Mittelstandsfeindliches Signal Söder wettert gegen Mehrwertsteuererhöhung
17.11.2023, 14:16 Uhr Artikel anhören
Äußert gerne seinen Unmut gegenüber der Ampel-Politik: Markus Söder
(Foto: picture alliance/dpa)
Der bayerische Ministerpräsident Söder und Gastroverbände beklagen die Ampel-Pläne, die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent zu erhöhen. Allein in Bayern stünden deswegen 2400 Betriebe vor dem Aus, sagen sie. Doch Ökonomen begrüßen den Schritt und ermahnen die Branche.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab 1. Januar ist aus der Sicht von CSU-Chef Markus Söder ein falsches und fatales Signal. "Sie führt zu höheren Lebensmittelpreisen, ist mittelstandsfeindlich und heizt die Inflation nur zusätzlich an. Unsere Wirtschaft und Bevölkerung müssen in diesen Krisenzeiten entlastet werden - und nicht belastet", sagte der bayerische Ministerpräsident in München.
Söder reagierte mit seiner Kritik auf Berichte, nach denen die Regierungskoalition im Bund, die derzeit noch auf 7 Prozent reduzierte Mehrwertsteuer auf Speisen zu Jahresbeginn wieder anheben will. Darauf soll sich die Ampel am Donnerstagabend verständigt haben.
"Anstatt die Preise beim Essen zu erhöhen, braucht es eine Senkung der Steuer auf Grundnahrungsmittel auf null Prozent", betonte Söder. Wenn ausgerechnet die FDP dieser Steuererhöhung zustimmen würde, "wäre dies ein beispielloser Wortbruch, der zum Verlust von Arbeitsplätzen führt und berufliche Existenzen vernichtet. Mittelstand und Gastronomie brauchen unsere Unterstützung und keine Benachteiligung."
Ökonomen begrüßen Rückkehr
Ökonomen begrüßen die Rückkehr der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Speisen in Restaurants und Cafés dagegen. "Der Ampel gebührt Lob, dass sie jetzt endlich stärker priorisiert", sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Die Argumente der Gastronomiebranche für eine Entfristung der Steuersubvention seien immer schwach und widersprüchlich gewesen. "Diese sehr teure Vergünstigung ist sozial problematisch, weil sie besonders den Wohlhabenden zugutekommt."
Zudem sei ihre eigentliche Begründung mit der Pandemie weggefallen. "Und sie fußte auf dem Missverständnis, dass man Strukturwandel einer Branche durch Dauersubventionen begleiten sollte", sagte Heinemann weiter. "Dennoch war die Kampagne der Lobbys aus Gastronomie und Großhandel laut und aggressiv." Das Bundesverfassungsgericht und die erstarkte Schuldenbremse wirkten jetzt wie ein wirksamer Damm gegen diese Kampagne.
Keine Bevorteilung der Gastronomie
Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer. "Es ist einfach nicht gut zu vermitteln, dass eine bestimmte Branche dauerhaft so stark unterstützt wird, indem man die Mehrwertsteuer absenkt", sagte die Wirtschaftsweise im Deutschlandfunk. Man müsse sich fragen, welche Branchen in der neuen Situation dauerhaft Schwierigkeiten hätten und nur mit Subventionen überleben könnten. "Da muss es dann schon einen Strukturwandel geben", sagte die Ökonomin. "Das wird auch für die Gastronomie gelten."
Das Finanzministerium hatte im September das Volumen der Umsatzsteuerreduzierung auf 3,4 Milliarden Euro beziffert. Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie war in der Corona-Pandemie von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden, um die Branche zu stützen. Wegen der Energiekrise wurde die Regelung bis Ende 2023 verlängert.
Gastroverbände gegen Erhöhung
Die Branche selbst hatte bis zuletzt vehement dafür geworben, die Steuersenkung nicht auslaufen zu lassen. "Die Politik hat einmal mehr sämtliche Warnungen von Branchenverbänden in den Wind geschlagen. Sie geht stattdessen einen Sonderweg im Vergleich zu anderen europäischen Staaten auf Kosten der Betriebe und der Bürger, um das Steueraufkommen zu erhöhen", sagte Achim von Michel vom Verband Der Mittelstand (BVMW) in Bayern. Durch die Anhebung der Mehrwertsteuer stünden allein in Bayern 2400 Betriebe vor dem Aus. "Die jüngste Entscheidung vernichtet erneut Zehntausende Arbeitsplätze in Bayern und in ganz Deutschland."
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hatte sich für ein Festhalten am niedrigeren Mehrwertsteuersatz ausgesprochen. "Im Falle einer Steuererhöhung auf 19 Prozent droht 12.000 Betrieben das Aus", mahnte Dehoga-Präsident Guido Zöllick. "Wir wollen, dass Gastronomie bezahlbar bleibt sowie die kulinarische Vielfalt und Esskultur in unserem Land erhalten werden."
Quelle: ntv.de, gri/dpa/rts