Politik

Menschenrechte regelmäßig verletzt Sind Algerien, Marokko und Tunesien sicher?

Im November 2015 wurden erstmals Tunesier im Rahmen des vereinfachten Abschiebeverfahrens zurück in ihr Heimatland gebracht.

Im November 2015 wurden erstmals Tunesier im Rahmen des vereinfachten Abschiebeverfahrens zurück in ihr Heimatland gebracht.

(Foto: dpa)

Der Bundestag entscheidet heute darüber, ob drei Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftsstaaten werden. Die Grünen wollen dagegen stimmen, Innenminister de Maizière verteidigt die Pläne. Doch wie ist die Lage in den Ländern tatsächlich?

Die Grünen wollen die Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten nach Angaben ihres Außenexperten Jürgen Trittin im Bundestag geschlossen ablehnen. "Um die Menschenrechte ist es in den Maghreb-Staaten schlecht bestellt. Das sind keine sicheren Herkunftsländer. Punkt", sagt Trittin. Auch die Spitzen der großen Sozialverbände befürchten, dass das individuelle Asylverfahren durch die geplante Neuregelung ausgehebelt wird.

Der Bundestag stimmt am Vormittag über das Vorhaben der Bundesregierung ab. Ziel ist es, die Asylverfahren von Nordafrikanern zu verkürzen, um sie schneller in ihre Heimat zurückschicken zu können. Wer aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat kommt, hat in Deutschland in der Regel kein Recht auf Asyl. Bundesinnenminister Thomas de Maizière verteidigte die Neuregelung. "Die Menschen aus den Maghreb-Staaten kommen zum ganz überwiegenden Teil aus asylfremden Gründen nach Deutschland", sagte er. Bei ihnen müsse der Aufenthalt rasch beendet werden. De Maizière verwies darauf, dass im ersten Quartal dieses Jahres nur 0,7 Prozent der Antragsteller aus den Maghreb-Staaten einen Schutzstatus erhalten hätten.

"Rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl"

Auch die Sozialverbände sehen die Pläne der Bundesregierung kritisch. "Es rührt am Kern des Grundrechts auf Asyl - dem Recht auf individuelle Prüfung -, diese drei Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen und über die Asylanträge Schutzsuchender von dort künftig in einem Schnellverfahren zu entscheiden", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. In den drei nordafrikanischen Ländern würden die Menschenrechte von politisch Andersdenkenden, Homosexuellen, Frauen und Behinderten regelmäßig verletzt.

Hier ein Überblick über die Lage in den drei Ländern:

Präsident Bouteflika herrscht seit 17 Jahren in Marokko.

Präsident Bouteflika herrscht seit 17 Jahren in Marokko.

(Foto: picture alliance / dpa)

Algerien: In dem seit 17 Jahren von Präsident Abdelaziz Bouteflika regierten Land sind nach Angaben von Menschenrechtlern die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Friedliche Demonstranten, Aktivisten und Journalisten wurden laut dem Jahresbericht von Amnesty International (AI) inhaftiert und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Erst seit Kurzem sind Gewalt in der Ehe und sexuelle Belästigung von Frauen in der Öffentlichkeit strafbar. Doch können laut Amnesty Männer, die eine Minderjährige vergewaltigt haben, nach wie vor straffrei bleiben, wenn sie diese heiraten. Ein Paket von Verfassungsänderungen beschränkt die Zahl der Präsidentschaftsmandate auf zwei und erkennt die Presse- und Versammlungsfreiheit ebenso wie die Sprache der Berberminderheit an. Kritiker sprechen allerdings von kosmetischen Reformen, mit denen der große Einfluss der Eliten in Armee und Politik kaum beschnitten werde.

Thomas de Maizière im Februar mit seinem marokkanischen Amtskollegen Mohamed Assad - sie verhandelten über die vereinfachte Abschiebung von Marokkanern.

Thomas de Maizière im Februar mit seinem marokkanischen Amtskollegen Mohamed Assad - sie verhandelten über die vereinfachte Abschiebung von Marokkanern.

(Foto: dpa)

Marokko: Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheiten sind auch hier eingeschränkt. Regierungskritiker und Menschenrechtler wurden festgenommen und unter anderem wegen "Gefährdung der inneren Sicherheit" strafrechtlich verfolgt. Unterstützer sprechen von einer "systematischen Medienkampagne" des Staates gegen Aktivisten. Die Bewegung des 20. Februar, benannt nach dem ersten Tag der Massenproteste für mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit 2011, klagt über "Repressionen". Gefangene und Untersuchungshäftlinge wurden nach eigenen Angaben gefoltert oder misshandelt. Auch friedliche Proteste wurden in dem Königreich laut AI teils gewaltsam aufgelöst. Journalisten kamen unter anderem wegen des Vorwurfs der "falschen Berichterstattung" ins Gefängnis. Frauen sind laut Amnesty nur unzureichend vor sexueller Gewalt geschützt. Homosexuelle können zu bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden.

Wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt kam es Anfang des Jahres zu Protesten in Tunesien.

Wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt kam es Anfang des Jahres zu Protesten in Tunesien.

(Foto: dpa)

Tunesien: Das Ursprungsland des Arabischen Frühlings gilt in mancher Hinsicht als Vorbild in der Region für eine Entwicklung hin zu mehr Demokratie - das sogenannte Dialog-Quartett erhielt im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis. Die in der Verfassung von 2014 garantierten "fundamentalen Freiheiten", die Gleichheit vor dem Gesetz oder der Kampf gegen die Korruption wurden politischen Aktivisten zufolge jedoch bis heute nicht umgesetzt. Vor allem die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sind eingeschränkt. Medien unterliegen laut AI der Zensur. Mehrere Demonstrationen wurden 2015 dem Jahresbericht zufolge mit "exzessiver Gewalt" aufgelöst.

Das neue Antiterrorgesetz wird von Menschenrechtlern kritisiert, weil es das Risiko von Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte erhöhe. Festgenommene Verdächtige berichteten von Foltermethoden wie "Waterboarding". Als Fortschritt betrachtet dagegen Human Rights Watch eine Justizreform, die unter anderem Verdächtigen in Gewahrsam das Recht auf einen Anwalt zugesteht. Frauen werden laut Amnesty nur unzureichend gegen sexuelle Gewalt geschützt. Wie in Algerien können Männer, die Minderjährige vergewaltigen, einer Strafe entgehen, wenn sie ihr Opfer heiraten. Homosexuelle, aber auch Bisexuelle und Transgender werden diskriminiert. Gleichgeschlechtliche Beziehungen können mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen