Politik

Minister kontert Unionsattacken Robert Habeck: "16 Jahre energiepolitisches Versagen"

Was unternimmt die Regierung dagegen, dass viele Unternehmen angesichts der Preissteigerungen in die Pleite rutschen? Wirtschaftsminister Habeck pariert in der Haushaltsdebatte Attacken der Opposition, die ihm Hilf- und Ahnungslosigkeit unterstellt. Er skizziert Pläne für umfassende Hilfen.

Gestern war kein guter Tag für Wirtschaftsminister Robert Habeck. Erst die missglückte Maischberger-Sendung, dann harte Attacken im Bundestag, dann der Brandbrief des AKW-Betreibers Preussen Elektra. Bei seinem heutigen Auftritt im Bundestag hatte sich Habeck daher offenkundig etwas vorgenommen: die harsche Kritik der Union an ihm beantwortete mit einem Gegenangriff. Der "Sound der Selbstkritiklosigkeit", der sich in der Generaldebatte am Vortag gezeigt habe, erfordere eine Antwort, sagte der Grünen-Politiker im Plenarsaal bei der Debatte über den Haushalt seines Ministeriums.

"Lieber Herr Merz", begann Habeck, meinte es aber gar nicht lieb. "16 Jahre lang hat die Union dieses Land regiert und viele Bundesländer. 16 Jahre energiepolitisches Versagen", wetterte Habeck und erklärte: "Wir räumen in wenigen Monaten auf, was Sie in 16 Jahren verbockt, verhindert und zerstört haben."

In der aktuellen Lage "sollten wir vielleicht auch überdenken, in welcher Rolle sich Opposition und Regierung manchmal befinden", mahnte Habeck die Union zur Zurückhaltung. Habeck hielt der Union "Oppositionsgeklingel und Möchtegern-Wirtschaftspolitik" vor.

Mit Blick auf das derzeitige Ausbleiben russischer Gaslieferungen sagte der Wirtschaftsminister: "Seit einer Woche sind wir unabhängig von russischem Gas" und "die Speicher füllen sich weiter". Die Kosten seien zwar hoch, aber nach dem Stopp der russischen Lieferungen sei der Preis "nicht explodiert". Zudem sei es erstmals gelungen, mit Frankreich Lieferungen von Gas nach Deutschland zu vereinbaren und dafür auch bereits einen Testbetrieb aufzunehmen.

Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP habe vom ersten Tag an einen klaren Kurs gehalten und den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz vorangetrieben und gleichzeitig die Krise bekämpft, sagte Habeck. Er betonte zugleich, die Regierung werde auch den Unternehmen helfen, die unter der Krise leiden. "Wir werden die deutschen Unternehmen und den deutschen Mittelstand schützen."

Dazu kündigte der Bundeswirtschaftsminister umfassende Hilfen für Unternehmen an und sprach von einem "breiten Rettungsschirm". Dieser solle für eine begrenzte Zeit erfolgen, bis Anstrengungen auf nationaler und europäischer Ebene zur Dämpfung der hohen Strom- und Gaspreise wirken würden.

"Seit einer Woche sind wir unabhängig von russischem Gas"

Habeck verwies auf das bereits existierende Energiekostendämpfungsprogramm für die Industrie. Dieses solle nun auch für kleinere und mittlere Unternehmen geöffnet werden. Allerdings werde es nicht auf die Dauer möglich sein, "gegen die hohen Preise anzusubventionieren", räumte der Minister ein. Daher werde die Regierung "das Strommarktdesign so verändern, dass günstige Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden".

Am Gasmarkt sei dies komplizierter, aber auch dort solle es entsprechende Anstrengungen zur Senkung der Preise geben. Bereits im Oktober wolle die Regierung einen Mechanismus auflegen, um den Gasverbrauch von Unternehmen gegen Entschädigungen zu senken. Ein Teil des Problems sei allerdings auch ein "Nachfrageschock", da viele Menschen wegen der hohen Preise weniger Geld ausgeben würden. "Wir werden Maßnahmen ergreifen, dass die Menschen in Deutschland genug Geld haben, um zu konsumieren", sagte Habeck daher weiter.

Der Unionsfraktionsvize Jens Spahn warf Habeck vor, bei der Frage des Weiterbetriebs der drei letzten deutschen Atomkraftwerke habe es "sechs Monate Debatte mit Verschleppen, Falschaussagen, Streit" gegeben. Angeblich sei ein längerer Betrieb nicht möglich gewesen, sagte Spahn an Habeck gewandt. "Jetzt machen Sie genau das", betonte er. "Nur Sie produzieren keinen Strom." Habeck will zwei der drei deutschen AKW vom Jahreswechsel bis Mitte April in Reserve halten und nur im Fall von absehbaren Engpässen zum Einsatz bringen. "In diesem Winter sind Höchstpreise bei Strom und Gas, in diesem Winter ist die Unsicherheit von Millionen Menschen im Land, ist jeder Strom- und Gasausfall, ist jede Insolvenz und jede Betriebsaufgabe dann auch Ihre Verantwortung." Spahn forderte die Ampel-Regierung auf, auf die umstrittene Gasumlage zu verzichten.

Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Andreas Jung forderte unterdessen den Bundeswirtschaftsminister dazu auf, die kompletten Ergebnisse des Stresstests zur Stromversorgung im Winter zu veröffentlichen. Der Stresstest war die Grundlage, auf der die Entscheidung zum endgültigen Aus für die verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland getroffen wurde. Bislang gebe es lediglich eine Zusammenfassung, so Jung. "Aber der Stresstest, die Berechnungen, die Fakten, die kennen wir nicht", sagte Jung gegenüber ntv. Die Union habe bereits am Mittwoch auf die Veröffentlichung gedrängt: Robert Habeck habe das zwar zugesagt, "aber bis zur Stunde ist immer noch nichts veröffentlicht worden". Jung fügte hinzu: "Die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf, das zu kennen und deshalb muss das jetzt vorgelegt werden."

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner, beklagte, die Regierung tue in der Krise zu wenig für Unternehmen. "Ich hab' manchmal den Eindruck, die Deindustrialisierung kommt den Grünen gerade recht, damit sie ihre CO2-Klimaziele erreichen." Der AfD-Fraktionsvize Leif-Erik Holm forderte den Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke zur Senkung der Energiekosten und warf Habeck in diesem Zusammenhang auch mangelnde Solidarität mit anderen Ländern vor. "Wir sind die Energieparasiten dieses Europas."

"Ja, wie bescheuert ist das denn?"

Für Empörung sorgten Äußerungen der Linken-Abgeordneten Sahra Wagenknecht, die die Ampel-Koalition "die dümmste Regierung in Europa" nannte. Sie sagte auf Russland gemünzt: "Das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen." Natürlich sei der Krieg gegen die Ukraine ein Verbrechen. "Aber die Vorstellung, die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht. Ja, wie bescheuert ist das denn?" Sie forderte Habeck zum Rücktritt auf.

Mehr zum Thema

Vertreter der FDP verlangten erneut, die deutschen Atomkraftwerke zum Jahreswechsel nicht abzuschalten. !Wir erzeugen zu viel Strom aus Gas", sagte der FDP-Abgeordnete Karsten Klein. Von der Union forderte er mehr Demut. Habecks CDU-Vorgänger Peter Altmaier habe eine "Schlafwagenpolitik" betrieben. Habeck müsse die Probleme nun aber auch angehen.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch stellte sich dagegen uneingeschränkt hinter Robert Habeck. Er erinnerte daran, dass auch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel Atomkraftwerke als "nicht sicher beherrschbar" eingestuft hatte. Unterstützung signalisierte Miersch auch für die Vorstöße des Wirtschaftsministers, um die hohen Preise bei Strom und Gas in den Griff zu bekommen. Der SPD-Abgeordnete Bernd Westphal sprach den Bürgerinnen und Bürgern unter Verweis auf die Entlastungspakete Mut zu und versicherte: "Angst muss in diesem Land keiner haben."

Quelle: ntv.de, tar/jog/AFP/rts/dpa

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen