Politik

Joachim Gauck bei Lanz "Wir werden die AfD nicht los"

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Es sei falsch, alle Wähler der AfD als Nazis zu bezeichnen, sagt Gauck bei Lanz.

Es sei falsch, alle Wähler der AfD als Nazis zu bezeichnen, sagt Gauck bei Lanz.

(Foto: IMAGO/Andreas Stroh)

Joachim Gauck sieht vor allem die Union nach den Landtagswahlen im September vor schwierigen Entscheidungen. Koalitionen mit der AfD werde es nicht geben, sagt der frühere Bundespräsident bei Lanz. In Thüringen sei eine Partei wie die CDU mit einer Linkspartei unter Ramelow vielleicht besser dran als mit dem BSW.

Joachim Gauck warnt vor Koalitionen mit der AfD nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland. Der frühere Bundespräsident ist überzeugt: "Die CDU in Thüringen wird koalieren, aber sicher nicht mit der AfD", sagt Gauck am Abend bei Markus Lanz im ZDF. Er fügt hinzu: "Es gibt Koalitionen, die darf sich kein normaler Mensch wünschen." Nach den Landtagwahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September werde aber der Zwang zum Koalieren entstehen. "Und dann musst Du Dich fragen, ob es nicht einfacher ist, mit einer Linkspartei unter Ramelow zu koalieren als zum Beispiel mit dem BSW unter Wagenknecht. Wünschen möchte ich das niemandem."

Gleichzeitig fordert Gauck, die AfD zu bekämpfen. "Wir werden die AfD nicht los, weil wir in den modernen Gesellschaften und in den modernen Staaten ein Drittel der Bevölkerung haben, das sich vor Wandel fürchtet. Und wenn diese Furcht nicht aufgenommen wird von traditionellen Parteien, dann reüssieren die." Falsch sei es allerdings, die AfD und ihre Wähler als Nazis zu bezeichnen: "Wenn wir sie alle Nazis nennen, dann spinnen wir. Das eigentliche Problem ist das Unbehagen an der liberalen Demokratie."

Besonders auf die Union kämen schwere Zeiten zu, sagt Gauck. Die Union brauche jetzt ein stabiles wertkonservatives Angebot, um die wertkonservativen von den reaktionären Wählern trennen zu können.

Biden und Trump

Die aktuelle Ausgabe von Lanz wurde offenbar am vergangenen Freitag aufgezeichnet, also bevor Joe Biden seine Präsidentschaftskandidatur zurückzog. Der US-Präsident habe wichtige und gute Politik gemacht, beurteilt Gauck die vergangenen vier Jahre. "Er hat ermöglicht, dass wir unsere transatlantischen Partner als Garanten von Verlässlichkeit wahrnehmen konnten."

Was den kognitiven Zustand von Bidens Herausforderer Donald Trump angeht, ist nicht nur Gauck pessimistisch. Markus Lanz erwähnt, dass Trump im vergangenen Herbst siebenmal Joe Biden und Barack Obama verwechselt und den ungarischen Präsidenten Viktor Orban für den Staatschef der Türkei gehalten habe. Zudem weist er auf zahlreiche Gutachten von Psychologen aus dem Jahr 2017 hin, die Trump mentale Instabilität attestieren, allerdings ohne ihn untersucht zu haben.

Trump sei es gelungen, an eine bestimmte Wählerschicht in den USA anzudocken, analysiert Gauck. Seine Beliebtheit sei ein Element kommunikativer Präsenz, das wirksam sei, unabhängig davon, was der Mensch tauge. "Sie müssen sich mal an die deutsche Geschichte erinnern", sagt Gauck. "Wir hatten da mal einen ganz bestimmten Typ, den nannten die Leute 'Führer'. Der hatte eine Gabe medialer Präsenz, die unglaubliche und verführerische Auswirkungen hatte, sodass ein ganzes Land nicht nur geführt, sondern verführt wurde, einfach auch durch ein Talent oder eine Begabung, in einer Weise, wie ein Teil der Bevölkerung es brauchte - da zu sein und zu signalisieren: Ich kann das."

Was Kommunikation angeht, lässt Gauck an der Bundesregierung wenig gute Haare. Kommunikation sei ein essenzielles Element des Politischen, sagt er. "Wenn Du viele Defizite hast, kann das Tragische eintreten, dass Du mit Deinem Superprogramm nicht vermitteln kannst, dass Du ein Superprogramm hast."

Die Kommunikationsvermögen des Führungspersonals seien unterschiedlich. "Da befinden wir uns in Work in Progress." Man werde einen norddeutschen Typ wie Bundeskanzler Scholz nicht grundsätzlich verändern können. Zwar fallen Gauck auch positive Ansätze auf: Manchmal vermittle Scholz ein Gefühl, dass die Menschen ihm vertrauen könnten. Doch das reiche nicht aus. Aktuell müsse Scholz kommunizieren, warum er bisher sein Versprechen, mehr kriminelle Migranten abzuschieben, nicht halten konnte. Aber: "Das zu erklären, was nicht gelungen ist, ist schwierig. Jemand, der das kann, ist Robert Habeck. Doch das ist auch ein heikles Thema. Es ist schön, wenn einer offen kommuniziert. Aber es ist schwierig, wenn einer etwas kommuniziert, das die Leute nicht hören wollen", sagt Gauck.

Quelle: ntv.de

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