
Mario Draghi - hier am vergangenen Donnerstag in Kiew - steht einer wackeligen Koalition vor, der von der rechten Lega bis zu den Sozialdemokraten sehr unterschiedliche Parteien angehören.
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Ministerpräsident Draghi versucht, Italien wieder auf dem internationalen Parkett zu etablieren. Die rabiate Konfrontation innerhalb der Fünf-Sterne-Bewegung könnte seinen Plan jedoch gefährlich durchkreuzen.
Betrachtet man die Außenpolitik von Deutschland, Frankreich und Italien seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, könnte man sagen, Berlin, Paris und Rom hätten sich die Aufgaben geteilt. Demnach würden sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mehr um diplomatische Lösungen kümmern, auch um den Dialog mit Ländern außerhalb der EU wie der Türkei; Premier Mario Draghi dagegen mehr um die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs. Es ist nur eine Vermutung, aber eine, die angesichts des internationalen Ansehens, das der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank genießt, nachvollziehbar wäre. In Italien jedenfalls hat diese These durchaus Anhänger.
So heißt es in den italienischen Medien, Draghi habe während der Zugfahrt mit Scholz und Macron nach Kiew besonders auf den Bundeskanzler eingeredet, um ihm die Zustimmung zu einer seiner wichtigsten Forderungen an die EU schmackhaft zu machen. Die Rede ist von einem "Price Cap", einer europaweiten Deckelung des Einkaufspreises für Gas, denn die aktuellen Preise würden nicht nur die Wirtschaft und die Konsumenten in Europa strangulieren, so Draghis Schlussfolgerung, sondern Putin auch enorme Einnahmen garantieren - Einnahmen, die dem Kremlchef wiederum erlauben, Gaslieferungen nach Europa zu kappen, wie zuletzt nach Deutschland und Italien.
Die Fünf-Sterne vermasseln Draghi die Pläne
Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 ist Draghi bemüht, Italien wieder als glaubwürdigen Partner auf das internationale Parkett zu bringen. Schon bei seiner ersten Rede im italienischen Senat hob er - an alle Parteien seiner breiten und buntgescheckten Koalition gerichtet - mahnend hervor, Italien bleibe "fest in der EU verankert" und verstehe sich außerdem als "Protagonist der atlantischen Allianz".
Doch eine der Regierungsparteien könnte ihm sein Bestreben vermasseln. Dieses Mal handelt es sich nicht um den rechtspopulistischen und im ständigen Wahlkampfmodus agierenden Lega-Chef Matteo Salvini. Diesmal ist es die Fünf-Sterne-Bewegung. Und zwar auf eine Art und Weise, die die Stabilität der Regierung und somit die Glaubwürdigkeit des Landes in Frage stellt.
Di Maio in seiner Partei unter Druck
In der Fünf-Sterne-Bewegung ist ein Machtkampf zwischen Ex-Premier Giuseppe Conte - der mittlerweile Chef der Partei ist - und dem früheren Fünf-Sterne-Vorsitzenden und heutigem Außenminister Luigi Di Maio ausgebrochen. Conte, dessen politische Führung bis heute eher wankelmütig erscheint, hat beschlossen, sich in der Außenpolitik Beinfreiheit zu verschaffen. Seit Wochen trommelt er gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Von Draghi forderte er, dass dieser heute im Senat über weitere Waffenlieferungen abstimmen lässt, obwohl diese im März per Dekret und bis Ende 2022 von beiden Parlamentskammern bereits bewilligt wurden.
Dagegen ist Di Maio seit dem russischen Überfall auf die Ukraine zum immer deutlicheren Verfechter des NATO- und EU-Kurses geworden. Vor einigen Tagen nannte er Contes Position "anti-atlantisch". Am Sonntagabend kam es deswegen zu einem in aller Eile einberufenen Treffen des Nationalen Rat der Bewegung. Nach stundenlangem Debattieren beschloss dieser, Di Maio zumindest vorerst nicht aus der Bewegung zu werfen.
Die stärkste Fraktion käme aktuell auf 11 Prozent
Man könnte das alles für interne Scharmützel halten, ginge es nicht um den Krieg und dessen gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen sowie um Italiens politische Stabilität. Um letztere scheinen sich auch die Finanzmärkte zu sorgen, wie die in letzter Zeit gestiegene Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen zeigt.
Laut Umfragen liegt die Fünf-Sterne-Bewegung nur noch bei etwas über 11 Prozent. Dennoch wird sie nicht müde hervorzuheben, dass sie die stärkste Fraktion im Parlament ist. Tatsächlich erhielt sie bei den Wahlen im März 2018 gut 32 Prozent. Und deswegen können die internen Streitigkeiten nicht nur als Scharmützel abgekanzelt werden. Denn eine Spaltung der Bewegung dürfte das Ende von Draghis Regierungskoalition einläuten.
Quelle: ntv.de