"Echte Zuneigung" Olaf Scholz sieht sich schon im Kanzleramt
01.10.2021, 12:37 Uhr
Olaf Scholz blickt nach vorne: Er nimmt vollen Kurs auf die Kanzlerschaft.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Olaf Scholz ist sicher, dass die Ampel-Verhandlungen zum Erfolg führen. In einem aktuellen "Spiegel"-Interview zeigt sich der Kanzlerkandidat der SPD höchst selbstbewusst. Er verspricht Fortschritt und verrät, auf was es bei den Koalitionsverhandlungen ankommt.
Olaf Scholz: neunter deutscher Bundeskanzler, Nachfolger von Angela Merkel und erster Regierungschef eines Dreierbündnisses der bundesrepublikanischen Geschichte. Diese Beschreibung wird in Zukunft auf Olaf Scholz zutreffen - jedenfalls geht er selbst davon aus. In die Sondierungen mit Grünen und FDP geht der amtierende Vizekanzler sehr optimistisch. Im Interview mit dem "Spiegel" gibt er auf die Frage, ob er am Ende der anstehenden Ampel-Verhandlungen Kanzler sein werde, eine knappe Antwort: "Ja."
Der 63-Jährige versteht das Ergebnis der Bundestagswahl als eindeutige Botschaft. Die Wählerinnen und Wähler hätten die SPD zur stärksten Kraft gemacht und ihr damit einen Regierungsauftrag erteilt. Diese Botschaft gilt seiner Meinung nach auch für Grüne und FDP. "Die Bürgerinnen und Bürger wollen Fortschritt", sagte Scholz. "Die drei Parteien der Ampel verbindet die Idee des Fortschritts in der Gesellschaft."
Aufbruch statt "Weiter so"
Im Wahlkampf schien Scholz eher als eine Art Merkel 2.0 aufzutreten, er selbst inszenierte sich mit Merkel-Raute und wollte selbst auf Nachfrage nicht schlecht über die Bundeskanzlerin sprechen. Der Eindruck war: Scholz setzt auf "Weiter so" statt auf einen echten Aufbruch. Er selbst sieht das anders, das wird im Interview deutlich. "Erfolgreiche sozialdemokratische Parteien glauben nicht, dass das Leben früher mal besser war", versichert Scholz dem "Spiegel". Die Fortschrittsvorstellungen der SPD hätten mit Respekt und der industriellen Modernisierung zu tun, auch damit, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Aus seiner Sicht passen Grüne und FDP gut zu diesem politischen Ansatz: "In der Fortschrittserzählung der Grünen spielt natürlich der Klimawandel eine herausgehobene Rolle. Und der FDP geht es viel um die technologische Modernisierung und um Bürgerrechte. Ich bin optimistisch, dass eine Ampelkoalition gelingen kann."
Dies ist auch die einzige Option für Scholz, um seine Bestrebungen umzusetzen. Damit ein solches Bündnis möglich wird, gilt es, vor allem die FDP zu überzeugen. Denn die steht, wie Parteichef Christian Lindner häufig betont, der Union inhaltlich näher und könnte einem Jamaika-Bündnis nicht abgeneigt sein. Dass Scholz hier Brücken bauen muss, schwingt auch in seinen Interview-Antworten mit.
"Es ist nicht hilfreich, den Partner als 'Gurkentruppe' zu beschimpfen, wie es bei Schwarz-Gelb vorkam", beschreibt Scholz seine Vorgehensweise bei Verhandlungen. Ein Seitenhieb gegen die Union? 2010 entbrannte ein Streit innerhalb der damaligen schwarz-gelben Koalition. Alexander Dobrindt, seinerzeit CSU-Generalsekretär, beschimpfte die Liberalen als "Gurkentruppe". Worüber Scholz nicht spricht: Das war nur eine Reaktion. Die CSU war von der FDP zuvor "Wildsau" genannt worden.
Auch mit Blick auf die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von 2017 schlägt Scholz sich auf die Seite der Liberalen. "Es war falsch, dass die FDP die Verhandlungen verlassen hat, aber in einem Punkt hatte sie mit ihrer Kritik natürlich recht. Die Koalitionsverhandlungen erweckten den Eindruck, als gehe es ausschließlich um Union und Grüne." Scholz macht im Interview deutlich: Ein solches Verhalten hat die FDP bei Ampel-Verhandlungen nicht zu befürchten. "Die politische Führungsleistung besteht eben darin, dass die Parteien auf Augenhöhe miteinander reden." Für die Gespräche mit Grünen und FDP hat er schon ein Erfolgsrezept aus dem echten Leben parat: "Echte Zuneigung entsteht, wenn man sich ernsthaft aufeinander einlässt."
Quelle: ntv.de, law