Politik

225 Tonnen radioaktives Material Ministerium beziffert Folgen längerer AKW-Laufzeiten

Im Zwischenlager in Gorleben wird hochradioaktiver Abfall gelagert.

Im Zwischenlager in Gorleben wird hochradioaktiver Abfall gelagert.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Debatte über eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke ist in vollem Gange. Die Ampelkoalition ist in der Sache gespalten. Das Bundesumweltministerium teilt nun mit: Blieben die AKW am Netz, entstünden große Probleme bei der Lagerung von radioaktivem Material.

Eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland würde nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums mindestens 225 Tonnen schwer radioaktives Material zusätzlich entstehen lassen. Falls die drei Kraftwerke drei weitere Jahre in Betrieb blieben, würden zudem etwa 450 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle anfallen, erklärte das Ministerium von Grünen-Politikerin Steffi Lemke auf Anfrage der Mediengruppe Bayern. Dies würde große Probleme bei der Lagerung schaffen.

In den vergangenen Jahren wurden geschätzt jährlich rund 50 neue Brennelemente pro Atomkraftwerk benötigt, wie aus dem Ministerium verlautete. Es schließt allerdings nicht aus, dass der Bedarf an Brennelementen bei einer Laufzeitverlängerung sogar noch größer sein könnte.

Bislang sei "stets nur ein Teil der Brennelemente ausgetauscht worden und nicht der gesamte Kern", was laut Ministerium 193 Brennelemente wären. "Sobald die jetzt vorhandenen Brennelemente aufgebraucht sind, käme der Neubeschaffungsbedarf allerdings eher der erstmaligen Kernbeladung zu Betriebsbeginn der AKW gleich, als einer Nachbeladung in den vergangenen Betriebsjahren."

Demnach wäre nicht auszuschließen, dass die zwei- bis dreifache Brennelement-Menge nötig wäre. Auch die zusätzliche Menge an schwach- und mittelradioaktiven Abfällen von errechneten 450 Kubikmetern könnten "aus Gründen der Genehmigung nicht mehr im bereits voll ausgelastet geplanten Endlager Konrad untergebracht werden". Ab 2027 sollen im Endlager Konrad im niedersächsischen Salzgitter rund 300.000 Kubikmeter leicht- und mittelradioaktiver Müll in 850 Metern Tiefe eingelagert werden.

"Ernsthaft und ideologiefrei diskutieren"

Eine Laufzeitverlängerung für die drei in Deutschland noch verbliebenen AKW wird wegen des Engpasses beim Gas diskutiert. FDP und Union sind dafür, die Grünen sind strikt dagegen. Auch bei der SPD gibt es Widerstand. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigte sich dagegen, anders als die SPD-Spitze, zuletzt offen dafür, die Laufzeit von Atomkraftwerken notfalls für eine kurze Zeit zu verlängern. "Die letzten Atomkraftwerke gehen zum 31. Dezember 2022 vom Netz. Sie machen derzeit etwa sechs Prozent unserer Stromversorgung aus. Wenn dieser Termin um drei oder vier Monate verlängert wird, um Gas sparen zu können, dann muss das ernsthaft und ideologiefrei diskutiert werden", sagte Woidke.

Mehr zum Thema

Mittel- und langfristig sehe er vor dem Hintergrund der ungeklärten Atommüllentsorgung aber keine Zukunft für die deutsche Atomenergie. Ein Großteil der Brennstäbe komme aus Russland, fügte Woidke hinzu. Zuvor hatte der Regierungschef der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" gesagt: "Ob ein kurzfristiger Weiterbetrieb von mehreren Monaten in der akuten Notlage helfen kann, muss vom Bundeswirtschaftsminister geprüft werden. Wir sollten heute nichts von vornherein ausschließen."

Widerspruch erhielt er von der energiepolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer. "Es ist geklärt in Deutschland. Wir haben einen gesetzlichen Atomausstieg, und seit vielen Jahren bereiten wir uns darauf vor", sagte sie im "ntv Frühstart". "Wir haben weder ideologische noch sonstige Schranken im Kopf dabei, sondern das ist die teuerste Form der Energiegewinnung, um Energie zu nutzen", so Scheer weiter. "Und insofern wäre es auch ökonomisch neben den ganzen anderen negativen Folge-Effekten von Atomenergie-Nutzung nicht verantwortbar, dieses Rad zurückzudrehen."

Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen