Neues Gesetz vereidigt Ungarn animiert zu Anzeigen gegen LGBTQ
21.04.2023, 00:11 Uhr Artikel anhören
Ungarn galt einst als eines der liberalsten Länder der Region - bis Viktor Orban Ministerpräsident wurde.
(Foto: imago images/Ritzau Scanpix)
Ungarn schränkt die Rechte von LGBTQ immer weiter ein. Ein neues Gesetz hält Bürger an, andere Menschen zu melden, wenn "Zweifel an der verfassungsmäßigen Rolle von Ehe und Familie" bestehen. Von Menschenrechtsorganisationen und der EU kommt scharfe Kritik.
Die ungarische Regierung hat ein umstrittenes neues Gesetz verteidigt, mit dem Bürger anonym Menschen melden können, welche "die Rolle von Ehe und Familie" und Geschlecht "in Frage stellen". Laut dem ungarischen Kabinettschef Gergely Gulyas dient das Gesetz der Harmonisierung mit einer EU-Richtlinie von 2019 über den Schutz von Hinweisgebern, sogenannten Whistleblowern. "Wir haben einen europäischen Standard übernommen" und gleichzeitig "einige Aspekte hervorgehoben", sagte Gulyas.
Nach dem neuen Gesetz, das vergangene Woche vom ungarischen Parlament verabschiedet wurde, können Bürger "im öffentlichen Interesse" und "zum Schutz der ungarischen Lebensweise" andere Menschen melden - und zwar auch dann, wenn Mitbürger "Zweifel" an der "verfassungsmäßigen Rolle von Ehe und Familie" hegen.
Seit einer Änderung von 2019 ist in der ungarischen Verfassung festgeschrieben, dass die Ehe nur zwischen Mann und Frau möglich ist, dass ein Vater ein Mann ist und eine Mutter eine Frau. Viele Ungarn drückten in Onlinediensten ihre Sorge aus, dass Kinder aus Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern weggenommen werden könnten. Andere beklagten, dass die vage Formulierung auch auf geschiedene Paare oder Paare, die keine Kinder wollten, angewandt werden könnte.
Amnesty International: "Legaler Nonsens"
Aron Demeter von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete das Gesetz als "legalen Nonsens", der zu Selbstzensur und Angst in der LGBTQ-Gemeinschaft führe, ohne tatsächliche Sanktionen nach sich zu ziehen. "Es ist eine direkte Fortsetzung der homophoben und transphoben Kampagne der Regierung", sagte Demeter.
Bei einem Besuch in Budapest sprach die französische Europaministerin Laurence Boone mit verschiedenen Ministern über das Thema. Sie habe "erklärt, dass dies natürlich kein Gesetz ist, das den europäischen Werten entspricht", sagte sie. "Es ist kein gutes politisches Signal."
Ungarn war einst eines der liberalsten Länder in der Region. Homosexualität wurde bereits Anfang der 1960er Jahre entkriminalisiert, gleichgeschlechtliche Partnerschaften wurden 1996 anerkannt. Doch seit 2018 drängt der rechtspopulitische Ministerpräsident Viktor Orban, der sein Land als "christliches Bollwerk" in Europa sieht, mit immer schärferen Gesetzen Freiheiten zurück.
Seine Regierung verbot unter anderem den Forschungsbereich Gender Studies, den Eintrag von Geschlechtsumwandlungen im Personenstandsregister und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare. Seit 2021 ist es auch verboten, mit Minderjährigen über Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen zu sprechen. Die Europäische Kommission hat wegen dieses Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das von 15 EU-Ländern unterstützt wird.
Quelle: ntv.de, mdi/AFP