15-Kilometer-Radius? Merkel will schärfere Ausgangsbeschränkungen
05.01.2021, 12:10 Uhr
Im Kanzleramt wird erwogen, in Corona-Hotspots den Bewegungsradius der Bewohner auf 15 Kilometer zu beschränken. Zuständig sind die Länder - die Mehrheit lehnt den Vorschlag ab. Angesichts der hohen Corona-Zahlen sind aber weitere Maßnahmen im Gespräch.
Bei einer Vorbesprechung im Kanzleramt sind am Montagabend auch Ausgangsbeschränkungen thematisiert worden, wie sie in Sachsen bereits seit Mitte Dezember gelten. Nach Informationen von ntv und RTL wurde in der Runde, an der neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten auch Wissenschaftler teilnahmen, auch der Vorschlag diskutiert, den Bewegungsradius der Bewohner von Regionen mit besonders hohen Inzidenzwerten auf 15 Kilometer im Umkreis ihres Wohnortes einzuschränken.
Eine Expertin des Max-Planck-Instituts erklärte dabei, dass es zur Senkung der Infektionszahlen "möglicherweise" eine "Stay at home"-Anordnung beziehungsweise einen eingeschränkten Bewegungsradius um den Wohnsitz brauche.
Merkel habe zustimmend auf den Vorschlag reagiert, heißt es aus Teilnehmerkreisen. In Sachsen gelten Ausgangsbeschränkungen bereits seit dem 14. Dezember, in Thüringen werden sie diskutiert. Aktuell liegen sechs der zehn am stärksten von Corona betroffenen Landkreise in Sachsen, die übrigen vier in Thüringen und Bayern. In anderen Ländern, etwa in Irland oder Frankreich, gab es solche Beschränkungen bereits.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde am Vormittag im Kanzleramt weiter darüber diskutiert, ob es in Kreisen mit einer hohen Neuansteckungsrate Einschränkungen des erlaubten Bewegungsradius um den Wohnort geben soll. Es ist aber noch offen, ob der Punkt wirklich in das Beschlusspapier aufgenommen wird. Eine Entscheidung solle es erst in der Runde der Regierungschefs mit Merkel am Nachmittag geben.
Schwelle bei Inzidenz von 100?
Nach Informationen von ntv und RTL gibt es für den Vorschlag einer Einschränkung des Bewegungsradius unter den Ministerpräsidenten keine Mehrheit. Auch wegen anderer Punkte gibt es in der Runde offenbar noch erheblichen Abstimmungsbedarf, sodass der Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) um zwei Stunden auf 13 Uhr verschoben wurde. Vorher wollen sich Merkel, Finanzminister Olaf Scholz sowie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu einer Vorbesprechung treffen. Müller ist MPK-Vorsitzender, Söder sein Stellvertreter.
Nach Informationen des "Tagesspiegels" will das Kanzleramt für die Beschlussvorlage dennoch eine Verschärfung der Ausgangsbeschränkungen durchsetzen. Bei der jüngsten Konferenz der Ministerpräsidenten mit Merkel war beschlossen worden, dass "weitgehende Ausgangsbeschränkungen" spätestens dann "erwogen werden" sollen, wenn die Inzidenz von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche überschritten wird. Dem "Tagesspiegel" zufolge will das Kanzleramt diese Schwelle auf 100 Neuinfektionen senken.
Lindner lehnt ab
Laut der aktuellen Corona-Verordnung ist im Freistaat Sachsen "Einkaufen für den täglichen Bedarf und Inanspruchnahme sonstiger Dienstleistungen im Umkreis von 15 Kilometern des Wohnbereichs oder des Arbeitsplatzes oder zur nächstgelegenen Einrichtung zur Grundversorgung/für Einkäufe des täglichen Bedarfs" gestattet. Auch Sport im Umkreis von 15 Kilometern rings um die Wohnung ist erlaubt.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken hatte bereits am Sonntag gesagt, dass er eine solche Regelung auch für sein Bundesland anstrebt. Wie Sachsen ist Thüringen ein Corona-Hotspot. In der Landesregierung Thüringens ist Ramelows Vorstoß allerdings umstritten. Finanzministerin Heike Taubert von der SPD etwa sprach sich auf Twitter dagegen aus. Das Landeskabinett tagt heute nach der ebenfalls für heute geplanten Videokonferenz der Ministerpräsidenten mit Merkel.
FDP-Chef Christian Lindner lehnt die diskutierte Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen engen Radius rund um den Wohnort als unverhältnismäßig ab. "Wir halten das bei einer 100er Inzidenz für einen absolut überzogenen Eingriff in die Freiheit der Menschen, der sich nicht begründet aus einer Begrenzung des Pandemie-Geschehens", sagte er in Berlin. Der FDP-Chef machte allerdings eine Ausnahme: "Eine solche Maßnahme käme dann in Betracht, wenn wir es mit einer Hotspot-Situation zu tun haben (...) mit einer sehr hohen dreistelligen Inzidenz."
Quelle: ntv.de, hvo/dpa