Kritiker sehen Wahlkampfmanöver Sunak senkt Steuern und Wachstumsprognose
22.11.2023, 16:46 Uhr Artikel anhören
Beobachter sehen die jüngsten Schritte der Regierung als Versuche, in Umfragen aufzuholen.
(Foto: REUTERS)
In Großbritannien liegen die Tories in Umfragen deutlich hinter Labour. Eine Aufholjagd bis zur wahrscheinlichen Wahl im kommenden Jahr sehen Experten als unrealistisch. Mit Steuersenkungen und höheren Sozialleistungen will die Regierung nun die Wirtschaft beleben. Ein durchschaubares Manöver, urteilen Beobachter.
Der britische Finanzminister Jeremy Hunt hat Steuerkürzungen für Millionen Menschen angekündigt. So soll der Beitragssatz zur Sozialversicherung deutlich sinken, wie der Schatzkanzler im Parlament in London sagte. Weitere Erleichterungen gibt es für Selbstständige. Renten sollen deutlich steigen. Zugleich teilte er mit, dass die Wirtschaft in den kommenden Jahren deutlich langsamer wachsen werde als bislang angenommen. 2024 werde das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,7 Prozent statt der bislang vorhergesagten 1,8 Prozent zulegen. Der Haushaltswächter (Office for Budget Responsibility, OBR) erwartet zudem für 2025 ein Plus von 1,4 Prozent und für 2026 von 1,9 Prozent - ebenfalls weniger als bislang veranschlagt.
Die britische Wirtschaft wurde im laufenden Jahr durch die höchste Inflationsrate aller großen Industrieländer belastet, die die Kaufkraft der Verbraucher schmälert. Zwar hat sich die Teuerungsrate mehr als halbiert - von gut elf Prozent vor etwas mehr als einem Jahr auf 4,6 Prozent im Oktober. Die Bank of England strebt allerdings einen deutlich niedrigeren Wert von zwei Prozent an, weshalb sie ihren Leitzins in 14 Schritten auf 5,25 Prozent angehoben hat. Das macht Kredite - etwa für Investitionen - deutlich teurer. Den neuen OBR-Prognosen zufolge dürfte die Inflationsrate im kommenden Jahr mit 2,8 Prozent immer noch deutlich über der angestrebten Marke verharren.
110 Maßnahmen zur Wirtschaftsbelebung
Hunt hatte zuvor bereits mitgeteilt, dass der Mindestlohn im April um rund zehn Prozent auf 11,44 Pfund (13,15 Euro) pro Stunde angehoben werde. Auch für Unternehmen sind Steuersenkungen vorgesehen. Insgesamt kündigte er 110 Maßnahmen an, um "die britische Wirtschaft anzukurbeln".
Möglich sind die Steuererleichterungen nach Angaben der Regierung, weil dank einer besser als erwarteten Konjunktur mehr finanzieller Spielraum bestehe. Kommentatoren sprachen angesichts des enormen Rückstands von Hunts Konservativer Partei in den Umfragen indes von vorgezogenen Wahlgeschenken. Die nächste Parlamentswahl findet voraussichtlich 2024 statt. Es gilt aber als fragwürdig, ob die Ankündigungen für eine Aufholjagd in den Umfragen ausreichen werden.
Hunt kündigte zudem eine Änderung bei Sozialleistungen an. So sollen Menschen mit psychischen Problemen oder eingeschränkter Mobilität, die nach Ansicht der Behörden eine Arbeit ausüben könnten, ihre Unterstützung verlieren, falls sie nach 18 Monaten keinen Job haben.
Premierminister Rishi Sunak hatte unlängst "verantwortungsvolle" Steuersenkungen versprochen, um der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Seine Vorgängerin Liz Truss wollte im vergangenen Jahr größere Steuersenkungen durchsetzen, was zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten und ihrem vorzeitigen Abgang führte.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/dpa