Ukraine-Talk bei "Maischberger" Wagenknecht nennt Krieg "sinnlos" - Expertin widerspricht
15.06.2023, 03:59 Uhr Artikel anhören
Wagenknecht beharrt darauf, dass in der Ukraine vor allem ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA tobt.
(Foto: WDR/Oliver Ziebe)
Sahra Wagenknecht liefert sich ein Duell mit der Konfliktforscherin Florence Gaub. Die umstrittene Linken-Politikerin beharrt einmal mehr darauf, dass die westlichen Staaten mindestens einen Waffenstillstand herbeiführen müssten. Gaub erklärt, warum die Zeit für Gespräche noch nicht gekommen sei.
Wann könnte es Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine geben? Darüber haben sich am Mittwochabend in der ARD-Talkshow "Maischberger" die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Militärexpertin Florence Gaub gestritten. Geeinigt haben sie sich nicht.
Im Ukrainekrieg hat die Sommeroffensive der ukrainischen Armee begonnen. Ein Ende des Konflikts scheint in weiter Ferne. Trotzdem fordert die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht schnelle Verhandlungen über eine Beilegung des Konflikts. Dafür sei jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt, entgegnet ihr die Militärexpertin Florence Gaub.
"Ich habe keinerlei Informationen"
Einig sind sich beide zunächst einmal darüber, dass nicht bekannt ist, wer für die Sprengung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine verantwortlich ist. Laut Gaub profitieren beide Seiten von der Sprengung: "Die Ukraine, weil sie als Opfer wahrgenommen wird, und Russland, weil es die Ukraine delegitimiert." Sie fordert, dass sich der Westen mehr mit der Frage beschäftigen sollte, wer das größere Problem durch die Sprengung habe, und das sei eindeutig die Ukraine.
Wagenknecht sieht das ähnlich, kritisiert jedoch die Haltung der westlichen Länder, die sofort Russland für die Sprengung verantwortlich gemacht hätten.
Auch über die aktuelle Gegenoffensive der Ukraine wisse man wenig, sagt Gaub. "Aber darum geht es auch nicht, sondern es geht um die Frage, was der Krieg in den Köpfen der russischen Bevölkerung macht. Der Krieg fängt in den Köpfen an, und er muss auch dort enden." Folglich geht sie davon aus, dass es bei der ukrainischen Offensive nicht so sehr um Geländegewinne geht, sondern darum, Russland davon zu überzeugen, dass ein militärischer Sieg nicht möglich ist. Das könnte entscheidend für mögliche Friedensverhandlungen sein.
"Ein völlig sinnloser Krieg"
Nach Meinung von Wagenknecht ist eine Offensive aber nicht dazu geeignet, einen Krieg zu deeskalieren, sie eskaliere ihn dagegen. Dabei verwendet Wagenknecht einen Begriff aus der Konfliktforschung. Dort bedeutet "Eskalation" den Übergang eines Konflikts in einen höheren Intensitätsgrad. Wagenknechts These: "Wenn man den Krieg deeskalieren will, muss man versuchen, Gespräche über einen Waffenstillstand zu führen." Wagenknecht erklärt: "Die Frage ist, wie lange das noch so weitergehen soll. Jeden Tag sterben Menschen. Von beiden Seiten ist das ein Abnutzungskrieg, ein völlig sinnloser Krieg. Deswegen muss man jetzt alles daran setzen, in Gespräche über einen Waffenstillstand zu gehen. Wie erfolgreich die dann sind, muss man dann testen."
Mit diesem Vorschlag gibt sich Gaub nicht zufrieden. "Es geht nicht darum, den Krieg zu deeskalieren, sondern es geht darum, den Konflikt zu beenden." Dazu könne eine Deeskalation genauso beitragen wie eine Eskalation. "Das kennt man, wenn man sich mal mit einem Partner streitet: Manchmal muss es erst richtig nach oben gehen, bevor eine Seite einschwenkt. Auf den Krieg bezogen: Ich möchte, dass dieser Krieg so zu Ende geht, dass er danach nicht wiederkommt. Darum geht es hier."
Doch auch dafür müssten laut Wagenknecht Verhandlungen geführt werden, und die müssten vom Westen ausgehen. Doch auch hier ist Gaub anderer Meinung. Im Moment gebe es nichts, worüber die Ukraine und Russland verhandeln wollten. "Das heißt, dass man eine andere Lösung finden muss. Und meistens kommt man an den Punkt erst, wenn man sich ein bisschen zermürbt hat. In der Forschung spricht man dabei von einer Konfliktuhr. Auch Konflikte haben eine innere Uhr. Irgendwann kommt man an den Punkt, wo die Bereitschaft für Verhandlungen erreicht ist." Noch sei es nicht so weit.
"Ein Stellvertreterkrieg"
Wagenknecht weist darauf hin, dass es aktuell Friedensverhandlungen gebe, und zwar im Jemen, und gibt damit ungewollt der Wissenschaftlerin recht. Der Bürgerkrieg in diesem Land habe acht Jahre gedauert, sagt Gaub, und dabei habe es sich um einen Stellvertreterkrieg gehandelt. Das sei auch im Ukrainekrieg der Fall, wo es sich eigentlich um einen Krieg zwischen den USA und Russland handle, entgegnet Wagenknecht. Das sei ein weiterer Grund dafür, dass der Impuls für Friedensverhandlungen vom Westen ausgehen müsse.
Diese Aussage weist Gaub zurück. Dieser Krieg sei viel komplizierter, denn es gehe in Wahrheit darum, eine neue Weltordnung zu erreichen. Darum seien auch Westeuropa und China darin involviert. Die Diskussion muss am Ende aus Zeitgründen an der interessantesten Stelle abgebrochen werden. Klar wird aber: Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine wären sinnvoll und notwendig, doch zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher unrealistisch.
Quelle: ntv.de