Panzer-Nachschub ist teuer Pistorius hält Sondervermögen für unzureichend
27.01.2023, 17:56 Uhr
Pistorius kündigte einen engen Schulterschluss mit der Industrie an, um Produktionskapazitäten auszuweiten.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der neue Verteidigungsminister gibt sich kurz nach seinem Amtsantritt keinen Illusionen hin. Pistorius warnt davor, dass die Bundeswehr ihren Bedarf an Panzern kurzfristig nicht decken kann. Das im vergangenen Jahr bewilligte Sondervermögen sei zu niedrig, um die Truppe zu modernisieren.
Verteidigungsminister Boris Pistorius hält das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht mehr für ausreichend. "Die 100 Milliarden werden nicht reichen", sagte Pistorius der "Süddeutschen Zeitung". "Wir haben mit jedem neuen System auch neue Unterhaltungskosten. Mit jedem neuen Gerät entstehen also neue und höhere laufende Kosten."
Auch den regulären Etat von rund 50 Milliarden Euro im Jahr hält der neue Verteidigungsminister auf Dauer für zu wenig. "Ich gehe nicht davon aus, dass das reicht." Verteidigungsexperten haben gewarnt, dass die Sonderkreditlinie von 100 Milliarden Euro bei weitem nicht ausreichen werde, um die Bundeswehr wieder umfassend und modern auszustatten.
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, hatte vor kurzem von einem Finanzbedarf von 300 Milliarden Euro gesprochen. Pistorius räumte ein, dass die Bundeswehr auch durch die Waffen- und nun auch Panzerlieferungen an die Ukraine dringend und schnell Nachschub brauche. "Panzer stehen nicht irgendwo im Regal zum Mitnehmen. Die haben eine Lieferzeit, und das sind nicht drei Wochen. Und Munition wächst nicht auf Bäumen und will nur gepflückt werden", sagte Pistorius.
"Müssen schneller bei der Beschaffung werden"
Deutschland werde kurzfristig nicht in der Lage sein, den Bedarf zu decken. "Mittel- und langfristig müssen wir in Europa eine Rüstungsindustrie aufbauen, die das kann. Nicht jeder muss jedes Waffensystem entwickeln. Und wir sollten zu standardisierten Waffensystemen kommen in Europa."
Pistorius kündigte einen engen Schulterschluss mit der Industrie an, um Produktionskapazitäten auszuweiten und Lieferungen zu beschleunigen. Kommende Woche werde er sich mit der Rüstungsindustrie an den Tisch setzen. "Wir müssen schneller bei der Beschaffung werden", sagte der Minister.
Zudem lehnt Pistorius die Lieferung deutscher Kampfflugzeuge an die Ukraine ab. "Ich halte das für ausgeschlossen", sagte er. "Kampfflugzeuge sind viel komplexere Systeme als Kampfpanzer und haben eine ganz andere Reichweite und Feuerkraft. Da würden wir uns in Dimensionen vorwagen, vor denen ich aktuell sehr warnen würde."
Gepard-Munition wird knapp
Nach der Zusage von Deutschland und weiteren westlichen Ländern, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unter anderem Kampfflugzeuge erbeten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz schloss jedoch eine Lieferung von Kampfjets aus.
Pistorius mahnte zugleich, die ukrainische Luftabwehr weiter zu stärken. In dem Land sind unter anderem in Deutschland hergestellte Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard im Einsatz - bei ihnen gibt es allerdings Probleme mit dem Nachschub an Munition. Deutschland wollte in der Schweiz hergestellte Munition für den Panzer an die Ukraine weitergeben; das untersagte aber die Regierung in Bern. Als mögliche weitere Lieferländer für die Gepard-Munition gelten Brasilien und Katar.
Pistorius sagte dazu: "Wir sind mit mehreren Partnern in Gesprächen, um hier voranzukommen. Ich bin aber auch guter Hoffnung, dass wir in Deutschland eine eigene Produktionslinie kriegen."
Quelle: ntv.de, lve/rts