Partei-Vize: "Völliger Blödsinn" Verfassungsschutz stuft AfD als gesichert rechtsextremistisch ein
02.05.2025, 10:03 Uhr
Das "ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis" der AfD "ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar". Zu diesem Schluss kommt das Bundesamt für Verfassungsschutz und stuft die gesamte Partei nicht mehr nur als Verdachtsfall, sondern als gesichert rechtsextremistisch ein. Die AfD schäumt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Der Inlandsgeheimdienst teilte mit, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet.
"Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar", teilte die Sicherheitsbehörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. "Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes", heißt es in der Mitteilung des Inlandsgeheimdienstes.
Äußerungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde, erklärten die Vizepräsidenten der Behörde, Sinan Selen und Silke Willems. Dies sei maßgeblich für die nun getroffene Einschätzung. Die Landesämter für Verfassungsschutz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt hatten die jeweiligen AfD-Landesverbände bereits zuvor als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft.
Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser nannte die neue BfV-Bewertung "klar und eindeutig". "Die AfD vertritt einen ethnischen Volksbegriff, mit dem ganze Bevölkerungsgruppen diskriminiert und Bürgerinnen und Bürger mit Migrationsgeschichte als Deutsche zweiter Klasse behandelt werden." Das widerspreche klar der Menschenwürdegarantie des Artikels 1 des Grundgesetzes. "Ihre völkische Haltung zeigt sich in rassistischen Äußerungen vor allem gegen Zugewanderte und Muslime."
"Unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft"
Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner kritisierte die Einstufung seiner Partei als gesichert rechtsextremistisch scharf. "Diese Entscheidung des weisungsgebundenen Verfassungsschutzes ist inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD", sagte der Bundestagsabgeordnete.
Als "unfaire Kampfmaßnahme gegen die einzige Oppositionskraft" sei sie allerdings erwartbar gewesen. Als "unsouverän" bezeichnete Brandner, dass die Neubewertung noch unter der geschäftsführenden Bundesinnenministerin Faeser vorgenommen wurde. Sie wird ihr Amt in der kommenden Woche an ihren designierten Nachfolger Alexander Dobrindt übergeben.
Auf die Frage, ob sich die AfD juristisch gegen die neue Einstufung zur Wehr setzen wird, antwortete Brandner, der Bundesvorstand werde am kommenden Montag turnusgemäß beraten. Er gehe davon aus, dass dies dort dann Thema sein werde.
Der Vorsitzende der AfD in Brandenburg und Bundestagsabgeordnete René Springer nannte den BfV-Vorgang einen "beispiellosen Missbrauch staatlicher Macht". "Eine Regierung, der die Wähler das Vertrauen entzogen haben, erklärt die größte Oppositionspartei zum Staatsfeind - und verweigert zugleich jede Transparenz. Das hat mit Verfassungsschutz nichts mehr zu tun. Das ist der Versuch, die demokratische Konkurrenz mit geheimdienstlichen Mitteln auszuschalten", sagte er RTL und ntv.
Kommt jetzt ein Verbotsverfahren?
Nachdem Medien im Februar 2021 über eine mutmaßliche Einstufung der Gesamtpartei als sogenannter Verdachtsfall berichtet hatten, musste der Verfassungsschutz auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts noch rund ein Jahr warten, bis er diese Einschätzung publik machen und die Partei entsprechend beobachten konnte. Im Mai 2024 hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat. Der Rechtsstreit geht noch weiter.
Auch bei einer Beobachtung als Verdachtsfall ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bereits erlaubt. Zu diesen zählt etwa der Einsatz von sogenannten V-Leuten - das sind Menschen mit Zugang zu internen Informationen. Auch Observationen oder Bild- und Tonaufnahmen sind erlaubt. Bei Auswahl und Einsatz der Mittel muss allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein.
Bei einem als gesichert extremistisch eingestuften Beobachtungsobjekt sinkt die Schwelle für den Einsatz solcher Mittel. Mit einem Parteiverbot hat die Beobachtung durch das BfV zwar vordergründig nichts zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Eines der drei Verfassungsorgane könnte sich aber durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt fühlen, einen solchen Antrag zu stellen. Karlsruhe würde anschließend unabhängig über das Parteiverbot entscheiden. Ein Parteiverbot hätte etwa den Ausschluss der staatlichen Finanzierung zur Folge.
Grundlage der nun getroffenen Entscheidung ist ein umfangreiches Gutachten des BfV, das nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen. Innenministerin Faeser betonte: "Es hat keinerlei politischen Einfluss auf das neue Gutachten gegeben." Das Bundesamt habe einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und die Demokratie zu schützen. "Dabei arbeitet es eigenständig", so Faeser. "Die neue Einstufung ist das Ergebnis einer umfassenden und neutralen Prüfung, die in einem 1100-seitigen Gutachten festgehalten ist." Sie gehe davon aus, dass die Neubewertung gerichtlich überprüft werde.
Quelle: ntv.de, fzö/dpa