Dudenhöffer zerreißt Dieselpaket "Politik biegt sich Gesetze zurecht"
04.10.2018, 15:43 Uhr
Das Diesel-Paket gilt für 14 Städte oder Regionen mit besonders schlechter Luft und alle Städte, in denen Fahrverbote gelten.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mit halbgaren Hardware-Nachrüstungen und Umtauschprämien will die Bundesregierung Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten verhindern. Doch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen vermutet, dass die Bundesregierung auch drei Jahre nach Bekanntwerden des Skandals auf Zeit spielt. Im Interview mit n-tv.de prangert er entschärfte Emissionsgesetze und fehlende Kontrollen an.
n-tv.de: Was war Ihr erster Eindruck, als Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Bundesumweltministerin Svenja Schulze das Dieselpaket vorgestellt haben?

Ferdinand Dudenhöffer leitet das Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ferdinand Dudenhöffer: Mein erster Eindruck war, dass es sehr unpräzise und vage war, dass Informationen gefehlt haben. Und da frage ich mich schon: Wenn man seit drei Jahren vom Dieselskandal weiß und bereits mehrere Dieselgipfel stattgefunden haben, warum geht man dann mit solch lückenhaften Informationen an die Öffentlichkeit und verkauft es als großes Paket?
Haben Sie ein konkretes Beispiel für fehlende oder vage Informationen?
Es ist unklar, wie die Nachrüstungen bei privaten Pkw überhaupt aussehen sollen. Ich habe den Eindruck, der Verkehrsminister will die überhaupt nicht. Ebenso belanglos waren die Informationen zu den Prämien. Der Bund hat offensichtlich noch gar nicht konkret mit den Autoherstellern gesprochen. Ich glaube, man hätte sich gewünscht, dass in dem Paket präzise drin steht, wie getauscht werden kann und was mit den alten Fahrzeugen gemacht wird, ob es bundesweit gilt oder nur in 14 Städten, warum weder die Autobauer wie etwa die Importeure oder BMW und andere keine Kosten übernehmen, warum der Bund bei den Transporterumrüstungen 80% aus Steuergeldern in den 14 Städten bezahlt und bei den Pendlern nicht und und und.
Sie gehen also nicht davon aus, dass viele Diesel-Besitzer die Angebote in Anspruch nehmen?
Umrüstungen wird es bei privaten Pkw kaum geben, das werden Einzelfälle bleiben. Wann sie überhaupt möglich sind, muss man mal sehen. Es ist ja gar nichts dazu gesagt worden, ob die Autobauer oder die Zulieferer schon daran arbeiten. Also fahren die Fahrzeuge so weiter wie bisher. Auch bei den Umtauschprämien haben wir im letzten Jahr gesehen, dass man mit 200.000 Verschrottungen nicht die Luft bundesweit verbessert. Und die Hardware-Nachrüstungen bei Bussen und kommunalen Fahrzeugen sind ein Programm, das sowieso schon läuft.
Mit BMW und Opel haben zwei Autohersteller auch schon angekündigt, dass sie Umrüstungen weiter ablehnen und keine Kosten übernehmen wollen.
Ja, das ist ein weiteres Element, das zeigt, wie dieses Programm, das angeblich ein großes Paket sein sollte, in einer Nacht- und Nebelsitzung zusammengenagelt worden ist. Ich gehe davon aus, dass die Autobauer eine Umtauschprämie anbieten werden und zwar flächendeckend und nicht nur in den 14 angekündigten Regionen. Dass das Paket ein Konjunkturprogramm für sie wird.
Wenn unklar ist, wie Umtausch oder Umrüstung aussehen und finanziert werden sollen - welche Strategie verfolgt denn der Bund Ihrer Meinung nach, um Fahrverbote zu verhindern?
Es gibt im Paket Anmerkungen, dass das Bundesimmissionsgesetz geändert wird (für Autos der Schadstoffklassen Euro 4 und 5 sollen die Stickoxid-Grenzwerte erhöht werden, d. Red.). Ich habe wirklich den Eindruck, dass sich die Bundesregierung mit juristischen Tricks die Gesetze so zurecht biegt, wie man sie braucht, um damit "die Luft zu verbessern". Und dass sie bei der Einfahrt in belastete Innenstädte nicht allzu streng kontrollieren wird. Die Luft wird also so gelassen, wie sie ist und die Fahrverbote werden dadurch ausgehebelt, dass man eher wegschaut.
Die 14 "besonders betroffenen Städte" laut Diesel-Konzept der Bundesregierung in alphabetischer Reihenfolge:
- Backnang
- Bochum
- Darmstadt
- Düren
- Düsseldorf
- Hamburg
- Heilbronn
- Kiel
- Köln
- Limburg an der Lahn
- Ludwigsburg
- München
- Reutlingen
- Stuttgart
(Quelle: "Konzept für saubere Luft")
Wie wird denn überprüft, ob in den Innenstädten mit Fahrverbotszonen nur saubere Autos unterwegs sind?
Die Plakettenlösung (Blaue Plakette oder Umweltplakette für saubere Autos, d. Red.) ist auf jeden Fall vom Tisch. Stattdessen will der Bund sicherstellen, dass die Verkehrsüberwachungsbehörden auf die Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zugreifen können, um Fahrzeug-individuell die Einhaltung von Verkehrsbeschränkungen zu überprüfen - das deutet in meinen Augen schon darauf hin, dass man dem Autofahrer nahe legt: "Augen zu und durch. Einfach reinfahren. Genau kontrolliert wird sowieso nicht." Und im Notfall kostet ein Verstoß 40 Euro. Ein Auto zu tauschen, kostet 10.000 oder 20.000 Euro und möglicherweise macht man Verluste. Also, der Verkehrsminister bietet den Autofahrern fast schon an, darüber nachzudenken, am Rande des Gesetzes unterwegs zu sein.
Handelt sich die Bundesregierung mit dieser Strategie nicht viel Ärger mit der EU-Kommission ein? Die will Deutschland schließlich durch eine Klage beim Europäischen Gerichtshof zwingen, die alten Stickstoff-Grenzwerte von 2010 einzuhalten.
Die Bundesregierung legt ja nur ein Programm vor. Damit zeigt sie, dass sie Maßnahmen plant. Dass die nicht wirken, wird man erst später sehen. Von daher glaube ich, versucht man, die Sache auszusitzen. Und bis die EU-Kommission klagt und ein Gericht entscheidet, dauert das meistens Jahre.
Hat die Bundesregierung bei dieser Strategie eventuell die neue Diesel-Technik im Hinterkopf, die Bosch im April angekündigt hat und sauber sein soll?
Nein, das hat nichts mit dem sogenannten Wunder-Diesel zu tun. Der Diesel ist viel zu teuer, der kommt nicht mehr auf die Beine. Und das, was Bosch da vorgestellt hat, ist im Prinzip das, was man schon seit Jahren hat - nur ein bisschen verändert und verfeinert. Dass wir den Diesel sauber machen können, das wissen wir. Jeder 40-Tonner hat ein sauberes Katalysator-System. Das jetzt noch ein bisschen zu variieren, wird den Diesel nicht retten und wird die Autoindustrie nicht nach vorne bringen. Die Zukunft sind neue Antriebe wie die Elektromobilität. Der Diesel ist Vergangenheit.
Was hätte die Politik denn Ihrer Meinung anbieten müssen, um das Problem nachhaltig zu lösen?
Man hätte sich vor drei Jahren mit den Autobauern zusammensetzen müssen und überlegen müssen, wie man Hardware-Nachrüstungen für beliebte Dieselmodelle durchführen kann. Man hätte Finanzierung und Garantie klären können. Denn die Hersteller haben von vornherein gesagt, dass sie das nicht finanzieren werden.
Haben Sie einen konkreten Vorschlag?
Wir haben vorgeschlagen, dass alle Dieselfahrer 2000 oder 3000 Euro vorab bekommen. Gleichzeitig sollte man die Dieselbesteuerung so anpassen, dass sie hundertprozentig identisch ist mit dem Benziner bei Kraftstoff und bei der Kfz-Steuer. Das gibt Mehreinnahmen, damit hätte man die Umrüstung finanzieren können. Und dann wäre jeder, der sich heute ein Auto kauft, nicht mehr künstlich auf einen Diesel getrimmt. Das sind nämlich Dinge, die gibt es nur in ein paar Staaten wie Deutschland. In anderen Ländern wie China, den USA, der Schweiz, England oder Japan gibt es solche Steuerverzerrungen nicht. Und es wäre richtig gewesen, diesen Anlass zu nutzen, um Chancengleichheit bei den Antrieben zu schaffen und nicht willkürlich irgendetwas zu subventionieren. Die Deutschen haben den Hybrid und zum Teil das Elektroauto verschlafen, weil man sie mit Dieselsteuer-Privilegien in eine Sackgasse geschickt hat.
Diese Gelegenheit hat die Politik verstreichen lassen. Was sollten Dieselbesitzer Ihrer Meinung nach tun, jetzt wo die Inhalte des Dieselpakts bekannt sind?
Da kommt es darauf an, wo sie wohnen. Umrüsten geht wahrscheinlich nicht. Aber wenn sie in einem Belastungsgebiet wohnen, sollten sie sich die Prämien auf jeden Fall anschauen. Viele werden aber sicherlich feststellen, dass die Prämien nicht ausreichen werden, um den Wertverlust ihres Autos auszugleichen. Deshalb gehe ich davon aus, dass viele einfach abwarten und gucken, wie streng die Fahrverbotszonen kontrolliert werden und notfalls einfach auf Verdacht reinfahren und 40 Euro Strafe zahlen. Und einige werden möglicherweise darauf setzen, dass andere umrüsten oder ihren Diesel austauschen und sich sagen: "Dann kann ich ja mit meinem alten Diesel weiterfahren. Denn das Bundesemissionsgesetz wird ja so geändert, dass ich damit keine Probleme haben werde."
Mit Ferdinand Dudenhöffer sprach Christian Herrmann. Anhören können Sie sich das Gespräch hier.
Quelle: ntv.de