Politik

Terror- und Spionageverdacht Wer steckt hinter dem Berliner Al-Mustafa-Institut?

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Das Al-Mustafa-Institut befindet sich in einem Wohnhaus in Berlin-Lichterfelde.

Das Al-Mustafa-Institut befindet sich in einem Wohnhaus in Berlin-Lichterfelde.

(Foto: RTL)

Der Berliner Verfassungsschutz stuft das Al-Mustafa-Institut als extremistischen Verdachtsfall ein. Recherchen zeigen, wie eng die Betreiber mit dem Regime im Iran verbunden sind.

Das Mehrfamilienhaus in der Königsberger Straße im Berliner Stadtteil Lichterfelde wirkt wie ein gewöhnliches Gebäude. Einzig die zahlreichen zugezogenen Vorhänge an der Fensterfront fallen sofort auf. Neugierige Blicke nach innen scheinen unerwünscht zu sein.

Auf einem der vielen Klingelschilder steht "Al-Mustafa-Institut gGmbh", die Abkürzung meint, dass es sich hier um eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung handeln soll. Darunter der Name des Geschäftsführers und Institutsleiters, Dr. Mahdi Esfahani. Ein Nachbar tritt in den Hausflur. Er hat das Klingeln nebenan gehört und aufgedrückt. Eine Auskunft zum Institut kann er nicht geben. Offenbar ist niemand vor Ort.

Kurz nachdem das Team von RTL und "Stern" das Haus verlassen, kommt ein bärtiger junger Mann heraus. Er überquert die Straße und versteckt sich hinter einem Altkleider-Container. Dort zückt er ein Handy, fotografiert die Reporter und verschwindet dann in einer Nebenstraße.

Offiziell bietet das Institut mehrere Studiengänge zu islamischer Theologie an.

Offiziell bietet das Institut mehrere Studiengänge zu islamischer Theologie an.

(Foto: RTL)

Vielleicht nur ein neugieriger Nachbar oder ein Mitarbeiter des Instituts, der wissen möchte, wer sich für ihn interessiert. Denn das Al-Mustafa Institut ist neuerdings auf dem Radar des Berliner Verfassungsschutzes. Nach Informationen von "Stern" und RTL stuft dieser die schiitische Bildungseinrichtung als Verdachtsfall ein. Zunächst haben "Bild" und "Tagesspiegel" darüber berichtet.

Verbindungen zum iranischen Regime

Das Al-Mustafa Institut in Berlin, 2015 gegründet, steht schon länger im Verdacht, Helfer und Spione für das radikal-schiitische Regime im Iran zu rekrutieren. Die Betreiber der Einrichtung bestreiten das vehement. Und doch gibt es Indizien, die nahelegen, dass die Verbindung in den Iran enger ist, als die Beteiligten zugeben.

Offiziell bietet das Institut mehrere Studiengänge zu islamischer Theologie an. Das Studium wird in Deutschland jedoch nicht anerkannt. Stattdessen handelt es sich um ein Fernstudium in Kooperation mit der internationalen Al-Mustafa Universität im iranischen Ghom. Diese Hochschule wurde 1979, im Jahr der iranischen Revolution, gegründet. Sie richtet sich vor allem an ausländische Studenten.

Die Universität gilt als Denkfabrik des schiitischen Islamismus, seit 2020 wird sie daher von den USA sanktioniert. Der Vorwurf: Die Universität und ihre internationalen Ableger würden von den Revolutionsgarden für Rekrutierungs- und Spionageoperationen genutzt. Vor allem für die Auslandseinheit der Iranischen Revolutionsgarden, die Al-Kuds-Brigaden. Sie arbeiten im Ausland wie ein zweiter Geheimdienst des Iran. Sie spionieren, finanzieren Terrororganisationen und gehen gegen Regimekritiker vor.

Die Universität in Ghom hat zumindest in der Vergangenheit den Berliner Ableger teilweise finanziell unterstützt. Das bestätigt Institutsleiter Esfahani gegenüber "Stern" und RTL.

Könnte also das Institut in Berlin eine Zweigstelle der Al-Kuds-Brigaden sein? Zumindest haben die deutschen Behörden das Institut auf dem Radar. Für Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft Berlin, nicht ohne Grund. "Durch die Nachrichtendienste ist durchaus bekannt, dass gerade so eine Universität oder solch ein Institut gerne als Deckmantel genutzt werden, um hier Leute zu rekrutieren", sagt Jendro. Im November war das Al-Mustafa Institut Thema in einer Sitzung des Berliner Verfassungsschutzausschusses.

Wer sind die Hintermänner?

Mahdi Esfahani ist der Einzige, der auf der aktuellen Instituts-Webseite als Mitarbeiter geführt wird. Archivierte Versionen der Website zeigen jedoch, dass in der Vergangenheit weitere Männer und Frauen beim Institut tätig gewesen sein sollen. Auch mehrere Deutsche.

Und Esfahani ist nicht nur der Geschäftsführer von Al-Mustafa. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer einer weiteren Firma in Berlin, die IT-Dienstleistungen anbietet. Für einen Professor der islamischen Theologie eine eher ungewöhnliche Branche.

Als Reporter von "Stern" und RTL den Firmensitz des IT-Unternehmens suchen, werden sie an einer Adresse in Berlin-Mitte fündig. Ein Firmenbüro gibt es hier jedoch nicht. Stattdessen wohnt hier ein Mann, der gemeinsam mit Esfahani im Handelsregisterauszug der Firma eingetragen ist. Offen sprechen möchte er nicht. Aber hinter verschlossener Tür bestätigt er, Esfahani zu kennen. Mehr will er nicht sagen.

Die Spur zu Ajatollah Chamenei

Die Verbindungen des Al-Mustafa Instituts in den Iran sind öffentlich einsehbar. Im Handelsregister sind neben Mahdi Esfahani noch drei Gesellschafter eingetragen, zwei Männer und eine Frau. Zu der Frau gibt es kaum Informationen. Die beiden männlichen Gesellschafter, Mahdi Rajeai Nia und Zeinolabedim Mirfatemi, sind jedoch einflussreiche Männer im Umfeld des Mullah-Regimes.

Die beiden Männer und auch Institutsleiter Esfahani sind immer wieder bei offiziellen Veranstaltungen im Iran anwesend, unter anderem mit hohen Vertretern der iranischen Revolutionsgarden. Fotos von Gesellschafter Rajeai Nia zeigen ihn bei Treffen mit Ali Chamenei, dem obersten Führer des Landes. Mit Esfahani nahm er im Frühjahr des vergangenen Jahres bei der Beerdigungszeremonie eines hohen iranischen Politikers und Vertrauten von Chamenei teil. Eine Veranstaltung, bei der mit Sicherheit nur ein ausgewählter Kreis zugelassen war.

Auch Mahdi Esfahani ist bestens im Iran vernetzt. In den 1990er-Jahren hat er in Teheran studiert, später an der Freien Universität Berlin, wo er auch promovierte. Seit Herbst 2016 ist er zudem Assistenzprofessor der Al-Mustafa Universität in Ghom. Laut Firmenunterlagen besitzt Esfahani auch die deutsche Staatsbürgerschaft. "Stern" und RTL liegen Daten seines iranischen Passes vor.

Rajaei Nia und Mirfatemi, beide Mitte 50, sind zudem ebenfalls eng verbunden mit der sanktionierten Universität in Ghom und bekleiden dort hohe Ämter. Vor allem Mirfatemi besucht als hoher Repräsentant der Universität regelmäßig die verschiedenen internationalen Ableger. Auch in Berlin soll er mindestens einmal gewesen sein. Genau wie Rajaei Nia. Nur über die Frau ist bis auf ein Foto wenig bekannt.

In den Geschäftsunterlagen des Instituts ist an einer Stelle auch eine Berliner Adresse von Rajeai Nia und der weiblichen Gesellschafterin angegeben, die mutmaßlich als Wohnadresse dienen soll. Sie liegt in der Straße, in der Institutsleiter Esfahani den Sitz seiner IT-Firma eingetragen hat, wenige Hundert Meter entfernt von der Parteizentrale der SPD. Die Reporter von "Stern" und RTL finden an der Adresse von Rajeai Nia kein passendes Klingelschild. Ein Anwohner, der nach eigener Aussage seit 24 Jahren in dem Haus lebt, erklärt, nie iranische Nachbarn gehabt zu haben. Es dürfte sich also um eine Scheinadresse handeln.

Der Kontaktmann aus der Botschaft

Es gibt einen vierten Mann, der für das Al-Mustafa Institut eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Denn die gemeinnützige GmbH wurde nicht von Esfahani oder den Gesellschaftern angemeldet, sondern per Vollmacht durch Hossein K. Auch er ist Deutsch-Iraner, 1982 im iranischen Nishabur geboren. Und auch er lebt schon länger in Berlin.

Von 2009 bis 2015 hat Hossein K. für die iranische Botschaft gearbeitet. Laut eigenen Angaben als technischer Assistent. Als die Reporter Hossein K. am Telefon erreichen, bestätigt er das. In schiitischen Chatforen organisierte er in der Vergangenheit Fahrten zu Koran-Seminaren oder diskutiert islamische Glaubensfragen. Auch Besuche beim Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) wurden von ihm mitorganisiert. Das IZH wurde im Sommer 2024 von Bundesinnenministerin Nancy Faeser geschlossen und verboten. Die Nähe zum Regime in Teheran und die Unterstützung von Terrorgruppen wie der libanesischen Hisbollah gaben den Ausschlag für die Entscheidung.

Hossein K. arbeitete bei der iranischen Botschaft nicht nur als technischer Assistent. Die Botschaft schickte ihn auch als Repräsentanten zu einer Premiere eines regimekritischen Films. Die Regisseure hatten sich damals bewusst entschieden, die Botschaft einzuladen.

Eher zögerlich bestätigt K. am Telefon, dass er für Mahdi Esfahani gearbeitet habe und die anderen Gesellschafter ebenfalls persönlich kennt.

Begeistert von den Al-Kuds-Brigaden

Zu seiner Tätigkeit für die iranische Botschaft äußert sich K. nur vage. Kontakte zum iranischen Geheimdienst oder den Al-Kuds-Brigaden habe er aus seiner Zeit bei der Botschaft nur indirekt gehabt. Genauer darauf eingehen möchte er nicht. Die Al-Kuds-Brigaden haben für ihn eine große Bedeutung. "Im übertragenden Sinne sind es Freiheitskämpfer, die die von Israel unterstützten ISIS-Terroristen verjagt haben", sagt er.

Dass Hossein K. im Visier der deutschen Behörden ist, musste er jüngst selbst feststellen. Denn er wollte sich um einen Job im IT-Bereich der deutschen Polizei bewerben. Doch bei der Sicherheitsüberprüfung fielen seine Verbindungen offenbar auf, die Polizei sagte ihm ab.

Mahdi Esfahani erklärt gegenüber "Stern" und RTL nicht, welche Rolle die iranische Botschaft und Hossein K. für das Institut spielen. Stattdessen bekräftigt er, dass das Al-Mustafa-Institut sich auf Aktivitäten beschränke, die "sich ausschließlich auf die Lehre und Forschung im Bereich der islamischen Theologie, Philosophie und Mystik beziehen, und dass außerhalb dieses Rahmens keinerlei andere Betätigungen stattfinden".

Ein theologisches Institut, betrieben von Männern, die im Iran Ali Chamenei persönlich treffen und ihr Unternehmen von einem ehemaligen iranischen Botschaftsmitarbeiter anmelden lassen? Die Einrichtung dürfte den Verfassungsschutz noch eine Weile beschäftigen.

Quelle: ntv.de

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