Politik

Was wird aus dem Donbass? Mit Putin säuselt Trump, Selenskyj schreit er an

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Putin und Trump bei ihrem Treffen im August in Alaska.

Putin und Trump bei ihrem Treffen im August in Alaska.

(Foto: REUTERS)

Trump bestreitet, mit Selenskyj über die Aufgabe des Donbass gesprochen zu haben. Die Berichte vom Wochenende lassen jedoch nur einen Schluss zu: Der US-Präsident ist zurück im alten Muster.

Nach dem Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Machthaber Wladimir Putin sowie dem Treffen zwischen Trump und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj sind einige Frage offen. Was haben Trump und Putin besprochen? Was forderte Trump von Selenskyj? Unterstützt Trump die russische Forderung nach Abtretung des gesamten Donbass an Russland, einschließlich jener Regionen, die Russland nicht erobert hat?

Letzteres bestreitet Trump. Fest steht: Am Donnerstagabend hat Trump zwei Stunden lang mit Putin telefoniert. Danach schrieb er auf seiner Plattform Truth Social, das Gespräch sei "sehr produktiv" gewesen und habe "großen Fortschritt" gebracht.

Bereits dieses Statement nährt den Verdacht, dass Trump wieder einmal voll auf Putin reingefallen ist. Putin habe der First Lady Melania Trump "für ihre Mitwirkung bei den Kindern" gedankt, schreibt Trump darin. "Er zeigte sich sehr dankbar und sagte, das werde weitergehen." Melania Trump setzt sich nach eigenen Angaben für Kinder ein, die infolge des Kriegs von ihren Eltern getrennt wurden.

Schrei-Wettbewerb mit Flüchen

Tatsächlich jedoch wurden nicht Kinder infolge des Kriegs von ihren Eltern getrennt: In Wahrheit hat Russland tausende Kinder aus der Ukraine verschleppt. Russland bildet sogar entführte Minderjährige für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine aus; die völkerrechtswidrigen Deportationen sind der Grund für den Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof 2023 gegen Putin verhängte.

Am Freitag dann empfing Trump Selenskyj im Weißen Haus. Der öffentliche Teil dieses Treffens verlief unspektakulär - einen Eklat wie im vergangenen Februar gab es vor Publikum nicht. Bei Truth Social schrieb Trump anschließend in deutlich nüchternerem Ton, das Treffen sei "sehr interessant" und "freundschaftlich" gewesen. Von "Fortschritt" war jetzt keine Rede. Er habe Selenskyj, wie vorher Putin, darauf hingewiesen, "dass es Zeit ist, das Töten zu beenden und einen DEAL zu machen".

"Sehr interessant" kann viel bedeuten. Zum Beispiel auch das: Zwischen Trump und Selenskyj kam es im Weißen Haus mehrfach zu einem "Schrei-Wettbewerb", bei dem Trump "die ganze Zeit geflucht" habe, berichtete die "Financial Times" am Sonntag. Nach wenigen Wochen, in denen er Russland drohte und sich von Putin enttäuscht zeigte, ist Trump also zurück im alten Muster: Er vertraut Putin - Selenskyj schreit er an.

Die von der Ukraine gewünschte Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern lehnt er weiterhin ab. "Ich gucke mir das an", sagte Trump am Sonntag bei Fox News. Darüber habe er auch mit Putin gesprochen, "nicht, dass er davon begeistert wäre". Allerdings benötigten die USA ihre Tomahawks selbst.

Aufgabe des Donbass wäre für die Ukraine "eine Katastrophe"

Die Frage, ob in diesem Krieg die Front beim aktuellen Stand eingefroren wird oder die Ukraine den gesamten Donbass aufgibt, ist von größter Bedeutung. Meist wird unter Donbass das Territorium der beiden ukrainischen Oblaste Donezk und Luhansk verstanden. Beide Regionen hat Russland weitgehend, aber nicht vollständig unter Kontrolle.

Aus ukrainischer Sicht gibt es keinen Grund, Gebiete an Russland abzutreten, die von der Invasionsarmee in dreieinhalb Jahren Krieg nicht erobert werden konnten. Auch militärisch wäre eine Aufgabe des Donbass für die Ukraine höchst unsinnig: Es wäre ein Rückzug hinter die sogenannte Neue Donbass-Linie. Das ist ein Verteidigungsgürtel, den die ukrainische Armee in den vergangenen Monaten ausgebaut hat.

Einen neuen Sperrwall gibt es bislang nicht. Die nächste natürliche Verteidigungslinie wäre der Fluss Dnipro - weit hinter der Front. Würde die Ukraine sich also freiwillig aus Luhansk und Donezk zurückziehen, dann würde sie riskieren, dass Russland das halbe Land bis zur Hauptstadt Kiew erobert. "Militärisch wäre die Übergabe des Donbass eine Katastrophe für die Ukraine", sagt Oberst Markus Reisner.

Trump tritt im Gespräch mit Selenskyj als Putins Sprachrohr auf

Nach Darstellung der "Financial Times" machte Trump sich Putins Positionen beim Gespräch mit Selenskyj zu eigen. Der US-Präsident habe seinen Gast dazu gedrängt, die russischen Bedingungen für ein Ende des Kriegs anzunehmen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen. Putin habe gesagt, er werde die Ukraine "vernichten", wenn sie nicht zustimme, richtete Trump Selenskyj aus. Karten mit Darstellungen des Frontverlaufs habe der US-Präsident vom Tisch gefegt und darauf bestanden, dass Selenskyj den gesamten Donbass an Putin abgibt.

Die russischen Bedingungen scheint Trump erst am Abend zuvor von Putin gehört zu haben. Laut "Washington Post" schlug der Kremlchef vor, er könne Teile der ukrainischen Oblaste Saporischschja und Cherson "aufgeben", wenn er dafür die volle Kontrolle über den Donbass bekäme, also über Luhansk und Donezk. Welche Gebiete in Saporischschja und Cherson Putin gemeint haben könnte, blieb unklar - möglicherweise jene, die ohnehin von der Ukraine kontrolliert werden.

Hochrangige Mitarbeiter des Weißen Hauses hätten den Vorschlag dennoch als Fortschritt interpretiert, schreibt die "Washington Post". Denn im August, beim Treffen in Alaska, habe Putin noch Anspruch auf alle vier ostukrainischen Oblaste erhoben: Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson.

Dass Russland Territorien aufgibt, erwartet Trump gar nicht

Trump widersprach dem Bericht der "Financial Times" später. Eine Aufgabe des Donbass sei zwischen ihm und Selenskyj nicht besprochen worden, sagte er am Sonntag. Er habe nur gesagt, sie sollten "an den Kampflinien stoppen" und dann verhandeln. Wenn man erst darüber rede, wer was bekommen solle, werde es zu kompliziert, dafür gebe es zu viele Tausch-Kombinationen, so Trump vor Journalisten. Auf die Frage, was mit dem Donbass geschehen solle, sagte er: "Der soll aufgeteilt werden, wie er jetzt ist. Er ist jetzt zerteilt. Ich glaube, Russland hat sich schon 78 Prozent des Landes [gemeint ist der Donbass] genommen."

Dem Sender Fox News sagte Trump, er sei zuversichtlich, den Konflikt beenden zu können. Aber Putin habe bereits "eine Menge Grund und Boden" in der Ukraine "gewonnen". Trump machte deutlich, dass er nicht davon ausgeht, dass Russland die eroberten Gebiete wieder abgeben würde. So etwas täten nur die USA, "wie wir es unter Präsident Bush im Nahen Osten gemacht haben", behauptete Trump und meinte damit vermutlich den Irak-Krieg.

"Für Putin gibt es keinen Grund zu verhandeln"

Hendrik Remmel, Militäranalyst beim Bundeswehr-Thinktank German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), sagte ntv, für Putin gebe es "im Moment keinen wirklichen Grund zu verhandeln". Die Ukraine versuche gerade, einen solchen Grund zu schaffen, indem sie russische Öl-Raffinerien angreife. Putins Kalkül sei es, "dem Westen zu vermitteln: Gebt mir jetzt den Rest des Donbass und ich höre auf zu kämpfen". Dies sei aber "eine absolute Illusion". Putin werde "von seinen großen strategischen Zielen nicht abrücken, auch wenn der Westen die Ukraine so weit unter Druck setzt, dass Selenskyj Putin das gibt, was er will".

Russland hat wiederholt erklärt, dass der Krieg erst endet, wenn alle russischen Ziele erreicht sind, darunter weiterhin die "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung" der Ukraine sowie die Anerkennung der "Realitäten am Boden". Damit meinte Putin bislang nicht den Frontverlauf, sondern die vier Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Alle vier werden von Russland nicht vollständig kontrolliert. Dennoch wurden alle vier bereits 2022 völkerrechtswidrig annektiert, acht Jahre nach der ebenfalls illegalen Annexion der Krim.

Quelle: ntv.de

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