Ukraine bei "Hart aber fair" "Wir brauchen maximale Unterstützung"
13.06.2023, 04:19 Uhr Artikel anhören
"Keine Chance auf Frieden in der Ukraine?", fragt Louis Klamroth bei "Hart aber fair".
(Foto: IMAGO/Horst Galuschka)
Die Sommeroffensive der Ukraine läuft. Die Truppen kommen aber langsamer voran als im letzten Jahr, das räumt auch Kiew ein. Wie geht es weiter? Und welche Rolle könnten die westlichen Verbündeten spielen? Der Militärhistoriker Sönke Neitzel hält die diplomatischen Möglichkeiten für sehr begrenzt.
Die lange erwartete Offensive der ukrainischen Armee hat in der vergangenen Woche begonnen. Wirkliche Erfolge hat sie bisher noch nicht erzielt. Zwar sind einige kleinere Siedlungen befreit worden, jedoch mit hohen Verlusten. Bei "Hart aber fair" in der ARD sprechen die Gäste über die Perspektiven der Ukraine und die Rolle des Westens.
"Es läuft langsamer voran"
Alexander Rodnyansky ist Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj. Bei "Hart aber fair" äußert er sich zu militärischen Fragen. Trotz der Sprengung des Kachowka-Staudamms, die er Russland vorwirft, glaubt er nicht, dass die russische Armee die ukrainischen Streitkräfte ausbremsen wird. "Wir haben im Moment Erfolge zu verzeichnen", betont er - und nennt Geländegewinne in der Nähe von Saporischschja von immerhin sieben Kilometern in den letzten zwei oder drei Tagen. "Es läuft langsamer voran, nicht so schnell wie im letzten Jahr", sagt Rodnyansky. Allerdings habe es bei der damaligen ukrainischen Offensive auch einen starken Überraschungseffekt gegeben. Die jetzige Offensive sei erwartet worden, die russische Armee habe genug Zeit gehabt, ihre Stellungen zu befestigen: "Man kann jetzt nicht erwarten, die Armee würde in den nächsten Tagen Tausende von Kilometern befreien. Das ist unrealistisch. Es wird leider schwer. Aber das heißt nicht, dass es uns nicht gelingen wird, unser Land weiter zu verteidigen." Dazu bedürfe es aber weiterer Hilfe aus dem Westen.
Für Rodnyansky ist auch klar, dass für die Sprengung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine nur die russische Armee als Täter infrage komme. Seine Argumente sind klar: Die russischen Truppen haben inzwischen einen weiteren Staudamm in der Region gesprengt und sie behindern die Evakuierungen der ukrainischen Bevölkerung: "Die Russen beschießen unsere Rettungsteams. Ein unmoralischeres Vorgehen kann man sich nicht vorstellen", sagt er.
Auch Militärhistoriker Sönke Neitzel ist überzeugt, dass russische Kräfte für die Staudammsprengung verantwortlich sind. "Das ist eine weitere Eskalation des Krieges", sagt er, "und Russland wird jetzt alles probieren, um die Gegenoffensive zurückzuschlagen und die Ukraine damit auch politisch unter Druck zu setzen."
"Alles deutet auf Russland hin", sagt auch Ralf Stegner von der SPD. Für ihn ist die Staudamm-Sprengung die Bestätigung einer Erkenntnis: "Es gibt keine sauberen Kriege. Stattdessen gibt es Kriegsverbrechen, Zerstörungen, Tod und Leid." Deswegen sei es falsch, immer wieder auf Militärhilfen zu setzen, man müsse auch darüber reden, wie der Krieg beendet werden könne.
"Wenn Putin den Befehl gibt, ist der Krieg zu Ende"
Die FDP-Militärexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat darauf eine klare Antwort: "Wenn der russische Präsident Putin den Befehl gibt, dass seine Truppen sich zurückziehen sollen, ist der Krieg zu Ende." Diplomatische Verhandlungen habe der russische Verteidigungsminister zuletzt abgelehnt. "Für eine diplomatische Lösung braucht man immer zwei, aber hier fehlt der Zweite am Tisch", sagt Strack-Zimmermann, die an diesem Abend nicht recht bei der Sache zu sein scheint, immer wieder den Faden verliert und deutliche Probleme hat, sich klar auszudrücken.
Stegner ist sich sicher, dass hinter verschlossenen Türen schon lange über eine diplomatische Lösung diskutiert wird. So funktioniere Diplomatie, erklärt er.
Militärhistoriker Neitzel sieht das ähnlich, glaubt jedoch nicht so recht daran, dass der Westen dabei eine Rolle spielt. "Schauen Sie sich Brasilien an, die haben uns gerade den Vogel gezeigt", sagt er. Und weiter: "Der Westen lebt noch immer in dem Glauben, es gäbe eine regelbasierte Weltordnung. Aber die gibt es nicht mehr." Es sei gut, dass sich Deutschland um eine diplomatische Lösung für ein Ende des Krieges bemühe. Dennoch müsse man einsehen, dass die Möglichkeiten dafür sehr begrenzt seien. "Wir leben manchmal in der Illusion, wir würden die anderen Staaten managen. Aber wir denken da weit über unsere Liga."
Da widerspricht Strack-Zimmermann: China gehe es auch um wirtschaftliche Interessen, dort werde sehr wohl wahrgenommen, dass sich der Westen überlege, mit wem er in den nächsten Jahren Handel treiben werde. Doch gerade an der Position Chinas hegt Neitzel großen Zweifel. Es liege im Interesse der Volksrepublik, wenn der Westen im Ukrainekrieg gebunden sei. So konzentriere er sich nicht auf die Situation im Südchinesischen Meer. "Dieser Krieg ist auch im Interesse Chinas. Sonst hätten die Chinesen schon längst massiven Druck auf Russland ausgeübt, ihn zu beenden."
Strack-Zimmermann schlägt Unterstützung der F-16-Koalition vor
Im Moment ist jedoch ein Kriegsende noch nicht abzusehen. Deswegen wird die Ukraine ohne eine weitere Unterstützung mit Waffen aus dem Westen nicht weiterkommen. Dabei geht es auch um F-16-Kampfflugzeuge. Die werde Deutschland auf jeden Fall nicht liefern, meint Strack-Zimmermann. Deutschland könne jedoch Flugplätze zur Verfügung stellen und bei der Ausbildung von Piloten helfen. Doch hier liege die Entscheidung bei Bundeskanzler Scholz.
Für den Präsidentenberater kommt es jedoch gar nicht auf F-16-Kampfjets an. "Soweit ich weiß, würden wir jedes moderne Kampfflugzeug nehmen und einsetzen. Es geht um ein gemeinsames Ziel: um die Befreiung der Ukraine. Und wir wollen möglichst wenig Männer dabei verlieren." Waffenlieferungen zu diesem Zeitpunkt seien sinnvoll, um später in Friedensverhandlungen einsteigen zu können. "Es geht darum, einen langfristigen Frieden mit einem anderen Regime in Russland zu erreichen. Es geht um eine maximale Veränderung des russischen Regimes. Und dazu braucht es jetzt maximale Unterstützung der Ukraine, mit maximalen Waffenlieferungen, Luftwaffe eingeschlossen."
Quelle: ntv.de