Rede auf Parteitag Harris verspricht, "Präsidentin aller Amerikaner zu sein"
23.08.2024, 04:50 Uhr
In den landesweiten Umfragen liegt sie knapp vor ihrem Widersacher. Doch Kamala Harris weiß, dass sie nach der Anfangs-Euphorie nun Inhalte liefern muss. Auf dem Parteitag der Demokraten verspricht sie, eine Präsidentin zu sein, "die führt und zuhört".
US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat ihre Nominierung als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten offiziell angenommen. Sie kämpfe für einen "neuen Weg voran" und wolle die "Präsidentin aller Amerikaner" werden, sagte die 59-Jährige in ihrer Rede beim Parteitag in Chicago. Harris war bereits Anfang August in einer elektronischen Abstimmung ihrer Partei offiziell nominiert worden, das Votum wurde am Dienstag in einer zeremoniellen Abstimmung des Parteitags bestätigt.
"Ich weiß, dass heute Abend Menschen mit unterschiedlichen Ansichten zuschauen. Und ich möchte, dass Ihr wisst: Ich verspreche, Präsidentin aller Amerikaner zu sein", sagte sie. Sie schwor ihre Partei auf die entscheidenden Wochen bis zur Wahl Anfang November ein und warnte vor einem Wiedereinzug des Republikaners Donald Trump ins Weiße Haus. "Diese Wahl ist nicht nur die wichtigste unseres Lebens, sie ist eine der wichtigsten im Leben unserer Nation", mahnte sie. Es sei ein "Kampf um Amerikas Zukunft".
Die amtierende US-Vizepräsidentin wurde mit minutenlangem Applaus in der Parteitagshalle empfangen. Ihre Rede wurde immer wieder von Jubel und Sprechchören unterbrochen. Harris redete ihrer Partei ins Gewissen, dass enorm viel auf dem Spiel stehe, und sie rief das Land auf, zusammenzukommen. "Mit dieser Wahl bietet sich unserer Nation eine wertvolle, flüchtige Chance, die Verbitterung, den Zynismus und die spaltenden Kämpfe der Vergangenheit hinter sich zu lassen."
Ihre Landsleute hätten die Chance, einen neuen Weg nach vorn zu beschreiten, "nicht als Mitglieder einer bestimmten Partei oder Fraktion, sondern als Amerikaner". Sie wolle eine Präsidentin sein, "die führt und zuhört, die realistisch ist, praktisch und gesunden Menschenverstand hat". Sie werde immer für das amerikanische Volk kämpfen. Harris sagte, sie sei in ihrem Leben oft unterschätzt worden. Doch habe sie nie aufgegeben, "weil es sich immer lohnt, für die Zukunft zu kämpfen".
Spitze gegen Trump, Lob an Biden
Harris warnte davor, dass Ex-Präsident Trump zurück an die Macht kommen könnte. Dieser sei "kein ernsthafter Mann". "Aber die Folgen einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus wären äußerst ernst." Und weiter: "Denken Sie an die Macht, die er haben wird - vor allem, nachdem der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten gerade entschieden hat, dass er vor Strafverfolgung geschützt ist."
Trump hatte Anfang Juli vor dem Supreme Court einen bedeutsamen Teilsieg errungen. In der Frage, ob Ex-Präsidenten vor Strafverfolgung geschützt sind, entschied das Gericht in Washington, dass dies zumindest für offizielle Amtshandlungen gilt.
Die Demokratin dankte auch ihrem Chef, US-Präsident Joe Biden, und lobte dessen Erfolge. "Deine Leistungen sind außerordentlich - die Geschichte wird es zeigen - und Dein Charakter ist eine Inspiration", sagte sie an den 81-Jährigen gerichtet. Biden war im Juli auf Druck seiner Partei hin aus dem Präsidentschaftsrennen ausgestiegen. An seiner Stelle rückte Harris nach. Sie wurde von den US-Demokraten dann Anfang August in einem elektronischen Votum als Präsidentschaftskandidatin nominiert.
Wähler brauchen die "Kamala-Agenda"
Bei dem am Montag begonnenen Parteitag in Chicago wurde ihre Nominierung feierlich bestätigt. Mit Spannung wurden auch programmatische Äußerungen von ihr erwartet. "Die Wählerinnen und Wähler haben bereits die Kamala-Schwingungen. Nun brauchen sie die Kamala-Agenda", sagte der Politikwissenschaftler Larry Sabato von der University of Virginia. Harris erklärte in ihrer Rede, sie wolle das "kaputte Einwanderungssystem" reformieren. Sie legte vor Tausenden Anhängern auch ihre Positionen zur Wirtschaftspolitik sowie zu den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen dar.
Die 59-Jährige bekräftigte das Ziel, ein Abkommen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen zum Abschluss zu bringen. Zudem sprach sie sich für "Selbstbestimmung" der Palästinenser aus. Angesichts des russischen Angriffskriegs sagte Harris zu, "fest an der Seite der Ukraine" zu stehen. Anders als Ex-Präsident Trump werde sie sich nicht bei Diktatoren "einschmeicheln".
Harris' Kandidatur hat großen Enthusiasmus in der Partei entfacht. In den Umfragen liegt sie US-weit leicht vorn, allerdings wird die Wahl am 5. November nicht durch die landesweiten Stimmenanteile entschieden, sondern durch die Ergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten. Die Tochter einer Inderin und eines Jamaikaners wäre die erste Frau, Afroamerikanerin und der erste Mensch mit asiatischen Wurzeln im US-Präsidentenamt.
Harris' Rede in Chicago war der Höhepunkt des Parteitags. In den vergangenen Tagen hatten jeweils mehr als 20 Millionen Zuschauer die Auftritte in Chicago vor den Fernsehbildschirmen verfolgt. Am Mittwoch (Ortszeit) hatte ihr Vizepräsident-Kandidat Tim Walz seine Nominierung offiziell angenommen und vor einer begeisterten Menge zu einer unermüdlichen Mobilisierung für Harris' Wahlerfolg im November aufgerufen.
Quelle: ntv.de, fzö/AFP/dpa