Kommentare

Merz erkennt den Trend Die Mitte steht jetzt viel weiter rechts

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Merz hat erkannt: Die politische Mitte in Deutschland steht viel weiter rechts als in der Ära Merkel.

Merz hat erkannt: Die politische Mitte in Deutschland steht viel weiter rechts als in der Ära Merkel.

(Foto: picture alliance/dpa)

Vor allem SPD und Grüne mieden jede Diskussion über die Schattenseiten der Einwanderung, versehen mit dem Totschlagargument: "Das hilft der AfD." Die Strategie ging nach hinten los. Merz hat die CDU wiederum nach rechts gerückt - also dahin, wo weite Teile der Bevölkerung längst sind.

Jeder, der nicht blind durchs Leben geht, nimmt sie wahr, die Angst vor realen, aufgebauschten und fiktiven Gefahren, die tief sitzende Verunsicherung, den Schwund an Vertrauen in demokratische Institutionen inklusive des Glaubens, persönliches Mitspracherecht bei der Entwicklung der Gesellschaft zu haben. Überall herrscht Frust, macht sich mentale und körperliche Erschöpfung breit, schwindet der Glauben an eine gute Zukunft. Auch und gerade junge Leute leiden an dem Zeitgeist, von Unbeschwertheit kann nicht die Rede sein. Kein Wunder, dass sie einen ausgeprägten Hang zu Dystopien entwickeln - und wer wollte es ihnen verdenken angesichts der Lage in Deutschland und dem Rest der Welt.

Welcher Jugendliche kann schon einigermaßen sagen, wie sein Leben und die Erde in 20 Jahren aussehen werden, ob der Beruf, der heute ergriffen wird, nicht übermorgen durch künstliche Intelligenz ersetzt wird. Da vergehen einem Mut und Zuversicht. Den Trend zum Pessimismus unter 14- bis 29-Jährigen bestätigte im April die jüngste Untersuchung der Studienreihe "Jugend in Deutschland". Ganz oben auf der Sorgenliste standen die Geldentwertung, unbezahlbare Mieten, Altersarmut, die Polarisierung und Flüchtlingsströme. Die Autoren Klaus Hurrelmann und Simon Schnetzer sprachen von einem "Rechtsruck", sagten weitere Stimmeneinbußen für die Ampelparteien voraus und "besonders großen Zulauf" zur AfD.

Die Erhebung war kaum veröffentlicht, da wurde Kritik an der Methodik laut, obwohl Hurrelmann und Schnetzer definitiv zu den renommiertesten Jugendforschern im Land zählen. Dann kam die Europawahl. Die Grünen - 2019 mit 23 Prozent bei den unter 25-Jährigen noch populärsten Parteien - kamen auf elf Prozent. Die AfD legte um elf Punkte auf 16 Prozent zu. Einige Wochen später erlebten teils SPD, vor allem aber Grüne und FDP in Thüringen, Sachsen und Brandenburg Debakel. Die AfD verbesserte sich überall kräftig, auch weil sehr viele Leute unter 30 für sie votierten.

Das "grüne Wirtschaftswunder" ist eher ein Alptraum

Im Osten - das kann man nicht beschönigen - neigen viele Bürger, auch Jugendliche und junge Erwachsene, zum Rechtsextremismus. Doch das erklärt nicht den Zulauf zur Alternative für Deutschland. Nach Berechnungen von Infratest Dimap gewann die AfD in Brandenburg rund 24.000 Stimmen ehemaliger SPD-, Linken- und Grünen-Wähler aller Altersklassen. Die sind mit Sicherheit nicht alle zu Nazis geworden. Auch von Protestwahlen kann kaum die Rede sein. Die meisten jungen Menschen neigen dazu, nicht nach ideologischen Kriterien zu wählen, sondern nach Themen, die ihnen auf den Nägeln brennen. Und da stehen eben bezahlbares Wohnen, die innere Sicherheit, der Kampf gegen Kriminalität sowie Terrorismus weit oben auf der Liste.

Die Regierung von Kanzler Olaf Scholz hat das viel zu spät erkannt und viel zu zaghaft gehandelt. Die Ampel bestätigte lieber das Urteil, nicht nah genug am Durchschnittsbürger, am Normalo zu sein. Dafür steht die Antwort von Ricarda Lang, da noch Grünen-Chefin, unmittelbar nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen auf die Frage, wie entscheidend die Migrationsdebatte für das Ergebnis allgemein und speziell für die Grünen war. "Ich glaube nicht, dass das das Thema ist, das die Menschen hier am meisten umgetrieben hat." Warum dann die Abschiebung 28 schwerstkrimineller Afghanen kurz vor dem Wahlsonntag?

Es ist richtig, dass der Klimawandel entschlossen bekämpft werden muss, auch weil er Flüchtlingsströme - im wahrsten Sinne des Wortes - weiter befeuert. Aber alle Politik darauf auszurichten und zugleich die Atomkraftwerke abzuschalten, Cannabis-Besitz zu legalisieren und Rechte für Transmenschen durchzusetzen, erscheint sehr vielen Bürgern als elitäre Klientelpolitik und abgehoben. Das hilft niemandem, seine Miete zu bezahlen und schon gar nicht, den Standort Deutschland zu sichern. Das "grüne Wirtschaftswunder", von dem Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck träumen, ist bisher eher ein Alptraum. Man schaue nur auf VW und die Deindustrialisierung, die Habeck noch vor wenigen Monaten bestritten hat.

Offener Brief von jungen Grünen zeigt Fundamentalistisches

Ihre Unkenntnis von den realen Lebensumständen offenbarte Lang bei ihrer Antwort auf die Frage nach der Höhe der Durchschnittsrente in Deutschland. Bei "Lanz" schätzte sie "um die 2000 Euro rum" - ein Betrag, den unglaublich viele Senioren im Ruhestand gerne hätten. Es ist nicht so, dass jeder Rentner Flaschen sammeln oder zu einer der Tafeln muss. Aber es sind auch nicht gerade wenige unter ihnen. Die Zeiten, in denen Deutschland alle Probleme und sozialen Verwerfungen mit Milliarden zukleistert, gehen dem Ende zu. Das hat auch mit dem anhaltenden Strom von Flüchtlingen zu tun. "Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich", sagte Altbundespräsident Joachim Gauck schon im September 2015, als Angela Merkel noch behauptete: "Wir schaffen das."

Gauck ging damals sofort als "Rechtspopulist" durch - ein Fehlurteil ohnegleichen, wie ihn sich jeder anhören musste, der damals vor Überforderung eines Landes und seiner gesamten Gesellschaft sprach. Vor allem Sozialdemokraten und Grüne mieden jede Diskussion über die Schattenseiten der Einwanderung, gerne mit dem Totschlagargument: "Das hilft der AfD." Rot-Grün wollte (und will teilweise) - in der Koalition geduldet von der FDP - nicht erkennen, dass jede Verweigerung, Einwanderung zu regulieren, hart gegen kriminelle Ausländer vorzugehen und endlich Ankündigungen umzusetzen, nichts mit Rassismus und der Aufgabe jeder Humanität zu tun hat. Viel mehr kann das Land nur so vor einem weiteren Abgleiten in eine politische Krise bewahrt werden, wie sie Deutschland seit der Weimarer Zeit nicht erlebt hat - eine Krise, die Staat und Demokratie in der Substanz gefährden würde.

Der offene Brief weit links stehender und meist junger Mitglieder der Grünen zeigt das Fundamentalistische, das vielfach als weltfremd wahrgenommen wird. Das Attentat von Solingen wird als "schrecklich" bezeichnet und in ein, zwei Sätzen ein hartes Durchgreifen gegen Islamisten gefordert. Ansonsten steht drin, dass sich nichts ändern soll und muss. Statt sich bei Boris Palmer für jahrelange Beschimpfungen zu entschuldigen und einzuräumen, dass er mit seinem Satz "Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen", recht hatte, wird bedauert, dass die Grünen dem "Rechtsruck" angeblich nachgeben und in der Ampel mitmachen. "Wer rechte Narrative übernimmt, spielt damit nur den antidemokratischen und menschenfeindlichen Parteien in die Karten. Es ist unsere Aufgabe stattdessen, konkrete, zukunftsfähige Lösungen zu bieten, die den Werten von Gerechtigkeit, Menschenwürde und Solidarität gerecht werden."

Die AfD braucht nur Geduld

Lösungen? Her damit. Denn nur Parolen reichen nicht. Man fragt sich, wie ignorant und lebensfern Leute sein müssen, dass sie Alarmrufe aus Städten und Gemeinden konsequent überhören, die Überforderung von Schulen und Kitas übersehen. Wie naiv muss man sein zu glauben, die Zustimmungswerte für die AfD dadurch zu verringern, den Islamismus zu bekämpfen, aber gleichzeitig Einwanderung unreguliert zuzulassen, nicht konsequent abzuschieben und keine Abstriche bei der materiellen Unterstützung von Flüchtlingen zu machen. Das ist absolut utopisch. Es ist nur konsequent, dass die Führung der Grünen Jugend komplett zurückgetreten ist und nun mit einer neuen Organisation eine Blase bildet, in der die Realität nicht zur Kenntnis genommen werden muss.

Die AfD müsste dann nur weiter Angst verbreiten, unhaltbare Versprechungen machen und zuschauen, wie sich Regierungen abrackern, das Land einigermaßen am Laufen zu halten. In den ostdeutschen Ländern entstehen schon jetzt widernatürliche Koalitionen, die es schwer haben werden, Kompromisse zu finden. Je mehr der Druck steigt, desto zerbrechlicher wird die Brandmauer, desto mehr fällt die Gesellschaft auseinander. Die AfD braucht nur Geduld.

Vorbei ist es deshalb auch mit der Strategie, dem CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz mit dem Vorwurf Stimmen abjagen zu wollen, er folge der AfD und rücke die CDU nach rechts. Stimmt, Merz hat seine Partei ein Stück weit nach rechts verschoben. Er ist nun dort gelandet, wo ein großer der Teil der Bevölkerung schon ist. Das hat die SPD als ehemalige Volkspartei nicht erkannt. Das ist auch der Grund, warum Scholz und seine Partei das Ruder dieses Mal nicht herumreißen werden, selbst wenn Merz keinen Fettnapf auslässt. Die Bundestagswahl wird in der Mitte gewonnen. Und die steht viel weiter rechts als in der Ära Merkel. Merz hat es kapiert.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen