Politik

Lage spitzt sich zu Immer mehr Migranten erreichen Italien

Migranten an der Anlegestelle der italienischen Insel Lampedusa.

Migranten an der Anlegestelle der italienischen Insel Lampedusa.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Hilferufe werden lauter: Über 2000 Geflüchtete erreichten zuletzt in nur 24 Stunden die kleine Insel Lampedusa, die Verantwortlichen vor Ort fühlen sich alleingelassen. Immer mehr Menschen machen sich auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer. Grund dafür dürfte auch die Corona-Lage in Europa sein.

Der sizilianische Regionalpräsident Nello Musumeci geht davon aus, dass in den kommenden Wochen viele Geflüchtete auf dem Weg nach Italien sterben werden. Bei Facebook schrieb er am Montag von einem "menschlichen Drama der Migranten im Mittelmeerraum", seinen Post ergänzte er nicht nur mit dem Hashtag #Sizilien, sondern auch mit #Lampedusa.

Die kleine italienische Mittelmeerinsel steht stellvertretend für eine wieder stärker werdende Fluchtbewegung von Afrika nach Europa. Innerhalb von nur 24 Stunden, so berichtete es Anfang der Woche die italienische Nachrichtenagentur Ansa, kamen zuletzt auf Lampedusa mehr als 2000 Bootsmigranten an. Auf Schlauchbooten hatten sie die Strecke auf sich genommen, die als eine der gefährlichsten Flüchtlingsrouten im Mittelmeerraum gilt. Insgesamt haben sich in Italien die Migranten-Ankünfte 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdreifacht, auf rund 13.000 bis Wochenbeginn.

Corona-Krise ließ Zahlen sinken

Auch wenn diese Werte bei Weitem nicht vergleichbar sind mit den noch höheren aus der sogenannten Flüchtlingskrise um 2015/16 - in den vergangenen Wochen beobachteten auch private Seenotretter, dass sich wieder sehr viele Migranten auf die Fahrt in Richtung Europa machen, oft von Libyen und Tunesien aus. Ein Grund sei das gute Maiwetter mit oft ruhiger See, hieß es.

Ein weiterer dürfte die verbesserte Corona-Lage in Europa sein. Dass die Zahl der Asylanträge in der EU im vergangenen Jahr um 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen war, von 671.200 auf 461.300, begründete die EU-Asylagentur Easo im Februar vor allem mit den pandemiebedingten Reisebeschränkungen. Diese gelten zwar vielerorts weiterhin, doch das Infektionsgeschehen in der EU entspannt sich, was auch Schutzsuchenden zunehmend Hoffnung zu machen scheint.

Im März hatte der "Spiegel" von einem vertraulichen Protokoll einer Videokonferenz mit Experten der EU-Staaten berichtet, in dem von einem möglichen Anstieg der Migration im Sommer die Rede sei. Als Grund dafür führten die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die Easo demnach neben der verbesserten Pandemie-Lage in Europa die "schlechte wirtschaftliche und medizinische Situation in den Herkunftsländern" an. Diese sei ein "Push-Faktor", zitiert das Magazin aus dem Papier.

Dass die Fluchtbewegungen nach Europa wieder stärker werden dürften, glaubt auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Es zeichne sich ab, "dass die Migrationszahlen wieder deutlich steigen, insbesondere auf der Balkanroute", sagte der CSU-Politiker. Im März war es Frontex-Chef Fabrice Leggeri, der im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) eine neue Dynamik vorhersagte. "Ich bin mir sicher, dass nach Corona wieder mehr Flüchtlinge versuchen werden, nach Europa zu kommen." Das habe sich bereits im Sommer 2020 gezeigt, als die Corona-Reisebeschränkungen wieder gelockert worden seien.

"Niemand rührt einen Finger"

"Der Zustrom hat sich verändert, ich habe das seit Wochen weitergemeldet", klagte der Bürgermeister Lampedusas, Totò Martello, kürzlich in der Zeitung "La Repubblica". Lange seien es kleine Boote mit 15 bis 20 Personen aus dem nahen Tunesien gewesen, jetzt würden aus Libyen zweistöckige Fischerboote starten mit 200 oder 300 Passagieren an Bord. Die Regierung in Rom müsse die Sache in die Hand nehmen. "Das ist eine politische Frage."

Noch im Mai will Rom nach Berichten in der EU auf eine verstärkte Übernahme von Menschen dringen. Zwischenzeitlich bremst Italien Hilfsschiffe von privaten Seenotrettern durch Kontrollen und Festsetzungen gezielt aus, wie die Gruppen Sea-Watch und Sea-Eye klagen. "Die EU-Mitgliedstaaten müssen sofort staatliche Rettungsschiffe in dieses Einsatzgebiet schicken", verlangt Gorden Isler von Sea-Eye.

Nach UN-Angaben starben 2021 schon mindestens 511 Migranten auf der Route im zentralen Mittelmeer. "Aber niemand rührt einen Finger, weder in Rom noch in Brüssel", schrieb der italienische Regionalpräsident Musumeci in seinem Facebook-Post vom Montag. Deutschlands Außenminister Heiko Maas besucht derzeit seinen Amtskollegen in Italien. Thema werde auch die Ankunft der Flüchtlinge sein, sagte der SPD-Politiker im Vorfeld.

Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP

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