"Agenten"-Gesetz geplant Prorussische Außenpolitik treibt Georgier auf die Straße
08.03.2023, 00:21 Uhr Artikel anhören
Vor allem junge Georgierinnen und Georgier sind mit dem Kurs der Regierungspartei nicht einverstanden.
(Foto: dpa)
Georgien strebt eigentlich einen Beitritt zur EU und zur NATO an. Jetzt billigt das Parlament der Kaukasusrepublik ein Gesetzesvorhaben, das auf eine stärkere Orientierung nach Russland hindeutet. Tausende gehen in Tiflis auf die Straßen, sie fürchten, dass ihr Land in den Autoritarismus abgleitet.
In Georgien wachsen die Spannungen im Streit über die außenpolitische Ausrichtung des Landes. Das Parlament in Tiflis billigte in erster Lesung ein Gesetz für sogenannte ausländische Stellvertreter. Tausende Menschen versammelten sich vor dem Parlament in Tiflis, um gegen das Vorhaben zu demonstrieren. Sie fürchten, dass die Südkaukasusrepublik mit dem Vorhaben von der Europäischen Union abrücken und sich Russland annähern wird. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer gegen die Menge ein. Laut dem unabhängigen Fernsehsender Pireli TV waren die Proteste zuvor weitgehend friedlich verlaufen. Mindestens ein Teilnehmer habe aber einen Molotowcocktail auf Polizeibeamte geworfen.
Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili stellte sich hinter die Demonstranten in Tiflis. "Ihr repräsentiert heute das freie Georgien, das seine Zukunft in Europa sieht und das niemanden diese Zukunft rauben lassen wird", erklärte sie während eines Staatsbesuchs in New York. Die Präsidentin forderte, das Gesetzesvorhaben aufzugeben, und kündigte ihr Veto gegen den Text an. Sie kann aber vom Parlament überstimmt werden, wo die Regierungspartei Georgischer Traum, die den Gesetzesvorstoß unterstützt, eine absolute Mehrheit hat.
Kreml liefert die Vorlage
Das Vorhaben sieht vor, Organisationen, die mindestens 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, als ausländische Stellvertreter zu registrieren. Außerdem müssen sie sich der Aufsicht durch das Justizministerium unterstellen. Bei Zuwiderhandlungen werden drakonische Geldstrafen fällig. Die Vorlage erinnert an ein Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet worden war. Der Kreml hat dieses umfassend genutzt, um Medien und regierungskritische Organisationen oder andere Kritiker zu unterdrücken. Kritiker sehen die Gesetzespläne als Vorboten für ein Abgleiten Georgiens in den Autoritarismus. Auch befürchten sie, dass durch das Gesetz die Chancen auf einen Beitritt zur Europäischen Union und zur NATO sinken.
Die kleine frühere Sowjetrepublik Georgien strebt eigentlich einen Beitritt zu den beiden westlichen Bündnissen an. In jüngster Zeit nährten aber mehrere Maßnahmen der Regierung Befürchtungen, das Land könne sich Russland zuwenden. Die US-Botschaft in Georgien erklärte nach der Verabschiedung des Gesetzes über "ausländische Agenten" in erster Lesung, dies sei "ein düsterer Tag für die georgische Demokratie". Wenn die Regierung in Tiflis an dem Vorhaben festhalte, schade sie damit den Beziehungen "zu ihren strategischen Partnern".
Quelle: ntv.de, ino/AFP/rts