Politik

Keine Partner auf Augenhöhe Wie gut sticht Russlands China-Karte?

Spätestens beim Geld hört die Freundschaft zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping auf.

Spätestens beim Geld hört die Freundschaft zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping auf.

(Foto: AP)

Russland versucht, Sanktionen und Isolation durch eine engere Partnerschaft mit China zu kompensieren, doch die Rechnung kann nur zum Teil aufgehen. Peking verfolgt vor allem seine Interessen, ohne einen riskanten und wenig profitablen Schulterschluss mit Moskau anzustreben.

Chinas Freundschaft mit Russland sei "felsenfest", sagte am Montag Chinas Außenminister Wang Yi. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bringe den beiden Völkern Vorteile und Wohlstand. Das klingt so, als würde Russlands Rechnung aufgehen, die westlichen Sanktionen durch einen verstärkten Handel mit China aufweichen zu können.

Dass russische Banken, die vom Swift-Bezahlsystem ausgeschlossen werden, die chinesische Alternative CIPS nutzen dürfen, scheint ein Beispiel für Pekings Schulterschluss zu sein. Doch Moskau sollte sich keine allzu großen Hoffnungen machen. Die Kooperation bei den Bezahlsystemen ist ein gutes Beispiel dafür, wie es zwischen den beiden Autokratien tatsächlich läuft.

CIPS keine echte Alternative

Sie hilft Russland möglicherweise ein bisschen, ist aber letztendlich keine echte Alternative. Nur 76 Banken nehmen direkt an CIPS teil, 672 weitere sind lediglich indirekt beteiligt, arbeiten aber meist auch innerhalb dieses Mechanismus unverändert über Swift. Außerdem unterstützt CIPS hauptsächlich den Zahlungsverkehr mit dem chinesischen Yuan, der nicht frei konvertierbar ist.

Laut "FAZ" hält Russland etwa 13 Prozent seiner Finanzreserven in Yuan bei Chinas Zentralbank, was 77 bis 99 Milliarden Dollar entsprechen soll. Peking selbst beteiligt sich nicht an den Sanktionen, weshalb hier ein großes Schlupfloch zu bestehen scheint. Doch China schreibt seinen Banken offenbar nicht vor, dies ebenso zu halten. Guo Shuqing, Vorsitzender der China Banking and Insurance Regulatory Commission, sagte laut CNN, sein Land beteilige sich nicht an den Sanktionen. Er bot Russland aber auch keine Erleichterung an.

Angst ums Geschäft

Unter anderem setzte die in Peking ansässige Asiatische Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) "alle Aktivitäten in Bezug auf Russland und Belarus" aus. Dies geschehe, "um die finanzielle Integrität der AIIB vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Wirtschafts- und Finanzlage zu schützen", heißt es in der Pressemitteilung. Zuvor hatte "Bloomberg" bereits berichtet, die Bank of China und die Industrial & Commercial Bank of China hätten Finanzierungen für den Kauf russischer Rohstoffe eingeschränkt.

Peking hatte schon bei vorangegangenen Sanktionen wie nach der russischen Krim-Annexion offiziell nicht mitgemacht, aber gleichzeitig tunlichst vermieden, den Anschein zu erwecken, es unterlaufe sie. Die Regierung von Staatspräsident Xi Jinping versucht den Balanceakt, Moskau nicht zu enttäuschen, ohne es sich mit dem Westen zu verscherzen.

Dabei geht es ganz sicher nicht um Menschen- und Völkerrecht, auch vermeintliche ideologische Gemeinsamkeiten sind Peking ziemlich egal. Die Regierung verfolgt vor allem wirtschaftliche Interessen, um sich beim Volk durch stetig wachsenden Wohlstand der Massen zu legitimieren.

Pragmatismus statt Ideologie

Das Verhältnis Russlands zu China erinnere an das Verhältnis zur Türkei, schreibt Kadri Liik für das European Council on Foreign Relations (ECFR). Die Seiten tolerierten ihre Meinungsverschiedenheiten oder Interessenkonflikte, weil sie diese Auseinandersetzungen aus "pragmatischen" geopolitischen Interessen herleiteten - nicht aus Ideologie. Aus diesem Grund hatte Moskau wohl auch kein Problem damit, auf Wunsch Pekings Ende vergangenen Jahres den russischen Konzern Rosneft aus der Gasförderung in Vietnam zurückzuziehen.

"Viele hier glauben, dass die USA Russland als Staat liquidieren wollen", zitiert Liik Wassili Kaschin, einen führenden russischen Experten für China und militärische Angelegenheiten. "Und wenn die USA jetzt einen Regimewechsel und die Zerschlagung des Landes wollen, aber China erst in zehn Jahren zum Problem werden könnte, dann gibt es wenig zu bedenken."

Moskau agiert etwas blauäugig

Russland zeigt in der Beziehung zu China schon länger erstaunlich wenig Bedenken. Ein gutes Beispiel dafür ist Moskaus Reaktion 2013 auf Xi Jinpings große Seidenstraßen-Pläne. Dabei geht es um schnellere und sicherere Handelsrouten zwischen China und Europa, die unter anderem durch Zentralasien führen, das der Kreml eigentlich als geopolitische Interessensphäre betrachtet.

Laut einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) verläuft die neue Seidenstraße durch Westchina und Kasachstan. Auf die russische Schiene komme sie erst relativ weit im Westen, in der Oblast Kurgan. Der östliche Teil der Transsib, der ohnehin am wenigsten ausgelastet ist, gehe völlig leer aus.

Moskau sei davon ausgegangen, China konzentriere sich auf wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der Region, während Russland Garantiemacht bleibe und seinen politischen Einfluss behalte, so bpb. Außerdem habe man sich hohe Investitionen versprochen.

Tatsächlich wurden Verträge in Milliardenhöhe abgeschlossen. Doch letztendlich kam dabei recht wenig für Moskau heraus. Private chinesische Firmen hätten es vermieden, angesichts der US-Sanktionen mit den russischen Staatskonzernen zusammenzuarbeiten, schreibt bpb-Autorin Anastasia Vishnevskaya-Mann.

Keine Partnerschaft auf Augenhöhe

"Sila Sibiri" lohnt sich vor allem für China.

"Sila Sibiri" lohnt sich vor allem für China.

(Foto: Cao Jianxiong)

Bezeichnend ist, dass es bei dem einzigen Großprojekt, das zustande kam, um russische Rohstoffe geht. So wurde Ende 2019 die 2200 Kilometer lange und 55 Milliarden US-Dollar teure Pipeline "Sila Sibiri" ("Kraft Sibiriens") für Gaslieferungen nach China fertiggestellt. Kritikern wie Mikhail Krutikhin vom Carnegie Moscow Center zufolge könnte es 30 Jahre dauern, bis sich das "teure Schaufenster-Projekt" für Russland rechnet. Trotzdem ist bereits "Sila Sibiri 2" geplant.

Russlands Hoffnungen enttäuscht

Das muss eine große Enttäuschung für Moskau sein, denn die engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit asiatischen Staaten sollte den ökonomisch rückständigen Regionen Russlands jenseits des Urals zum Aufschwung verhelfen. So betonte Ex-Präsident Medwedew, dass "die Integration mit den Ländern der asiatisch-pazifischen Region ein riesiges Potenzial für die Wirtschaftsentwicklung des Fernen Ostens und ganz Russlands bietet."

Entgegen den Ankündigungen der russischen Regierung, gerade privatwirtschaftliche Initiative sowie den Export von Waren außerhalb des Rohstoffsektors stärken zu wollen, schienen "erneut jene staatsnahen Sektoren zu profitieren, die bereits eine dominante Stellung in der politischen Ökonomie Russlands einnehmen: natürliche Ressourcen oder die Rüstungsindustrie", schrieben Sebastian Hoppe und Vera Rogova im Oktober 2020 in der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (ZFAS).

Seitdem China nach dem Tiananmen-Platz-Massaker 1989 keine Waffen aus dem Westen mehr erhält, ist Russland zwar Pekings größter Lieferant. Doch China stellt Rüstungsgüter zunehmend selbst her, und ein echtes Militärbündnis ist nie zustande gekommen, auch wenn Putin dies im Oktober 2020 nicht ausdrücklich ausschloss.

Nur fast eine Militärallianz

Gemeinsame Manöver wie 2018 mit China und der Mongolei in Ostsibirien machen noch keine Militärallianz.

Gemeinsame Manöver wie 2018 mit China und der Mongolei in Ostsibirien machen noch keine Militärallianz.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die militärische Zusammenarbeit der beiden Länder bezeichneten einige Analysten zwar als "am Rande einer Allianz", schreibt Kadri Liik. Moskau und Peking wollten diese Schwelle aber nicht übertreten, weil es für sie die bequemste Lösung sei. Die Zusammenarbeit fördere das Vertrauen untereinander, sie müssten aber nicht fürchten, automatisch in einen Konflikt des Partners gezogen zu werden. Gleichzeitig wisse der Westen aber, dass sie es jederzeit tun könnten und müsse sich entsprechend zurückhalten.

Der Ukraine-Krieg hat Russlands Position in dieser Hinsicht deutlich geschwächt. Denn laut Liik will Moskau auf jeden Fall verhindern, dass es zu einer neuen Blockbildung (Bipolarität) kommt. Dabei müsste sich die Welt diesmal zwischen den USA und China entscheiden, da Washington Peking als Hauptgegner betrachte. Xi Jinping könnte die Situation ausnutzen, um Moskau in ein Bündnis zu seinen Bedingungen zu zwingen.

China bestimmt die Preise

Der Krieg hat Russland jedenfalls in eine schlechte Verhandlungsposition gebracht. Ein Blick auf eine Auswertung des Observatory of Economic Complexity (OEC) des vergangenen Jahres zeigt, dass mehr als die Hälfte der russischen Exporte Rohstoffe sind, vor allem Öl und Gas.

Kamil Galeev vom US-amerikanischen Woodrow Wilson Center twittert, da die südlicheren Quellen erschöpft seien, müsse Russland jetzt vor allem in der Arktis fördern, was mit hohen Kosten verbunden sei. "Forbes" schreibt, "das unwirtliche Klima Sibiriens und der relative Mangel an verbindender Infrastruktur bedeuten, dass die Transportkosten für Rohstoffe und andere nicht-lokale Elemente der Wertschöpfungsketten enorm sind und wahrscheinlich unterschätzt wurden."

"Sila Sibiri" sei besonders teuer, da die Auftragnehmer Putins Oligarchen-Freunde Arkadi Romanowitsch Rotenberg und Gennadi Nikolajewitsch Timtschenko gewesen seien, so Galeev. Analysten der Sberbank seien 2018 zu dem Schluss gekommen, dass die alternative Route für die Pipeline fünfmal billiger gewesen wäre. "Chatham House" vermutete dies bereits 2014.

Vor allem aber profitiert China von der Gaspipeline, da es alleiniger Abnehmer ist und daher schon vor dem Ukraine-Krieg die Preise bestimmen konnte. Jetzt, nachdem die Nachfrage aus dem Westen über kurz oder lang einbrechen wird, muss Moskau praktisch jede Kröte schlucken. Das gilt auch für den Handel mit Öl und allen anderen Rohstoffen mit China.

EU für China wirtschaftlich viel wichtiger

Insgesamt gingen 2021 laut OEC nur 11,1 Prozent der russischen Exporte nach China, während alleine die Ausfuhren in die Niederlande (7,5), Deutschland (5,25), Italien (4,65), Polen (3,8) und Finnland (2,62) rund 24 Prozent ausmachten. Laut einer aktuellen Studie des Kieler Instituts für Wirtschaftsforschung (IfW) war die EU im Jahr 2020 für 37,3 Prozent des russischen Außenhandels verantwortlich, umgekehrt finden aber lediglich 4,8 Prozent des Außenhandels der EU mit Russland statt.

Dem Australian Strategic Policy Institute (ASPI) zufolge landen 70 Prozent der russischen Öl-Exporte in der EU, 18 Prozent in China. 38 Milliarden Kubikmeter russisches Gas fließen jährlich nach China, in die EU zuletzt fünfmal mehr.

Russland exportiert fast nur Rohstoffe.

Russland exportiert fast nur Rohstoffe.

(Foto: OEC)

Insgesamt 14,6 Prozent der russischen Exporte gehen nach China, während nur 2,8 Prozent der chinesischen Importe aus Russland kamen. Nicht zu unterschätzen sind außerdem die direkten Investitionen in Russland. Nach Angaben des ASPI kamen davon bisher fast ein Viertel aus der EU und gerade mal 1,6 Prozent aus China.

Ohne westliche Technologie läuft in Russland wenig

Für Peking wiederum sind andere Handelspartner weit wichtiger als Russland. Laut World's Top Exports gehen dorthin nur 2 Prozent seiner Exporte. Nummer 1 sind die USA mit 17,5 Prozent, Deutschland kommt auf 3,4 Prozent, zusammen mit den Niederlanden und Großbritannien auf fast 10 Prozent.

Zusammen sind die Niederlande und Deutschland für Russland wichtigere Importländer als China.

Zusammen sind die Niederlande und Deutschland für Russland wichtigere Importländer als China.

(Foto: OEC)

Die wichtigsten deutschen Exportgüter nach Russland sind laut Germany Trade & Invest nach Kraftfahrzeugen, Maschinen, Elektrotechnik, chemische Erzeugnisse sowie Mess- und Regeltechnik. Daran sieht man ein anderes Dilemma, dem Russland kaum entweichen kann: Zur Förderung seiner Bodenschätze, aber auch zur Produktion von Gütern für den heimischen Markt ist es auf westliche Technologien angewiesen. Das gilt mit Einschränkungen auch für moderne Waffensysteme.

Huawei als mahnendes Beispiel

Gerade im Hightech-Sektor könnte man meinen, China sei in der Lage einzuspringen. Doch wie das Beispiel Huawei zeigt, ist es vor allem bei der Chip-Produktion von US-amerikanischen Patenten und Know-how abhängig. Das Weiße Haus kündigte bereits Ende Februar an, den Export von Technologie oder mit US-Technologie gebauten ausländischen Waren nach Russland einzuschränken.

"Einige kleine chinesische Firmen, die nicht von US-Vorleistungen abhängig sind, könnten einen Teil der Nachfrage Russlands nach sanktionierter US-Technologie decken", sagte Neil Thomas, China-Analyst der Eurasia Group, CNN. "Aber große chinesische Technologieunternehmen werden vorsichtig sein, um nicht das Schicksal Huaweis zu teilen."

Peking könnte pragmatischer Vermittler sein

Mehr zum Thema

Letztendlich hat China durch den Ukraine-Krieg wirtschaftlich kaum etwas zu gewinnen, der IfW-Studie zufolge könnte sich das Realeinkommen in China lediglich um 0,02 Prozent jährlich erhöhen. Umgekehrt hat Peking im Westen viel zu verlieren.

Andererseits möchte es verhindern, dass ein durchaus mögliches Scheitern der Invasion das Ende der Putin-Regierung bedeuten könnte. "Russlands Fall liegt nicht im Interesse Chinas", sagte der Bonner Sicherheitsexperte Frank Umbach in der Phönix Runde vom 8. März. Aus pragmatischen Gründen liegt es für Xi Jinping daher nahe, eine Vermittlerrolle zu übernehmen. Politikwissenschaftler Thomas Jäger sagte ntv, er gehe davon aus, dass Peking hinter den Kulissen bereits starken Druck auf Moskau ausübe.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen