Politik

Merkel im schwierigen Kaukasus Ohne Russland bewegt sich hier nichts

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Auch in Aserbaidschan legte Merkel einen Kranz nieder.

(Foto: dpa)

Die politische Lage im Kaukasus ist komplex, die Erwartungen an die Bundeskanzlerin vor ihrem Besuch in Georgien, Armenien und Aserbaidschan hoch. Doch Merkel ist zurückhaltend, denn ohne einen bestimmten Akteur ist die Region im Stillstand gefangen.

Der Kaukasus zählt nicht gerade zum Weltzentrum der Politik. Eingeklemmt zwischen der Türkei, dem Iran und Russland, zerstritten untereinander und unter der Fuchtel Moskaus, ist das Dasein schwierig. Angela Merkels Drei-Tage-Visite genießt insofern vor allem symbolische Bedeutung. "Seht her, wir haben euch nicht vergessen", soll die Botschaft der Kanzlerin lauten. Viel auszurichten vermag sie gleichwohl nicht.

Um die missliche Lage Georgiens zu erkennen, reicht ein Blick durch den Feldstecher. Angela Merkel steht auf einem Feldherrnhügel bei Odzisi, direkt an der sogenannten Verwaltungslinie zwischen Georgien und Südossetien. Unten im Tal, klar zu erkennen, steht eine russische Kaserne. Ein Dorf im Dorf, mit Unterkünften für die Soldaten und Wohnungen für die Familien. "Die haben sich dort dauerhaft eingerichtet", erklärt ein Vertreter der Europäischen Beobachtermission, die dazu beitragen soll, dass der eingefrorene Konflikt nicht über Nacht auftaut.

Südossetien zählt wie Abchasien zu den abtrünnigen Provinzen Georgiens. Aus georgischer Sicht sind sie von Russland besetzt. 20 Prozent des Staatsgebietes in fremder Hand, das schmerzt, wie die Fragen der Studenten der Iwane-Dschawachschwili-Universität in Tiflis offenbaren: "Was macht der Westen?" Die Bundeskanzlerin kann keine große Hoffnung verbreiten. Offiziell stehen dem Land die Türen zu Nato und EU offen. Inoffiziell rechnet niemand damit, dass tatsächlich bald jemand durchschreitet. Die ungelösten Territorialkonflikte mit Russland verhindern jede echte Annäherung. Ein Muster, das einem aus Moldawien und der Ukraine bekannt vorkommt.

Georgien bleibt so in seiner Entwicklung stecken. Die Konflikte kosten Geld, Energie, verhindern die Westbindung und machen das Land für Investoren wenig attraktiv. Das Bruttosozialprodukt verharrt etwa auf dem Niveau Angolas. Ein Armenhaus am Rande Europas.

Heikles Statement in Armenien

Armenien und Aserbaidschan, die Stationen zwei und drei auf Merkels Reise, streiten sich untereinander um Bergkarabach. Hauptsächlich von Armeniern bevölkert, liegt die autonome Region mitten in Aserbaidschan. "Gäbe es Bergkarabach nicht, hätte es Putin wohl erfunden", heißt es aus Regierungskreisen.

Schon bei der Landung in Eriwan ist die äußere Bedrohung allseits präsent. Der majestätische Ararat, 5137 Meter hoch, bildet die prächtige Kulisse der Hauptstadt - und ist doch, obschon nur gut 50 Kilometer entfernt, unerreichbar. Das Nationalsymbol Armeniens, wo der Bibel nach die Arche Noah strandete, liegt auf dem Gebiet des armenischen Traditionsfeindes Türkei. Die Kranzniederlegung Merkels an der Gedenkstätte Tsitsernakaberd, wo der Opfer des Völkermords von 1915/1916 gedacht wird, gilt als heikles politisches Statement.

Ein Leuchtturmprojekt in all der Tristesse ist das Tumo-Center for Creative Technologies, finanziert aus Spenden von Exil-Armeniern. Auf 6000 Quadratmetern bietet es Tausenden Schülern eine Umgebung, in der sie kostenfrei und in ihrer Freizeit die neuesten digitalen Werkzeuge ausprobieren können. Das Ziel ist ambitioniert: Die IT-Innovationen der Zukunft sollen nicht zwangsläufig immer aus Seoul oder dem Silicon Valley stammen, sondern eines Tages vielleicht auch aus Eriwan.

Warum sollte Putin aktiv werden?

Fliegt man weiter nach Baku, ist dort die Verachtung für das Nachbarland groß. "Ohne die Hilfen aus dem Ausland und vor allem ohne die militärische Unterstützung Moskaus wäre Armenien nicht überlebensfähig", heißt es in der Hauptstadt Aserbaidschans. "Putin könnte mit einem Fingerschnippen den Konflikt um Bergkarabach beenden." Doch warum sollte er? Der Nachbarschaftsstreit hält praktischerweise gleich die beiden früheren Sowjetrepubliken in Schach.

Der Präsident Aserbaidschans, der seit 2003 regierende Heydar Aliyev, gilt gleichwohl als Putins schwerster Brocken. Der dynastische Machthaber kann sein Öl und Gas selbst verkaufen und ist damit weniger erpressbar als seine Nachbarn. Doch auch er kennt seine Grenzen. Die Assoziierungsgespräche mit der EU hat er abgebrochen, um seine allseitige Distanz zu demonstrieren.

Angela Merkel hat sich zweimal überlegt, ob sie überhaupt nach Baku fahren soll. Ihr Delegationsmitglied Albert Weiler, Bundestagsabgeordneter der CDU, war Aliyev nicht genehm, da er zweimal nach Bergkarabach gereist war. Aus Sicht Bakus ein Verbrechen. Also sprang Fraktionskollege Johann Wadephul ein. "Wer nicht miteinander spricht, kann auch keine Konflikte lösen", heißt es dazu aus Berliner Regierungskreisen lapidar.

Die reichen Öl- und Gasvorkommen Aserbaidschans mögen die Entscheidungsfindung beflügelt haben. Das Land ist der Dreh- und Angelpunkt des sogenannten Südkorridors, einer Gaspipeline via Türkei bis nach Europa. Ein Projekt, das dabei helfen soll, die europäische Rohstoffabhängigkeit von Russland zu reduzieren. Moskau wiederum hat nur ein reduziertes Interesse an dieser südlichen Konkurrenz. Auf der Südroute ist bislang auch weit weniger Energie unterwegs als möglich wäre. Der Weiterbau der Pipeline durch das Kaspische Meer bis nach Turkmenistan: bislang reine Utopie.

So erlebt Angela Merkel im Kaukasus ihr ganz persönliches Déjà-vu. Sie kann dem Druck Moskaus nicht viel entgegensetzen. Ein wenig Symbolik, ein wenig Wirtschaftshilfe. Moskau ist und bleibt das Problem und gleichzeitig die Lösung.

Quelle: ntv.de

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