Politik

Trotz EU-Sanktionsverfahren Polen setzt Justizreformen in Kraft

Ein EU-Strafverfahren gegen Polen? - Scheint Präsident Andrzej Duda egal zu sein.

Ein EU-Strafverfahren gegen Polen? - Scheint Präsident Andrzej Duda egal zu sein.

(Foto: REUTERS)

Wegen angekündigter Justizreformen leitet die EU ein Strafverfahren gegen Polen ein. Doch Warschau lässt sich davon nicht beeindrucken. Nur wenige Stunden später unterzeichnet der Präsident die strittigen Gesetze.

Kurz nach der Beantragung eines Strafverfahrens gegen Polen durch die EU-Kommission sind in dem Land zwei weitere umstrittene Justizreformen in Kraft getreten. Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnete nach eigenen Angaben zwei Reformen, die das Oberste Gericht und den Nationalen Justizrat betreffen. Duda betonte, es seien sehr gute Gesetze, die der Demokratisierung des Landes dienen würden. Die polnische Opposition und die EU sehen in den Gesetzesänderungen eine Einschränkung des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung.

Polen muss sich deswegen als erstes Land einem Verfahren wegen Gefährdung von Grundwerten der Europäischen Union stellen. Die EU-Kommission sieht den Rechtsstaat in Gefahr und beantragte, dass sich der Rat der EU-Länder mit Sanktionen befasst. Schlimmstenfalls könnten Polen Stimmrechte entzogen werden.

Ungeachtet der Warnschüsse aus Brüssel unterzeichnete Duda die Justizreformen, die das Oberste Gericht und den Nationalen Justizrat (NCJ) betreffen. So werden die 15 Richter des NCJ nicht mehr wie bisher von anderen Richtern gewählt werden, sondern mit einer Dreifünftel-Mehrheit vom Unterhaus des Parlaments. Der NCJ soll eigentlich die Unabhängigkeit der Justiz schützen.

Bereits kurz nach der Ankündigung der EU, Polen verwarnen zu wollen, erklärte Warschau, nicht nachgeben zu wollen. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der Regierungspartei PiS erklärte auf Twitter: "Die Justizreform in Polen ist unerlässlich." Jedoch will er sich im Januar mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Gespräch über die Reformen treffen. Juncker lud Morawiecki für den 9. Januar nach Brüssel ein.

EU: Verfahren "schweren Herzens" eröffnet

Das polnische Außenministerium erklärte, die Entscheidung Brüssels habe politischen und nicht rechtlichen Charakter. Die Entscheidung belaste die gegenseitigen Beziehungen unnötigerweise und erschwere den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und Einigkeit.

Justizminister Zbigniew Ziobro spielte die Eskalation herunter und sagte: "Ich nehme die Entscheidung mit Gelassenheit zur Kenntnis." Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS sieht sich im Recht und argumentiert, Polens Justizapparat sei seit dem Ende des Kommunismus 1989 nicht reformiert worden und die Richter seien größtenteils korrupt.

Für die EU-Kommission sagte Vizepräsident Frans Timmermans, man eröffne das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge nur schweren Herzens. "Aber die Fakten lassen uns keine andere Wahl." Die polnischen Reformen seien eine ernste Gefahr für die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung in Polen. "Heute ist die Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung nicht mehr garantiert", sagte Timmermans.

Man habe immer wieder Empfehlungen gegeben und den Dialog gesucht. Dieser sei dieses Jahr nicht mehr zustande gekommen, sagte Timmermans. Doch habe Warschau immer noch die Möglichkeit zur Kurskorrektur und zum Gespräch. Man habe neue Empfehlungen zur Lösung der Krise gegeben. Sollte die Regierung dem binnen drei Monaten folgen, werde die Kommission erneut beraten, sagte Timmermans. Doch nach der Unterschrift Dudas sagten Polens Regierungskritiker bereits, dass sie dies als fatales Signal für die Dialogbereitschaft mit der Kommission sehen.  

Verfahren noch lang

Die Bundesregierung unterstützt die Brüsseler Linie: "Die Kommission hat es sich wirklich nicht leicht gemacht", sagte Sprecher Steffen Seibert. Der Entscheidung sei ein konstruktiver und intensiver Dialog vorausgegangen.

Das Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 7 ist nach Darstellung der EU-Kommission die "letzte Handhabe, um Krisensituationen zu lösen und die Einhaltung der Werte der EU sicherzustellen". Dabei obliegt es dem Rat der Mitgliedsländer, gegen Polen vorzugehen, um es zur Einhaltung der Normen zu bewegen.

Nach dem Antrag der Kommission könnten der Rat mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, dass die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der EU besteht. Vorher muss er allerdings die Zustimmung des Europaparlaments einholen, das erst im Januar wieder tagt.

Erst in einem weiteren Schritt könnten die Mitgliedsländer einstimmig feststellen, dass tatsächlich eine schwerwiegende Verletzung der Grundwerte vorliegt. Da Ungarn sein Veto angekündigt hat, gilt dies als unwahrscheinlich.

Quelle: ntv.de, kpi/dpa/AFP

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