzer an. Der 97. Kriegstag im Überblick.

Gouverneur: Sjewjerodonezk weitgehend erobert

Russische Truppen haben die seit Wochen umkämpfte Stadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine nach ukrainischen Angaben weitgehend erobert. Der größte Teil der Stadt sei jetzt unter russischer Kontrolle, sagte Regionalgouverneur Serhij Gajdaj in einer Videoansprache. 90 Prozent der Stadt seien zerstört. Laut Gajdaj wurde bei einem russischen Angriff auch ein Tank mit Salpetersäure in einer Chemiefabrik von Sjewjerodonezk getroffen. Der Gouverneur rief die Bevölkerung auf, in Schutzräumen zu bleiben. Salpetersäure sei gefährlich beim Einatmen, Verschlucken und bei Hautkontakt, betonte er.

Die durch einen Fluss getrennten Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind die letzten Städte in der Region Luhansk, die zumindest teilweise noch von der Ukraine kontrolliert werden. Sjewjerodonezk ist schon seit Wochen heftig umkämpft. Am Montag waren russische Soldaten und Kämpfer der pro-russischen Separatisten nach Angaben des Gouverneurs auf das Stadtzentrum vorgerückt.

Hilfsorganisation: Womöglich 12.000 Zivilisten im Kreuzfeuer von Sjewjerodonezk

Angesichts der heftigen Gefechte warnen internationale Helfer, dass die humanitäre Lage vor Ort immer katastrophaler werden könnte. "Wir befürchten, dass bis zu 12.000 Zivilisten in der Stadt im Kreuzfeuer gefangen sind, ohne ausreichenden Zugang zu Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten oder Strom", sagte Jan Egeland, Generalsekretär der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC). In dem Ballungsraum Sjewjerodonezk-Lyssytschansk in der Region Luhansk haben vor dem Krieg 380.000 Menschen gelebt.

Separatisten beschlagnahmen Schiffe von Mariupol

Erstmals seit der Einnahme von Mariupol durch die russischen Streitkräfte verließ ein Schiff den Hafen der südostukrainischen Stadt am Asowschen Meer, wie der Anführer der prorussischen Separatisten in der ostukrainischen Region Donezk, Denis Puschilin, mitteilte. Das Schiff sei mit einer 2500 Tonnen schweren Metall-Ladung nach Russland unterwegs, erklärte Puschilin über Telegram.

Die Ukraine bezeichnete den Transport als Plünderung. Die prorussischen Separatisten im Gebiet Donezk beschlagnahmten mehrere Handelsschiffe, die im Hafen von Mariupol liegen. "Ein Teil der Schiffe kommt unter die Rechtshoheit der Donezker Volksrepublik", sagte Puschilin laut der Nachrichtenagentur Interfax. Die Schiffe würden umbenannt und Teil einer neu entstehenden Handelsflotte der Republik.

EU-Staaten einigen sich auf Ölembargo

Die EU-Staaten verständigten sich im Streit um das geplante Ölembargo gegen Russland auf einen Kompromiss. Auf Drängen Ungarns hin sollen vorerst nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden werden, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Beratungen mit den Staats- und Regierungschefs in Brüssel bestätigte. Per Pipeline erfolgende Transporte werden zunächst weiter möglich sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz sprach dennoch von einschneidenden Sanktionen gegen Russland. Laut von der Leyen werden die Öl-Importe der EU aus Russland trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres um rund 90 Prozent reduziert. Deutschland und Polen haben nämlich bereits deutlich gemacht, dass sie nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren wollen.

Neuer Ringtausch geplant

Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte einen Panzer-Ringtausch mit Griechenland zugunsten der Ukraine an. "Wir werden deutsche Schützenpanzer zur Verfügung stellen", sagte Scholz nach Abschluss des EU-Gipfeltreffens in Brüssel. Er habe mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis über eine Vereinbarung nach dem Vorbild des geplanten Ringtausches mit Tschechien gesprochen, sagte Scholz. Auch die Gespräche mit Polen über einen Ringtausch sollen vorangebracht werden.

Ukraine ermittelt zu tausenden möglichen Kriegsverbrechen

Die Ukraine geht mehreren tausend mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der umkämpften Donbass-Region im Osten des Landes nach. "Wir haben ein paar tausend Ermittlungen zu dem eröffnet, was wir im Donbass sehen", sagte die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa bei einer Pressekonferenz in Den Haag, wo sie mit Amtskollegen aus anderen Ländern zusammenkam. Insgesamt geht die Ukraine von 15.000 mutmaßlichen Kriegsverbrechen landesweit seit Beginn des russischen Angriffskrieges Ende Februar aus.

Wenediktowa zählte zu den möglichen Kriegsverbrechen im Donbass vor allem "Umsiedlungen von Menschen" ins Gebiet der Russischen Föderation, davon seien auch Kinder betroffen. Es gehe "auch um Folterungen, um die Tötung von Zivilisten und die Zerstörung ziviler Infrastuktur", ergänzte die Generalstaatsanwältin bei der Pressekonferenz am Sitz der EU-Justizbehörde Eurojust.

Parlament setzt ukrainische Menschenrechtsbeauftragte wegen Untätigkeit ab

Die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Ljudmyla Denissowa ist vom Parlament wegen des Vorwurfs der Untätigkeit abgesetzt worden. Das Parlament stimmte für die Entlassung der seit 2018 amtierenden Menschenrechtsbeauftragten. Die zur oppositionellen Partei Volksfront gehörende Denissowa kündigte an, gegen ihre Absetzung vor Gericht zu ziehen und sprach von einem Verstoß gegen die Verfassung sowie internationale Normen. Vertreter der Regierungspartei von Präsident Wolodymyr Selenskyj hatten Denissowa vorgeworfen, sich nicht genug für die Rettung von Zivilisten aus Kampfgebieten und für Gefangenenaustausche mit Russland eingesetzt zu haben.

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Quelle: ntv.de, cls/AFP/dpa

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