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"War ich ein böser Junge?" Trump wollte aussagen, aber nicht alles beantworten

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Mitteilungsbedürftig: Trump im Foyer des Trump Towers.

Mitteilungsbedürftig: Trump im Foyer des Trump Towers.

(Foto: AP)

Nach dem historischen Urteil herrscht unter Donald Trumps Anhängern vor dem Trump Tower überraschend gute Stimmung. Die Sonne lacht, und im Innern findet der Ex-Präsident an symbolischer Stelle seinen Weg wieder.

Er bekommt kaum noch seine Hände nach unten. Gestikuliert nahezu pausenlos. Donald Trump, am Tag nach seiner historischen Verurteilung im Schweigegeldprozess, monologisiert in der Lobby des Trump Tower darüber, wie er die Dinge sieht. "Schlechte, in vielen Fällen kranke Menschen" hätten ihm dies angetan, erklärt er der handverlesenen Presse, während die Polizei vor der Tür den Bürgersteig abgesperrt hat. Der Ex-Präsident unterstreicht, fragt rhetorisch, erklärt seine Version. Den Schuldspruch des Strafgerichts von Manhattan fügt er so in sein Bild ein, das er ohne Unterlass von sich zeichnet: Ich und meine Unterstützer, die Opfer. Die anderen und Präsident Joe Biden, die Täter.

Schon, dass Trump die Pressekonferenz hier im Erdgeschoss abhält, hat Symbolik. Vor acht Jahren fuhr er dort die viel zitierte Rolltreppe herunter, um seine Kandidatur zu verkünden. Vor acht Jahren fand in diesem Gebäude auch das Treffen mit seinem damaligen persönlichen Anwalt Michael Cohen und dem Boulevardblatt-Verleger David Pecker statt, in dem diese verabredeten, Trumps Frauengeschichten aus dem Verkehr zu ziehen. Laut Staatsanwaltschaft war dies der Beginn der Verschwörung zur Wahlbeeinflussung, die durch falsch ausgestellte Unterlagen vertuscht wurde. Schuldig in 34 Fällen. Das Strafmaß soll am 11. Juli verkündet werden.

Nun, 18 Stunden nach dem Urteil, hält der Verurteile seinen mehr als halbstündigen Monolog. "Ich hätte ausgesagt, ich wollte aussagen", versichert Trump. Aber der Richter habe jegliche Fragen erlauben wollen, nicht nur über den verhandelten Fall; "War ich ein böser Junge hier, ein böser Junge dort?" Er wollte sich nicht in die Bredouille bringen, etwa eine Kleinigkeit nicht exakt auszusagen, meint er. Trump zeigt von seinem Redepult zur riesigen Glasfront in Richtung Straße, wo ein paar Hundert Menschen zu sehen sind. "Ich bedanke mich sehr bei der großen Menge, die Unterstützung ist unglaublich."

"The Donfather"

Da draußen, da drängeln sich an der Ecke Fifth Avenue und 57. Straße und auf dem Bürgersteig gegenüber eine Menge an Journalisten sowie eine kleinere Gruppe an Trump-Unterstützern. Die Sonne scheint, jemand lässt Popmusik aus einem Lautsprecher dröhnen, Fahnen wehen in der Brise; darunter eine riesige mit "Trump oder Tod" samt Website-Adresse, die auf einen Fanshop führt. Es gibt dort Fahnen und T-Shirts: von "The Donfather" im Design von "Der Pate", dem angeblichen Wahlsieg 2020 ("Trump Won"), oder "Der wahre Aufstand - November 3, 2020", der Tag der vergangenen Präsidentschaftswahl, als in der MAGA-Welt ihr Präsident nur wegen angeblichen Wahlbetrugs von Biden verlor.

Zwei Freunde lehnen an der Hauswand und beobachten die Szenerie. "Ich habe gelacht, als ich von dem Urteil gehört habe", sagt Paul Duran, ein 57-Jähriger mit Trump-T-Shirt und passender Kappe. Die beiden New Yorker wollten zum Gerichtsgebäude, aber der Schuldspruch kam ihnen zuvor. "Wir erleben einen Film, und darin gerade den Höhepunkt", meint er: "Es ist der Anfang vom Ende für Bidens Präsidentschaft." Sie erwarten Trumps Wahlsieg im November. Juristen sind sich einig. Selbst wenn im Juli eine Gefängnisstrafe verhängt wird, darf der designierte Kandidat der Republikaner ins Weiße Haus einziehen.

Duran und sein Bekannter arbeiteten einige Jahre zusammen als Handwerker für die Stadt. Es kam die Pandemie, sie verweigerten die verpflichtende Impfung. Paul Duran konnte sich frühverrenten lassen, aber sein Kollege wurde gefeuert und ist seither arbeitslos. Nicht nur Trumps Unterstützer, auch Gegner drängeln sich auf dem Bürgersteig. "Sperrt ihn weg", heißt es auf einem Schild. "Wie viel willst Du dafür?", ruft Paul Duran dessen Besitzer zu. "1000 Dollar!", kommt die Antwort postwendend. Paul Duran winkt lachend ab.

Zwischen Menge und Trump Tower schieben sich irgendwann ein paar mit Devotionalien und Sprüchen dekorierte Fahrzeuge vorbei, die Pressekonferenz ist schon vorbei. Trumps Anhänger denken nicht daran, zu gehen, sie jubeln über die willkommene Unterhaltung. "F*ck Biden", grüßt eine der Fahnen vom Absperrgitter die Wagen. Ein riesiger Pickup lässt eine ohrenbetäubende Truckhupe im Wechsel mit einem Hip-Hop-Song samt Trump-Sample erklingen. "Wir sind das beste Land der Welt", säuselt seine Stimme auf den Beat.

Keine Fragen bitte

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Trump hatte sich zuvor im Innern des Towers beschwert, er solle ins Gefängnis, während die Gewalt in der Stadt ein Niveau wie nie zuvor erreiche. "Das geht weit über mich hinaus, das sollte auch nicht mit anderen Präsidenten gemacht werden. Das ist größer als Trump oder meine Präsidentschaft." Es klang darin an, was Trump derzeit mit seinen Anwälten vor dem Supreme Court zu erreichen versucht: Immunität nicht nur für amtierende, sondern auch für Ex-Präsidenten. Der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof wird seine Entscheidung spätestens im Juli verkünden. Je nachdem, wie es ausfällt, könnten noch drei weitere Prozesse für ihn anstehen, unter anderem wegen des Vorwurfs der Anstiftung zum Aufstand am 6. Januar 2021, als Hunderte seiner Anhänger das Kapitol stürmten.

Trump wirkte die meiste Zeit ruhig, aber bestimmt; immer wenn sich Unglaube hineinmischte, kochte ein wenig Wut hoch. Ganz anders als noch kurz nach dem Urteil am Donnerstag, als der Ex-Präsident aus dem Gerichtssaal vor die Kameras geschlichen war und mechanisch seine üblichen Opfer-Formeln absetzte. Er musste ja schließlich etwas sagen. Schon am Tag danach ist Trump zurück auf seinem Weg, dem nach vorn. "Wir werden kämpfen", versichert er den Anwesenden. Fragen lässt er keine zu.

Quelle: ntv.de

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