Politik

"Vieles nicht gelungen" Gremium arbeitet Afghanistan-Versäumnisse auf

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Der SPD-Abgeordnete Michael Müller wird der Kommission vorsitzen.

(Foto: picture alliance/dpa)

In zwei Jahren soll aufgearbeitet werden, was in rund zwanzig Jahres des Einsatzes von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan schlecht lief und in einer fluchtartigen Evakuierung 2021 gipfelte. Zum Start gibt sich der Gremiumsvorsitzende Müller diplomatisch.

Die Enquete-Kommission des Bundestages zum Einsatz in Afghanistan will nicht nur in die Vergangenheit blicken, sondern auch Vorschläge für eine kritischere Begleitung laufender und künftiger Einsätze liefern. "Wir alle wissen, es ist auch viel gelungen", betonte der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Müller, der bei der konstituierenden Sitzung in Berlin zum Vorsitzenden der Kommission gewählt wurde, zum Start seiner Arbeit das, was er als gelungen ansieht. "Wir konnten vielen Menschen über diese 20 Jahre eine Perspektive geben, die sie ohne dieses internationale Engagement nicht gehabt hätten", sagte er bei der konstituierenden Sitzung in Berlin. Es sei aber auch vieles nicht gelungen, konstatierte der SPD-Politiker. So hätte nicht wirklich für dauerhafte Sicherheit und Stabilität im Land gesorgt werden können.

Müller verwies auf die Fragen, die die Kommission nun in den Blick nehmen werde. "Waren die Aufträge klar genug? Wie hat die Vernetzung der Kräfte stattgefunden? Gab es eine permanente Evaluierung?", sagte Müller. Wichtig sei, dass sich nun diesen Fragen gestellt werde, auch wegen des weiteren Engagements in der Welt. "Wir erleben die Debatte um eine Führungsrolle Deutschlands", sagte der Politiker. "Es wird gewünscht, dass wir unterstützen und helfen." Als Beispiel führte er den Irak an.

Der Kommission gehören zwölf Abgeordnete aus allen Fraktionen und zwölf Sachverständige an. Sie sollen mit wissenschaftlicher Begleitung die Sinnhaftigkeit des fast 20 Jahre andauernden Afghanistan-Einsatzes hinterfragen und daraus Lehren für die Zukunft ableiten. Spätestens im Herbst 2024 sollen die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorliegen.

Schlechte Ortskenntnisse, kein Blick aufs Land

Kurz vor seiner Wahl zum Vorsitzenden hatte Müller am Morgen im "Frühstart" von ntv bereits in weniger diplomatischer Manier Versäumnisse der Afghanistan-Politik der letzten zwanzig Jahre deutlich angesprochen. "Es ist vor Ort nicht gelungen, Bündnispartner zu gewinnen, um die Erfolge dauerhaft zu stabilisieren, und jetzt nach dem Abzug ist die Situation wie vorher, oder sogar noch schlimmer." So etwas dürfe sich nie mehr wiederholen. "Von Deutschland wird eine Führungsrolle erwartet. Das heißt, dass wir in Zukunft auch in anderen Ländern aktiv sein werden."

Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte er zudem: "Vor dem Afghanistan-Einsatz hat man sich offenkundig nicht ausreichend mit Kultur, Geschichte und Gesellschaft des Landes auseinandergesetzt", sagte er. "Außerdem wurde der Auftrag häufiger geändert. Und schließlich wurden viele Erfolge an den großen Städten wie Kabul und Kandahar gemessen. Es wurde übersehen, dass viele Veränderungen in der Fläche des Landes gar nicht akzeptiert wurden."

Neben der Enquete-Kommission Anfang hatte Anfang Juli zudem der Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages seine Arbeit aufgenommen. Er soll die hektische Evakuierung aus Kabul im Sommer 2021 beleuchten. Dabei geht es auch um das Schicksal der Ortskräfte, die immer noch auf eine Möglichkeit zur Ausreise nach Deutschland warten.

Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mitteilte, sind bislang 3480 ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan in Deutschland angekommen, zusammen mit ihren Angehörigen sind es 16.217 Menschen. Daneben wurden den Angaben zufolge 1827 Menschen von der sogenannten Menschenrechtsliste aufgenommen, inklusive ihrer Familienangehörigen 7212 Menschen.

Die Bundeswehr war Ende Juni 2021 nach fast 20 Jahren aus Afghanistan abgezogen. Die Taliban hatten Mitte August ohne größere Gegenwehr der afghanischen Streitkräfte in der Hauptstadt Kabul die Macht übernommen.

Quelle: ntv.de, mpe/dpa

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