Wirtschaft, Linke, CDU einig Selbst Jusos zerpflücken SPD-Steuerkonzept
20.06.2017, 07:34 Uhr
Martin Schulz stellte am Montag das Steuerkonzept vor.
(Foto: imago/Müller-Stauffenberg)
Unternehmer fürchten Belastungen, die Union spricht von "Augenwischerei". Und die eigene Parteijugend rebelliert, weil die Vermögenssteuer fehlt: Das Steuerkonzept der SPD macht es niemandem recht. Immerhin eine Institution hat auch Lob übrig.
Mit ihrem Steuerkonzept für die Bundestagswahl erntet die SPD bei der Wirtschaft und den anderen Parteien vor allem Kritik. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befürchtet eine Belastung vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen und deshalb negative Auswirkungen auf Arbeits- und Ausbildungsplätze. CDU und CSU sprachen von Steuererhöhungen für die arbeitende Mitte.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte das Konzept am Montag vorgestellt und jährliche Steuerentlastungen von mindestens 15 Milliarden Euro vor allem für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen versprochen. Zusätzlich sollen Geringverdiener noch von niedrigeren Sozialabgaben profitieren - bezahlt aus Haushaltsmitteln. Im Gegenzug sollen Top-Verdiener stärker besteuert werden. Die Union will ihr Wahlprogramm erst im Juli präsentieren.
Kritik von DIHK, Lob von DIW
DIHK-Präsident Eric Schweitzer weist in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" darauf hin, dass die meisten mittelständischen Unternehmen Personengesellschaften seien, die Einkommensteuer zahlen. Diesen Betrieben werde die SPD mit ihrem Steuerkonzept wichtiges Kapital entziehen. "Das hemmt Innovationen und Investitionen." Nach Ansicht der Chefin der CSU-Bundestagsabgeordneten, Gerda Hasselfeldt, "verlangen die Sozialdemokraten wieder Steuererhöhungen für die Leistungsträger der Mitte und setzen damit auf Neid". Der "Passauer Neuen Presse" sagte sie: "Mit Steuererhöhungen beschädigen wir auch den für Deutschland so wichtigen Mittelstand."
Lob gibt es indes vom Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er sieht im SPD-Steuerkonzept einen gelungen Wurf zur Entlastung von Klein- und Mittelverdienern. "Das Konzept der SPD ergibt Sinn. Es belastet die oberen zehn Prozent der Gesellschaft mehr, es entlastet aber 80 Prozent in der Mitte", sagte Fratzscher dem Bayerischen Rundfunk. Das SPD-Konzept sei keine Revolution und auch keine "Umverteilung von Oben nach Unten", sondern eine sinnvolle Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. Sollte es umgesetzt werden, würde es einen kleinen, aber messbaren Impuls auf die Konjunktur haben.
Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jens Spahn, nannte Schulz' Vorschlag, den Solidaritätszuschlag zunächst für Klein- und Mittelverdiener abzubauen, Augenwischerei. "Die unteren Einkommen zahlen nämlich heute schon gar keinen Solidaritätszuschlag, das heißt, die Entlastung läuft ins Leere", sagte der CDU-Politiker der "Passauer Neuen Presse". Den Soli für die Mittelschicht weiterlaufen zu lassen, träfe jene überproportional, die eigentlich entlastet werden sollten. "Der Solidaritätszuschlag muss abgebaut werden. Aber dann bitte für alle und konsequent."
Linke vermisst Vermögenssteuer
Dass die SPD die Wiedereinführung der Vermögensteuer umgeht, stößt hingegen beim linken Parteiflügel auf Widerstand. "Für uns ist die Vermögensteuer nicht vom Tisch, und das sehen nicht nur die Jusos so", sagte die Chefin des SPD-Nachwuchses, Johanna Ueckermann, im ZDF.
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht nannte Schulz' Konzept ein Armutszeugnis. "Wie Schulz mit diesem devoten Steuerkonzept all seine schönen Versprechen von besserer Bildung und gebührenfreier Kita finanzieren will, weiß wahrscheinlich noch nicht einmal er selbst", sagte sie der "Welt". Ihr Kollege Dietmar Bartsch nannte das Steuerkonzept der SPD-Konkurrenz "mutlos". "Es fehlt der Mut, eine Vermögensteuer einzuführen, es fehlt der Mut konkret zu sagen, was will die SPD bei der Erbschaftssteuer", sagte der Linken-Fraktionschef im ZDF. "Wenn man entlasten will, muss man auch sagen, wo man etwas abholen will, und da reicht die sanfte Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht aus", sagte Bartsch.
Das SPD-Konzept sieht vor, für untere und mittlere Einkommen den Solidaritätszuschlag wegfallen zu lassen. Die Freigrenzen, von denen an er fällig wird, sollen angehoben werden. Der heutige Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst später greifen: für Ledige ab einem Jahreseinkommen von 60.000 statt heute 54.000 Euro. Der Spitzensatz soll zugleich aber auf 45 Prozent steigen, die bei einem Single ab einem Einkommen von 76.200 Euro erreicht wären. Damit stiege auch die bereits heute erhobene sogenannte Reichensteuer von zusätzlich drei Prozentpunkten auf den Spitzensatz; sie wäre ab 250.000 Euro Jahreseinkommen zu zahlen.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP/rts