Politik

Der Kriegstag im Überblick Russland verstärkt Bodenangriffe im Donbass - Merz in Kiew unterwegs

Russische Streitkräfte haben das eingekesselte Stahlwerk Asowstal in Mariupol erneut unter Beschuss genommen.

Russische Streitkräfte haben das eingekesselte Stahlwerk Asowstal in Mariupol erneut unter Beschuss genommen.

(Foto: IMAGO/SNA)

Im Süden und Osten der Ukraine wird weiter heftig gekämpft. Kernziel bleiben die Küstenstädte Odessa und Mariupol. In letzterer attackiert Russland erneut das Stahlwerk Asowstal. Derweil versucht Frankreichs Präsident Macron direkt auf Putin einzuwirken. CDU-Chef Merz dagegen macht sich ein Bild von der Lage vor Ort. Der 69. Kriegstag im Überblick.

Erneuter Angriff auf Asowstal

Das Stahlwerk Asowstal gilt als letzte Bastion Mariupols. Fällt die Einrichtung, ist die Stadt eingenommen. Nach russischen Angaben hätten sich ukrainische Kämpfer eine Feuerpause zunutze gemacht und dort wieder in Stellung gebracht. Russland habe daher mit dem Beschuss dieser Stellungen begonnen, berichtete die Agentur RIA unter Verweis auf das Verteidigungsministerium. "Es wurde ein Waffenstillstand erklärt, Zivilisten wurden aus dem Gebiet von Asowstal evakuiert", hieß es. Dort stationierte Soldaten hätten das ausgenutzt. "Jetzt beginnen Einheiten der russischen Armee und der 'Volksrepublik Donezk' mit Artillerie und Luftunterstützung, diese Feuerstellungen zu zerstören."

Aus dem belagerten Stahlwerk sind nach Angaben der Vereinten Nationen bislang etwa 101 Menschen evakuiert worden. Die meisten von ihnen seien nun in Saporischschja, wo sie humanitäre Hilfe erhielten.

Russen zerstören Waffen in Odessa

Die Hafenstadt Odessa ist ebenfalls ein strategisches Kernziel der russischen Offensive. Ukrainischen Angaben zufolge versuche Russland, weiter von Norden her auf das Donbass-Gebiet in der Ostukraine vorzustoßen, um die dort stationierten Truppen Kiews einzukesseln. Einzelne Einheiten aus Panzer- und Infanterietruppen sowie Fallschirmjäger führten entlang der Linie Isjum - Barwenkowe Angriffe durch, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Dienstag mit. "Zur Unterstützung ihrer Aktivitäten haben die Okkupanten aus dem Gebiet Belgorod Batterien der schweren Tjulpan-Mörser mit 240 Millimeter Kaliber und Raketenwerfer vom Typ Smertsch in den Raum Isjum verlegt", heißt es. Zudem habe das russische Militär Angriffe in Richtung Liman, Sjewjerodonezk, Popasna, Awdijiwka und Kurachowe konzentriert, um seine Offensive Richtung Liman Siwersk und Slowjansk voranzutreiben.

Russland hat nach eigenen Angaben ein Logistikzentrum für aus dem Westen gelieferte Waffen auf einem Militärflugplatz in der Nähe der ukrainischen Hafenstadt Odessa mit Raketen beschossen. Hangars mit unbemannten Bayraktar TB2-Drohnen sowie Raketenwaffen und Munition aus den USA und europäischen Ländern seien zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Am Montagabend hatten die Behörden von Odessa mitgeteilt, dass es bei einem russischen Raketenangriff auf die Stadt am Schwarzen Meer Tote und Verletzte gegeben habe.

Mindestens zehn Tote bei Angriff auf Kokerei

Vor allem in der Ostukraine kommt es immer wieder zu heftigen Gefechten. Bei einem Angriff russischer Streitkräfte auf eine Kokerei in der Stadt Awdijiwka in der Donezk-Region in der Ostukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Zudem seien 15 Personen verletzt worden, sagte Gouverneur Pawlo Kyrylenko. "Die Russen wussten genau, worauf sie zielten. Die Arbeiter hatten gerade ihre Schicht beendet und an einer Bushaltestelle gewartet, um vom Werk nach Hause zu fahren", ergänzt Kyrylenko.

Briten: Russlands Armee deutlich geschwächt

Mehr zum Thema

Trotz großer Militärbudget-Offensiven in den vergangenen beiden Jahrzehnten hat Russland bei der Anwendung seiner quantitativen militärischen Stärke in der Ukraine versagt. So lautet eine Einschätzung von britischen Geheimdiensten. Grund seien Fehler in der strategischen Planung und operativen Umsetzung. Das Militär sei nun deutlich schwächer, sowohl von der Ausrüstung her als auch konzeptionell - zudem könne es sich angesichts von Sanktionen nur schwer erholen. Dies werde einen langfristigen Effekt auf Moskaus Kampfstärke in Bezug auf konventionelle Waffen sowie Truppen haben.

Mehr Waffen aus UK und auch Deutschland

Von britischer Seite wurden zudem neue Waffen für die Ukraine versprochen. Der britische Premier Boris Johnson richtete sich an das ukrainische Parlament: "Ich habe heute eine Nachricht für Sie: Die Ukraine wird gewinnen. Die Ukraine wird frei sein", sagte Johnson laut Mitteilung seines Büros in der Videoansprache. Die Ukraine habe durch ihren Kampf den Mythos der Unbesiegbarkeit des russischen Präsidenten Wladimir Putin zerstört. Putins Kriegsmaschinerie sei an der Liebe der Ukrainer zu ihrem Vaterland gescheitert. Großbritannien werde weiterhin Waffen liefern, sagte Johnson. In den kommenden Wochen werde die Ukraine Anti-Schiffsraketen vom Typ Brimstone und Flugabwehrsysteme vom Typ Stormer erhalten. Hinzu kämen 13 gepanzerte Fahrzeuge für die Evakuierung von Zivilisten sowie weitere Militärhilfe im Wert von 300 Millionen Pfund (357 Millionen Euro). Dazu gehörten etwa Schwerlastdrohnen zur Versorgung der Streitkräfte und Tausende Nachtsichtgeräte.

Auch die Bundesregierung hat einem Bericht der "Welt" zufolge entschieden, Panzerhaubitzen 2000 aus Beständen der Bundeswehr an die Ukraine liefern zu wollen. Es soll demnach um sieben Systeme des gepanzerten Artilleriegeschützes gehen. "Die politische Entscheidung des Kanzleramtes und des Verteidigungsministeriums erfolgte nach Welt-Informationen gegen den Ratschlag führender Militärs der Bundeswehr", schreibt die Zeitung. Diese hatten demnach darauf verwiesen, dass derzeit nur rund 40 der 119 Panzerhaubitzen 2000 im Bestand der Bundeswehr einsatzbereit und für den eigenen Bedarf unverzichtbar seien. Die Ausbildung der ukrainischen Armee an dem Waffensystem soll dem Bericht zufolge in Deutschland erfolgen.

Macron telefoniert mit Putin

Auf diplomatischer Ebene versuchte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erstmals seit seiner Wiederwahl, auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin einzuwirken. Macron rief Putin im Telefongespräch nach Angaben des Elysée-Palasts dazu auf, die Fortsetzung der Evakuierung von Zivilisten aus dem Asow-Stahlwerk in Mariupol zu ermöglichen. Diese müsse in Abstimmung mit den Hilfsorganisationen erfolgen. Den Geretteten müsse dabei "gemäß internationalem humanitärem Recht" die Wahl gelassen werden, wohin sie gebracht werden, betonte der französische Staatschef.

Zudem habe Macron seine Forderung nach einem Ende des russischen Angriffs auf die Ukraine und zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen erneuert. Gleichzeitig habe er seine Hilfe angeboten, um in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen ein Ende der russischen Seeblockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen zu erreichen, um die globale Nahrungssicherheit nicht zu gefährden.

Merz in Kiew mit Selenskyj und Klitschko

Derweil machte sich der deutsche Oppositionsführer ein Bild von der Lage vor Ort. Bei seiner Reise nach Kiew traf Friedrich Merz sowohl den Bürgermeister der Stadt, Vitali Klitschko, als auch der ukrainischen Präsidenten. Das Gespräch mit Selenskyj habe etwas mehr als eine Stunde gedauert und sei in "außergewöhnlich" guter Atmosphäre verlaufen, teilte ein Sprecher des CDU-Vorsitzenden anschließend mit. Zwischen Kiew und Berlin war es zuletzt zu Verstimmungen gekommen, weil die ukrainische Führung den Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier abgelehnt hatte.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Klitschko-Brüdern äußerte sich Merz nicht weiter zu den Inhalten des Gesprächs mit Selenskyj. Er wolle zunächst Bundeskanzler Olaf Scholz darüber informieren. Zur Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk an Scholz sagte Merz: "Ich finde, wir sollten jetzt mal rhetorisch versuchen, auf ein Niveau zu kommen, wo wir uns die gegenseitige Hilfe nicht unnötig schwer machen." Melnyk hatte Scholz nach dessen vorläufigem Nein zu einer Kiew-Reise als "beleidigte Leberwurst" bezeichnet.

Weitere Artikel zum Ukraine-Krieg

Alle weiteren Entwicklungen können Sie in unserem Liveticker zum Ukraine-Krieg nachlesen.

Quelle: ntv.de, mba/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen