Fragen und Antworten Das bedeutet der Schuldspruch gegen Trump - nichts
31.05.2024, 08:44 Uhr Artikel anhören
34-mal schuldig: Donald Trump verfolgt das Urteil der Jury.
(Foto: REUTERS)
Mit dem Schuldspruch der Geschworenen gegen Ex-Präsident Donald Trump in allen 34 Anklagepunkten ist der Prozess um Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels so gut wie zu Ende. Was noch fehlt, ist das Strafmaß. Doch auch dann ist der Fall noch nicht ausgestanden, in dem Trump vorgeworfen wird, Geschäftsunterlagen gefälscht zu haben, um die Wahl 2016 durch Geldzahlungen an Daniels gesetzeswidrig zu beeinflussen. Ein wahrscheinlicher Berufungsprozess könnte sich hinziehen. Wichtige Fragen und Antworten zu dem historischen Prozess:
Muss Trump ins Gefängnis?
Der Vorwurf der Fälschung von Geschäftsunterlagen ist in New York eine Straftat der Klasse E, der niedrigsten Stufe von Vergehen in diesem US-Staat. Sie kann mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft werden. Aber auch eine Geld- oder Bewährungsstrafe ist möglich. Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg wollte nicht sagen, ob die Anklage eine Gefängnisstrafe beantragt.
Letztlich entscheidet Richter Juan Merchan. Doch es ist unklar, inwieweit er die politischen und logistischen Schwierigkeiten bei der Inhaftierung eines ehemaligen Präsidenten in Betracht ziehen wird, der sich erneut um das höchste Amt im Staat bewirbt. Merchan könnte Trump beispielsweise erlauben, die Strafe erst dann zu verbüßen, wenn er seine Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat.
Dass Trump am Ende tatsächlich ins Gefängnis kommen könnte, halten Experten trotz des Schuldspruchs aber ohnehin für eher unwahrscheinlich. Das Strafmaß wird am 11. Juli verkündet - vier Tage vor dem Beginn des Nominierungsparteitags der Republikaner, bei dem Trump offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden soll. Der Richter könnte die Strafe zur Bewährung aussetzen, Hausarrest verfügen, am Ende nur eine Geldstrafe verhängen oder Trump zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Die Tatsache, dass Trump noch nie zuvor in einem Strafverfahren verurteilt wurde, ist ein begünstigender Faktor für ihn.
Was bedeutet der Schuldspruch für die Wahl?
Trump kann trotz des Schuldspruchs zum Präsidenten gewählt werden. Falls Trump zu Hausarrest verurteilt werde, könne er virtuelle Wahlkampfkundgebungen abhalten, sagte die Vizevorsitzende der Republikaner, seine Schwiegertochter Lara Trump. Angesichts der Polarisierung in den USA ist unklar, ob die strafrechtliche Verurteilung Trumps sich überhaupt auf die Wahl auswirken wird. Führende Strategen beider Parteien sind der Ansicht, dass Trump trotz Schuldspruch und weiteren Strafverfahren gute Chancen hat, Präsident Joe Biden zu besiegen.
In einer kürzlichen Umfrage von ABC News und Ipsos gaben nur vier Prozent der Trump-Anhänger an, sie würden ihre Unterstützung zurückziehen, wenn er wegen einer Straftat verurteilt würde. Weitere 16 Prozent sagten immerhin, sie würden es sich noch einmal überlegen. Kurzfristig gab es zumindest unmittelbare Anzeichen dafür, dass der Schuldspruch dazu beiträgt, dass sich die Republikanische Partei zusammenrauft. Auch kann Trumps Kampagne mit einer Flut von Spendengeldern rechnen.
Welche Möglichkeiten hat Trump für eine Berufung?
Trump kann das Urteil vor einem Berufungsgericht oder vor dem höchsten Gericht des Staates New York anfechten. Seine Anwälte haben dafür mit Einsprüchen gegen Anklagepunkte und Entscheidungen im Prozess bereits die Grundlage geschaffen. Unter anderem warfen sie Richter Merchan vor, befangen zu sein, weil seine Tochter eine Firma leitet, zu deren Kunden Biden, Vizepräsidentin Kamala Harris und andere Demokraten gehören. Merchan wies den Befangenheitsantrag zurück. Er selbst spendete vor einigen Jahren kleinere Beträge an die Demokraten.
Trumps Anwälte könnten in der Berufung auch die Entscheidung des Richters anfechten, die Aussage eines potenziellen Sachverständigen der Verteidigung einzuschränken. Die Verteidigung wollte den republikanischen Rechtsprofessor Bradley Smith aufrufen, um zu widerlegen, dass die Schweigegeldzahlungen gegen Regeln zur Wahlkampffinanzierung verstoßen.
Die Verteidigung könnte auch argumentieren, dass die Geschworenen unzulässigerweise die teilweise anschaulichen Aussagen von Daniels über ihre angebliche sexuelle Begegnung mit Trump im Jahr 2006 hören durften. Verteidiger Todd Blanche argumentierte, Daniels' Beschreibung eines Machtungleichgewichts mit dem älteren, größeren Trump sei irrelevant für die Anklagepunkte, aber eine Aussage, die sich einpräge.
Welche Schwächen hatte die Verteidigung?
Es war möglicherweise keine gute Idee, den früheren Bundesstaatsanwalt Robert Costello als einen von gerade einmal zwei Zeugen der Verteidigung aufzurufen. Costello sollte Trumps ehemaligen Anwalt Michael Cohen diskreditieren, einen der wichtigsten Zeugen der Anklage. Doch während Cohen im Kreuzverhör weitgehend kühlen Kopf bewahrte, brachte der streitlustige Costello den Richter gegen sich auf, unter anderem in dem er nach Einsprüchen einfach weiter redete oder mit den Augen rollte. Das ging so weit, dass Merchan drohte, Costello hinauszuwerfen.
Hat sich Trump selbst ein Bein gestellt?
Der Angeklagte gab sich einerseits siegessicher, versuchte aber zugleich, für den Fall einer Verurteilung vorzubauen. So nannte er das gesamte Justizsystem manipuliert. Ähnlich hatte er sich bei der Wahl 2020 verhalten, die er gegen Biden verlor. Trump beschimpfte Richter Merchan, beleidigte Staatsanwalt Bragg, beschwerte sich über Mitglieder der Staatsanwaltschaft und versuchte, den Fall als eine politisch motivierte Hexenjagd darzustellen. Gegen eine so garstige Anklage könne selbst Mutter Teresa nichts ausrichten, schäumte er.
Auch beklagte sich Trump darüber, dass er durch eine Schweigeverfügung des Richters daran gehindert wurde, außerhalb des Gerichts über Einzelheiten des Falls zu sprechen. In den Zeugenstand, wo er sich hätte äußern können, trat er jedoch nicht. Statt auf das Gericht konzentrierte sich Trump auf die öffentliche Meinung und die Wähler, die letztlich über sein Schicksal entscheiden werden. Im Zeugenstand dagegen bestand für ihn das Risiko eines Meineids und außerdem wäre er ins Kreuzverhör genommen worden.
Schadet der Fall dem Image des Republikaners?
Es sind weitaus schlimmere Dinge über Trump bekannt als die Fälschung von Geschäftsunterlagen zur Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an einen Pornostar - ohne dass ihm irgendwas davon politisch etwas anhaben konnte. Der traurige Höhepunkt: Vor den Augen der Welt versuchte Trump nach der Präsidentenwahl 2020, die Niederlage gegen Biden umzukehren, und stachelte seine Anhänger zu einem Angriff auf das Herzstück der US-Demokratie an. Wegen versuchter Wahlmanipulation und anderer schwerwiegender Vorwürfe laufen drei weitere Strafverfahren gegen ihn. Und erst vor ein paar Monaten wurde Trump in einem Zivilprozess zu einer Millionen-Zahlung verurteilt, weil er nach Feststellung des Gerichts eine Frau in den 90er Jahren sexuell missbraucht und später verleumdet hatte.
Nichts davon beendete seine politische Karriere. Im Gegenteil: Trump hat es zur Paradedisziplin gemacht, jeden rechtlichen Vorwurf in einen persönlichen Vorteil umzumünzen, sich als "Märtyrer" zu inszenieren, seine Anhänger so zu mobilisieren und seine Spendensammlungen anzutreiben. Sein Narrativ, das politische Establishment versuche ihn mit juristischen Mitteln auszuschalten, verfängt bei vielen Amerikanern. Ein Schuldspruch macht es im Trump-Universum auf abstruse Weise quasi nur noch stärker und befeuert dort eine Jetzt-erst-recht-Mentalität, wie Reaktionen von Trump-Anhängern nach dem Schuldspruch zeigen.
Was macht seine Partei jetzt?
Trump hat seine Partei fester im Griff denn je - trotz aller Skandale. Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 sah es für einen kurzen Moment so aus, als sei er politisch für immer erledigt. Damals gingen selbst treue Weggefährten zunächst auf Distanz zu ihm. Doch aus Angst vor der Parteibasis, die dem Republikaner zum Teil blind folgt, kehrte einer nach dem anderen zurück an Trumps Seite. Sein Durchmarsch bei den parteiinternen Präsidentschaftsvorwahlen hat gezeigt, dass er der klare Frontmann der Republikaner ist. Die gesamte Parteiprominenz unterstützt die Präsidentschaftsbewerbung des 77-Jährigen öffentlich und kritisiert das juristische Vorgehen gegen ihn als politisch motiviert. Dass sich einer von ihnen wegen des Schuldspruchs nun abwenden könnte, ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: Auch beim Prozess in New York ließ Trump demonstrativ reihenweise Parteikollegen auflaufen zur obligatorischen Solidaritätsbekundung - vor allem jene, die in seiner möglichen nächsten Regierung etwas werden wollen.
Und die anderen Prozesse?
Der Schuldspruch hat keine nennenswerten Auswirkungen auf die anderen Strafverfahren. Der Ex-Präsident ist noch in drei anderen Fällen angeklagt: In zwei Verfahren in der Hauptstadt Washington und im Bundesstaat Georgia geht es um seine Versuche, den Wahlausgang von 2020 umzukehren. In einem weiteren Verfahren in Miami ist er angeklagt wegen der unrechtmäßigen Aufbewahrung hochsensibler Regierungsunterlagen. Die Vorwürfe in diesen drei Fällen sind weitaus schwerwiegender als die im New Yorker Prozess. Einer der Anklagepunkte unter vielen: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Doch mit Verzögerungstaktik und juristischen Winkelzügen hat Trump es geschafft, sämtliche dieser Verfahren zu torpedieren und den Prozessauftakt in allen drei Fällen hinauszuschieben.
Der bedeutsame Wahlbetrugs-Prozess gegen ihn in Washington steht sogar komplett auf der Kippe. Denn zunächst muss nun der Supreme Court als höchstes Gericht der Vereinigten Staaten darüber entscheiden, ob Trump nicht möglicherweise immun gegen Strafverfolgung in dem Fall ist. Das dürfte dann auch Auswirkungen auf die beiden Verfahren in Georgia und Florida haben. Momentan sieht es danach aus, dass keiner dieser Prozesse überhaupt vor dem Wahltag stattfinden wird.
Quelle: ntv.de, fzö/AP/dpa