"Stimme wird schmerzlich fehlen" Politiker würdigen Hans-Jochen Vogel
26.07.2020, 20:46 Uhr
Vogel habe sein "politisches Vermächtnis" im Bundestag (hier im Jahr 1984) zum Ausdruck gebracht, sagt Bundespräsident Steinmeier.
(Foto: picture alliance/dpa)
In seinen Jahren auf der politischen Bühne hinterlässt Hans-Jochen Vogel bei Politikern über die Parteigrenzen hinweg einen bleibenden Eindruck. Der Sozialdemokrat ist nun im Alter von 94 Jahren gestorben. Bundespolitiker trauern um einen Mann, der nicht nur seine Partei, sondern das ganze Land geprägt hat.
Die SPD hat ihren verstorbenen früheren Partei- und Fraktionschef Hans-Jochen Vogel als "großen Sozialdemokraten" gewürdigt. In einer Erklärung des Parteivorstands hieß es: "Er war der erste Vorsitzende der wiedervereinigten SPD. Er war ein großer Sozialdemokrat, ein Vorbild, ein Freund. Hans-Jochen Vogel kämpfte sein Leben lang für sozialdemokratische Werte, eine gerechte Welt und für ein einiges Europa. Er wird fehlen."
Der ehemalige Bundesjustizminister, der für die SPD auch als Kanzlerkandidat antrat, starb am Morgen im Alter von 94 Jahren in München. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: "Deutschland und die SPD haben Hans-Jochen Vogel viel zu verdanken." Er habe wie kaum ein anderer für Verständnis und Fürsorge, Demokratie und Menschlichkeit gestritten. Generalsekretär Lars Klingbeil schrieb: "Mit Hans-Jochen Vogel ist ein ganz großartiger Mensch von uns gegangen. Jemand, der dieses Land über Jahrzehnte geprägt hat und dem wir alle viel zu verdanken haben."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte der Witwe Liselotte Vogel. "Wir haben einen Mann verloren, der die deutsche Sozialdemokratie und die Politik unseres Landes maßgeblich geprägt hat", schrieb Steinmeier. "Ich bin sehr bewegt und traurig über diese Nachricht. Der Tod Hans-Jochen Vogels ist für mich auch persönlich ein großer Verlust."
"Er war ein lebhafter Demokrat, dessen Stimme schmerzlich fehlen wird", so Steinmeier. "Hans-Jochen Vogel hat für Toleranz, Respekt und das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft gearbeitet und gekämpft. Seine Disziplin und Geradlinigkeit, sein Pflichtbewusstsein und sein christliches Menschenbild haben ihm über alle Parteigrenzen hinweg größten Respekt eingebracht", schrieb Steinmeier weiter.
Söder: "Herausragende Persönlichkeit" geht verloren
In allen seinen Ämtern und Funktionen habe er sich engagiert für das friedliche Miteinander der europäischen Völker eingesetzt. Die eigene Erfahrung als Kriegsteilnehmer habe ihn zum leidenschaftlichen Verfechter eines "Nie wieder" gemacht. "Sein Eintreten für den Rechtsstaat, verbunden mit seinem tiefen moralischen Gefühl, was Recht und Unrecht ist, wird mir immer in Erinnerung bleiben", betonte Steinmeier. Er denke auch an Vogel im Deutschen Bundestag. "Er hat darin sein politisches Vermächtnis zum Ausdruck gebracht: Soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern und unser demokratisches Gemeinwesen zu stärken."
Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte Vogel als eine der "prägenden politischen Persönlichkeiten der Nachkriegszeit". "Sein Wirken war und ist Inspiration und Vorbild für viele Menschen in Deutschland", erklärte die Kanzlerin auf Twitter. Sie sei in Gedanken bei der Familie des Verstorbenen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder schrieb, Deutschland verliere eine "herausragende Persönlichkeit". "Über Parteigrenzen hinweg genoss er durch seine glaubwürdige Politik und authentische Art höchstes Ansehen." Bundesaußenminister Heiko Maas erinnerte in dem Kurznachrichtendienst an einen Ausspruch Vogels, es sei "keine Schande, wenn man sich überzeugen lässt und das auch zugibt". Vogel selbst habe bis zum Schluss viele überzeugt - "mit seinen klugen Ideen genauso wie mit seiner menschlichen Herzlichkeit".
Tweet von FDP-Politiker sorgt für Kritik
FDP-Politiker Marco Buschmann sprach auf Twitter der Familie sein Mitgefühl aus und ergänzte: "Hans-Jochen Vogel war ein authentischer Sozialdemokrat, war nie abgehoben und lehnte viele Privilegien seiner verschiedenen Ämter ab. Anders als anderen ex-SPD-Chefs wäre es ihm nie in den Sinn gekommen, seinen Ruhestand zu versilbern." Kritiker nahmen am letzten Satz Anstoß.
"Unanständig" schrieb beispielsweise der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert. Andere nannten die Bemerkung "unangebracht und unangemessen", "geschmacklos" oder "echt daneben" und empfahlen, den Tweet zu löschen. "Wenn ein großer Politiker geht, kondoliert man oder schweigt. Seitenhiebe und politische Polemik sind schlicht deplatziert", wurde dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion mit auf den Weg gegeben.
Buschmann versuchte, mit einer zweiten Nachricht die Wogen zu glätten: Vogel sei es immer wichtig gewesen, seiner Partei Bescheidenheit nicht nur zu predigen, sondern auch bis zum Schluss vorzuleben. "Das war mir wichtig. Wenn mein Tweet bei einigen den Eindruck eines anderen Schwerpunktes erweckt haben sollte, dann war das nicht meine Absicht."
Quelle: ntv.de, fzö/dpa/AFP