Politik

Bayerisches Kulturgut "Mei Liablingsbier ist Freibier"

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Angeblich soll der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber beim Aschermittwoch mal Kamillentee getrunken haben. Er selbst bezeichnete solche Gerüchte als "Schmarrn".

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Bayern ohne Bier ist kaum vorstellbar und bayerische Politik ohne Bier erst recht nicht. Das gilt vor allem am Aschermittwoch, obwohl da ja eigentlich die Fastenzeit beginnt.

Wenn am politischen Aschermittwoch in Niederbayern Politiker aus dem Freistaat sich gegenseitig beschimpfen, hält Majestät sich raus. Sie steht über den Dingen. Vielleicht schaut sie mal im Fernsehen zu. Sie - das ist die einzige bayerische Königin. Sarah heißt sie, sie wohnt in der Oberpfalz und hat ihren Titel nur auf Zeit. Sarah ist bayerische Bierkönigin.

Mit richtigem Namen heißt sie Sarah Jäger. Und wie es einer Bierkönigin ansteht, arbeitet sie in einer Brauerei. Vom Brauen und Mälzen hat sie zwar ein wenig Ahnung, und sie kann in Windeseile "o'zapfen", wie man in Bayern das Fassanstechen nennt. Aber eigentlich arbeitet sie in der Marketingabteilung. Und übers bayerische Bier weiß sie fast alles. "Das war eine der Voraussetzungen bei der Wahl", sagt sie mit leichtem Oberpfälzer Dialekt.

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Sarah Jäger amtiert seit Mai 2021; im kommenden Mai wird ihre Nachfolgerin gewählt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ihre Wahl vor zwei Jahren wird sie sicher nie wieder vergessen. "Das ging im Jahr davor mit einer Art Casting los", erzählt sie. Dann gab es ein Online-Voting, und schließlich musste sie vor einer Jury auftreten. Die hat Sarah und ihre Mitfinalistinnen auf Herz und Nieren, besser gesagt: auf Charme, Schlagfertigkeit und Wissen geprüft. Eigentlich sollte sie für ein Jahr gewählt werden. "Aber dann war im letzten Jahr noch alles wegen Corona unklar, und drum haben mich die Leute vom Bayerischen Brauerbund gefragt, ob ich noch ein Jahr weitermachen will. Na, und ich habe ja gesagt. Aber dieses Jahr ist wirklich Schluss", erklärt sie mit einem Lächeln im Gesicht.

Die Aufgabe von Sarah Jäger: Werbung machen fürs bayerische Bier, und zwar weltweit: von der Grünen Woche in Berlin bis zum Oktoberfest in San Francisco.

Bier in Maß'n

Der Bayer liebt sein Bier, vor allem, weil es kein Pils ist. Das ist schon deswegen kurios, weil es ein Bayer war, der das Pils erfunden hat. Das war 1842, der Braumeister hieß Josef Groll und arbeitete im tschechischen Pilsen. Pils wird bei niedrigen Temperaturen gegoren und ist durch seinen höheren Hopfengehalt herb und ein wenig bitter. Außerdem enthält es mehr Alkohol als das bayerische "Helle".

Mehr als 120 Jahre brauchte das Pils, um in Deutschland zum meistgetrunkenen Bier zu werden. Nur die Kehlen der Bayern blieben ihm verwehrt. Dort trinkt man Helles, das weniger Hopfen enthält, also nicht ganz so bitter ist wie das Pils. Und es hat weniger Alkohol. Man kann also mehr davon trinken.

"Ein kleines Bier ist in Bayern ein halber Liter", erklärt Sarah Jäger - oder "eine halbe Maß". Daran erkenne man Touristen am besten, sagt Jäger: Die bestellen "ein Maß Bier", Maß mit langem A. In Bayern bestellt man eine Mass, mit kurzem A, und die trinkt man aus dem Maßkrug. Da passt gewöhnlich ein Liter Bier hinein, und das ist eben "a Maß", also eine Masse Bier. Und damit man nicht so schnell betrunken wird von diesen Massen, werden dazu fettes Fleisch und viele Beilagen verzehrt: Schweinshaxe mit Kartoffelknödeln und Kraut etwa. "Tja, als Vegetarier bist du hier echt ein bisschen aufgeschmissen", lacht Sarah Jäger.

Und noch eine Eigenart hat der bayerische Zeitgenosse: Wenn er trinkt, dann trinkt er viel. Das ist im weiß-blauen Freistaat nichts wirklich Schlimmes, sondern der Menge geschuldet, die der Bayer oder die Bayerin an einem schönen Abend in sich hineinschütten. Dabei kommt es nicht auf den Alkohol an. "Keine bayerische Brauerei kommt heutzutage ohne ein Sortiment von alkoholfreiem Bier aus", sagt Sarah Jäger. "Ob Hefeweizen oder Helles, alles gibt's ohne Alkohol. Und wannst des saufst, wirst ned schiaf o'g'schaut", im Gegenteil: In vielen Biergärten sind alkoholfreie Biere mittlerweile zum Maß aller Dinge geworden.

Das Fastenbier

Bier lässt sich auch aus der bayerischen Politik nicht wegdenken, der politische Aschermittwoch ist da nur ein Beispiel unter vielen. Angefangen hatte es damit im Jahr 1580 in Vilshofen bei Passau. Da kamen am Aschermittwoch zum ersten Mal Bauern zum Vieh- und Rossmarkt zusammen. Dabei wurde nicht nur heftig gefeilscht, die Bauern spotteten über ihre Konkurrenten und später auch über die königlich-bayerische Politik. Das war eigentlich verboten, aber die geschmähten Könige sollen bei dieser Gelegenheit beide Augen zugedrückt und niemanden bestraft haben. 1919 gab es den ersten richtigen politischen Aschermittwoch, veranstaltet vom Bayerischen Bauernbund. Da soll es nur ein einziges Thema gegeben haben: Die Räterepublik in München wurde in Grund und Boden geschimpft. 1946 machte die Bayernpartei den politischen Aschermittwoch zur Tradition, die CSU und die anderen Parteien zogen nach. Gefeiert wird in Bierzelten, es wird mächtig gebechert, und am Ende der Veranstaltungen, die mittlerweile an mehreren Orten stattfinden, soll schon so mancher Politiker kurzfristig vergessen haben, wie man geradeaus geht.

Der Aschermittwoch ist aber auch der Beginn der Fastenzeit, und die nehmen viele Bayern sehr ernst. Der Tag selbst ist ein "stiller Tag", das heißt, Tanzveranstaltungen und fröhliche Partys sind in Bayern verboten. Für Katholiken gilt theoretisch die Regel, dass an diesem Tag nur einmal gegessen werden darf, und Fleisch ist tabu. Zumindest das von warmblütigen Tieren. Weil die Bayerinnen und Bayern aber so gerne schlemmen, kommt an diesem Tag Fisch auf den Tisch. Und da hat Bayern eine besondere Tradition: Die Hälfte der in Deutschland vertilgten Karpfen kommt aus dem Freistaat, bei Forellen sind es 40 Prozent. Und weil Fisch schwimmen will, kippt man am Aschermittwoch kräftig Bier nach.

Doch auch während der 40-tägigen Fastenzeit sprechen die Menschen aus Bayern dem Bier kräftig zu. Den Grund erklärt die Bierkönigin: "Es ist so, dass es bei uns heißt: Flüssiges bricht Fasten nicht. Aber es ist auch schon immer so gewesen, dass Bier in der Fastenzeit ein Grundnahrungsmittel war. Es hat einen hohen Kalorienanteil, und auch der Malzgehalt ist sehr hoch. Darum sind die Leute von dem Genuss des Bieres sehr lange satt gewesen."

Das Bier in der Politik

Nicht nur am politischen Aschermittwoch ist Bier besonders für Menschen aus der bayerischen Politik unerlässlich. In diesem Jahr wird ein Teil des Wahlkampfes im Freistaat auf den Spätsommer fallen, und da wird dann auf Stadt- und Dorffesten, aber vor allem in Bierzelten um Wählerstimmen gerungen. "Da gilt: Als Politiker sollte man schon eine Maß Bier vor sich stehen haben, aber natürlich besser ohne Alkohol", sagt Sarah Jäger.

Doch es gibt auch Politiker, denen ein besonders positives Verhältnis zum Bier nachgesagt wird. Günther Beckstein ist so einer. Der einstige bayerische Ministerpräsident erntete nicht nur positive Kritiken, als er im September 2008 erklärte, wer zwei Maß Bier am Abend trinke, könne ohne Weiteres noch ein Auto lenken. Zumindest, wenn er ein "gestandenes Mannsbild" sei und die Maß "schlecht eingeschenkt" seien. Sarah Jäger sieht das völlig anders: "Nein", sagt sie kategorisch. "Wer Alkohol trinkt, lässt das Auto stehen!"

Auch Bayerns bekanntester Politiker Franz Josef Strauß soll gerne mal einen über den Durst getrunken haben. Roman Deininger beschreibt in seinem Buch "Die CSU - Bildnis einer speziellen Partei" ein Ereignis aus dem Jahr 1980: Da hatte Strauß im niederbayerischen Straubing ein Volksfest eröffnet und anschließend ein Interview beim "Straubinger Tagblatt" zugesagt. Dort tauchte der Ministerpräsident auch auf, aber mit reichlich Schlagseite. Die Journalisten bewirteten Strauß mit Dingen, die ihn wieder ernüchtern sollten: Kaffee, Kuchen, belegte Brötchen. Strauß schaute kurz auf die Köstlichkeiten, dann sah er die Gastgeber an und fragte: "Hobt's koa Bier?"

Auch die bayerische Bierkönigin hat in ihrer zwei Jahre währenden Regentschaft schon so manche Maß genossen. Eigentlich sollte sie allein deshalb ein Lieblingsbier haben. Und, hat sie? Ja, sagt sie lachend. "Mei Liablingsbier ist Freibier."

Quelle: ntv.de

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