Politik

Merkels Risikospiel Lässt sich die CSU das nochmal bieten?

Schwierige Zeiten für Kanzlerin Merkel: Die Glyphosat-Affäre bringt sie in Bedrängnis.

Schwierige Zeiten für Kanzlerin Merkel: Die Glyphosat-Affäre bringt sie in Bedrängnis.

(Foto: REUTERS)

Die Glyphosat-Affäre wird zur Belastungsprobe für die Bundesregierung. Die Kanzlerin sendet versöhnliche Signale Richtung SPD, nimmt aber in Kauf, die CSU zu erzürnen. Das weckt Erinnerungen an den turbulenten Februar 2014.

Der Rüffel fiel deutlich aus. Die Kanzlerin tadelte Christian Schmidt für dessen Zustimmung für die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat. Ihr Landwirtschaftsminister hatte ohne Abstimmung mit dem Kanzleramt und gegen den Willen des Koalitionspartners SPD entschieden. "Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war", erklärte Angela Merkel. "Ich erwarte, dass sich ein solches Vorkommnis nicht wiederholt."

Die SPD-Spitze hatte reichlich verstimmt auf Schmidts Alleingang reagiert. Von einem massiven Vertrauensbruch ist die Rede. Ein schlechtes Timing, schließlich stehen Union und SPD vor der Aufnahme von Gesprächen. Merkel hat sich entschieden - für das eine Risiko und gegen das andere. Um Sympathiepunkte bei der SPD zu sammeln, nimmt sie es nämlich in Kauf, die CSU zu brüskieren.

Die CSU verteidigt ihren Minister. Schmidt habe damit "eine verantwortungsvolle und richtige Entscheidung" getroffen, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Auch der bayerische Staatskanzleichef Marcel Huber sprang Schmidt bei. Der Minister habe eine sehr wohl abgewogene Sachentscheidung getroffen. Ohne Glyphosat müssten die Bauern tiefer pflügen, das führe zu Bodenerosion. Die CSU zeigt sich demonstrativ solidarisch. Das Verständnis für den angeschlagenen Minister ist größer als das darüber, dass die eigene Kanzlerin die Schwesterpartei öffentlich tadelt. Hinter vorgehaltener Hand dürfte mancher einräumen, dass zumindest der Zeitpunkt schlecht war. Auch in der CSU wünscht man sich schließlich ein neues Bündnis mit der SPD.

Dennoch ist fraglich, ob die bayerische Schwesterpartei sich Merkels Schelte einfach gefallen lässt. Denn der Umgang mit Schmidt weckt unschöne Erinnerungen. An Februar 2014, die Edathy-Affäre und die turbulenten Anfangstage der Großen Koalition. Damals erklärte CSU-Minister Hans-Peter Friedrich seinen Rücktritt. Der Hintergrund: Friedrich hatte als Innenminister 2013 führende Sozialdemokraten über die Ermittlungen gegen den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy informiert. Angeblich trat Friedrich nicht freiwillig zurück, sondern erst auf Drängen der Kanzlerin. Die Edathy-Affäre und ihre Ausläufer sorgen noch lange für Reibereien zwischen den Regierungsparteien.

"Der Autoritätsverlust der Bundeskanzlerin"

Merkel verärgert die CSU nun erneut, das Timing dafür ist ebenfalls mäßig. Nach dem schlechten Wahlergebnis im Bund und dem ungeklärten Machtkampf an der Parteispitze ist die Anspannung bei den Christsozialen groß. Der CSU fehlt gerade die Lässigkeit, um so etwas einfach zu überhören. Nach den geplatzten Jamaika-Sondierungen hatte Parteichef Horst Seehofer der Kanzlerin den Rücken gestärkt. Mancher in der CSU dürfte Merkels Reaktion nun als undankbar empfinden. Zugleich ist klar: Sowohl vor Verhandlungen über eine Große Koalition als auch vor möglichen Neuwahlen ist der Zeitpunkt für einen Streit zwischen den Schwesterparteien schlecht.

Im Gegensatz zur SPD ist die Union in schwierigen Situationen eigentlich für ihre Disziplin bekannt. Milde stimmen könnte die CSU auch, dass Merkel einen Mittelweg gewählt hat. Sie hat Schmidt nicht entlassen, sondern beließ es bei einer Ermahnung. Ob der Konflikt halbwegs geräuschlos verschwindet oder eskaliert, wird jetzt auch von der SPD abhängen. Genügt den Sozialdemokraten Merkels Rüffel? Womöglich eher nicht. "Der Autoritätsverlust der Bundeskanzlerin ist greifbar geworden und beschädigt die vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit in der Bundesregierung", stichelte Carsten Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Die an der Glyphosat-Affäre direkt beteiligte Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD sagte: "Ich bin weiterhin der Auffassung, dass wir eine vertrauensbildende Maßnahme brauchen." Wenn das eine Rücktrittsforderung sein soll, ist sie zumindest noch ziemlich verklausuliert.

Die CSU würde es Merkel wohl nicht verzeihen, wenn sie zum zweiten Mal einen ihrer Minister aus dem Amt drängt. Die Kanzlerin dürfte sich dies jedoch auch aus anderen Gründen gut überlegen. Da die Bundesregierung nur geschäftsführend im Amt ist, wäre eine Entlassung Schmidts ziemlich kompliziert. Das Grundgesetz verpflichtet den Minister zum Verbleib im Amt, der Posten könnte im Falle eines Rücktritts nicht neu besetzt werden. Ein anderes Regierungsmitglied müsste das Ressort übernehmen. Merkel könnte ihren Minister auch nicht selbstständig entlassen, sondern nur in Absprache mit dem Bundespräsidenten. Die Kanzlerin kann jedoch keine zusätzliche Unruhe in ihrem Kabinett gebrauchen. Mit ihren täglichen Regierungsgeschäften und den Bemühungen um eine neue Regierungsbildung ist sie gerade eigentlich gut ausgelastet.

Quelle: ntv.de

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