Nach Telefonat mit Putin Ukraine wirft Scholz "Appeasement"-Politik vor
15.11.2024, 19:09 Uhr Artikel anhören
Selenskyj war im Vorfeld über das Gespräch informiert.
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Erstmals seit fast zwei Jahren telefoniert Bundeskanzler Scholz mit dem russischen Präsidenten Putin. Aus der Ukraine kommt deutliche Kritik. Das Außenministerium zieht einen Vergleich zum Zweiten Weltkrieg. Präsident Selenskyj zufolge hat Scholz die "Büchse der Pandora" geöffnet.
Die Ukraine hat das Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf kritisiert. "Gespräche mit dem russischen Diktator allein bringen keinen Mehrwert für einen gerechten Frieden", teilte das ukrainische Außenministerium mit. Putin könne stattdessen Hoffnung schöpfen, seine internationale Isolation zu verringern. Nötig seien aber "konkrete und starke Aktionen, die ihn zum Frieden zwingen, und nicht Überzeugungsarbeit und Appeasement-Versuche, die er als Zeichen der Schwäche sieht und zu seinem Vorteil nutzt".
Als "Appeasement" wird eine Politik der Besänftigung demokratischer Staaten gegenüber aggressiven, autoritär regierten Nationen bezeichnet. Der Ausdruck geht auf die gescheiterte Politik des britischen Regierungschefs Neville Chamberlain gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg zurück.
Selenskyj: "Nur viele Worte"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, der Anruf habe die "Büchse der Pandora" geöffnet. "Jetzt kann es weitere Gespräche, weitere Anrufe geben. Nur viele Worte", sagte er in einer Videoansprache. Dies sei genau das, was Putin will. "Es ist extrem wichtig für ihn, seine Isolation, die Isolation Russlands, zu schwächen und normale Verhandlungen zu führen, die zu nichts führen werden."
Die Ukraine war nach eigenen Angaben im Vorfeld über das Gespräch informiert worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll Scholz daraufhin gewarnt haben. Selenskyj habe dem Bundeskanzler gesagt, der Anruf beim russischen Staatschef würde nur dabei helfen, den Krieg in der Ukraine aufrechtzuerhalten, so eine Quelle im Präsidialamt der Ukraine.
Scholz hatte Putin in dem Telefonat nach eigenen Angaben dazu aufgerufen, den "Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden und seine Truppen zurückzuziehen". Russland müsse Verhandlungen mit der Ukraine über einen "gerechten und dauerhaften" Frieden führen, schrieb der Kanzler auf X. Der Kreml erklärte, ein Abkommen könne es nur geben, wenn Kiew die "neuen territorialen Realitäten" in der Ukraine anerkenne. Scholz und Putin hatten zuletzt am 2. Dezember 2022 miteinander telefoniert. Gut neun Monate zuvor hatte Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet.
Quelle: ntv.de, mdi/AFP/rts