Ersatz für Moria Lesbos: Neues Flüchtlingslager beschlossen
03.12.2020, 18:16 Uhr
Das Übergangslager Kara Tepe steht in heftiger Kritik. Es gebe nicht genug Betten oder fließend Wasser. Bis September 2021 müssen rund 7200 Migranten wohl dort ausharren.
(Foto: dpa)
Ein Großbrand zerstört das umstrittene Lager Moria. Nun vereinbaren die EU und Griechenland, bis September 2021 auf der Insel Lesbos ein neues Flüchtlingszentrum zu bauen. EU-Kommissionschefin von der Leyen verspricht anständige Lebensstandards. Doch was passiert bis dahin?
Die EU-Kommission hat gemeinsam mit den griechischen Behörden den Bau eines neuen ständigen Flüchtlingslagers auf der Insel Lesbos beschlossen. Dazu wurde nun eine Absichtserklärung zwischen EU-Kommission, EU-Agenturen und Griechenland unterschrieben. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach: "Wir werden anständige Bedingungen für ankommende Migranten und Flüchtlinge schaffen, aber auch die Gemeinden auf den griechischen Inseln unterstützen."
Die Bedingungen in dem neuen Lager würden der EU-Kommission zufolge "im Einklang mit EU-Recht unter Berücksichtigung internationaler Standards" stehen, etwa in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und sanitäre Einrichtungen.
Im September war das dramatisch überfüllte Lager durch den Großbrand fast völlig zerstört worden. Viele Migranten lebten dann auf der Straße, ehe die meisten in dem kurzfristig hochgezogenen Übergangslager Kara Tepe unterkamen. Nach Angaben der EU-Kommission leben dort derzeit 7200 Menschen. Hilfsorganisationen bemängeln, Kara Tepe sei noch schlimmer als Moria. Von Anfang an klagten die Bewohner über katastrophale Bedingungen, etwa dass es an Betten, Strom und fließendem Wasser fehle.
Im Oktober zerstörten heftige Regenfälle 80 Zelte. Die griechischen Behörden begannen derweil mit der Planung einer neuen ständigen Einrichtung. Vorgesehen seien im Rahmen eines EU-finanzierten Programms "geschlossene Lager" mit Einlasskontrollen und "doppelter Umzäunung" bis Sommer 2021, hieß es.
Was Brüssel für das neue Lager plant
Das Zentrum soll nach Kommissionsangaben zügige, faire und effektive Asylverfahren gewährleisten. Es werde Wohnbereiche mit Containern geben, einen Bereich für Neuankömmlinge, Medizincontainer sowie Erholungsbereiche etwa für Sport oder zum Spielen. In Fertighäusern soll es Bildungsangebote geben. Für Menschen mit Behinderung sind spezielle Räume vorgesehen. Zudem ist ein Haftbereich geplant, um "effektive Rückführung zu unterstützen".
Bis September werden nach Kommissionsangaben Tausende Migranten wohl noch im Übergangslager ausharren müssen. Für die Zwischenzeit habe Brüssel im November fünf Millionen Euro bewilligt, um das Übergangslager winterfest zu machen und die Energie- und Wasserversorgung zu verbessern, erklärte die Kommission. Die griechischen Behörden hatten angekündigt, Wohncontainer aus anderen Camps auf der Insel in das Übergangslager bringen zu lassen.
Die Kommission hat nach Angaben eines Sprechers rund 130 Millionen Euro für neue Aufnahmezentren auf Lesbos und Chios eingeplant, der Großteil davon für Lesbos. Hinzu kommen demnach bereits bewilligte 121 Millionen Euro, die Athen für den Bau von drei kleineren Aufnahmezentren auf den Inseln Samos, Kos und Leros erhalten hat. Diese Lager sollen ebenfalls bis September 2021 fertiggestellt werden. Es gehe darum "sicherzustellen, dass sich eine Situation wie die von Moria nicht wiederholt", erklärte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Das neue Lager sei ein Zeichen des Wandels in der EU-Migrationspolitik.
Scharfe Kritik von Pro Asyl an EU-finanzierten Lagern
Die Kommission hatte Ende September nach langer Verzögerung einen neuen Vorschlag für die seit Jahren feststeckende Reform des europäischen Asylsystems vorgelegt. Vorgesehen sind darin vor allem beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen und schnellere Abschiebungen. "Die EU wird nun zum Komplizen der menschenverachtenden griechischen Abschreckungspolitik gegenüber Flüchtlingen", kritisierte der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt. Die von der EU finanzierten Lager seien nicht darauf ausgerichtet, faire Asylverfahren zu ermöglichen, sondern dienten dazu, die Menschen möglichst schnell wieder abzuschieben.
"Die EU finanziert so die Entrechtung von Schutzsuchenden." Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) hatte noch im November neben den katastrophalen Zuständen in vielen griechischen Lagern generell den seit vielen Jahren auf Internierung ausgerichteten Umgang Griechenlands mit Flüchtlingen scharf kritisiert.
Quelle: ntv.de, ysc/AFP/dpa