Deutsche Fahrer enttäuschen Evenepoel rast mit Wahnsinns-Finish zu WM-Gold
11.08.2023, 18:59 Uhr
Remco Evenepoel lieferte bei der WM ein nahezu perfektes Zeitfahren.
(Foto: AP)
Zehn Monate nach dem WM-Titel auf der Straße holt Remco Evenepoel auch das Regenbogentrikot im Zeitfahren. Das belgische Wunderkind zeigt auf dem brutalen Schlussanstieg seine ganze Klasse. Für die deutschen Starter endet das Zeitfahren enttäuschend.
Mit unverschämter Leichtigkeit raste Remco Evenepoel den brutalen Pflasterstein-Anstieg hoch, dann musste aber auch er erstmal nach Luft schnappen. Das belgische Wunderkind ist nach einem Wahnsinns-Finish im spektakulären Einzelzeitfahren bei der Radsport-WM in Schottland erneut ins umkämpfte Regenbogentrikot gestürmt. Wie aus einer anderen Welt fuhr Evenepoel, flog unaufhaltsam den fast einen Kilometer langen und enorm steilen Schlussanstieg zum Stirling Castle hinauf und bestieg nach seinem Triumph im Straßenrennen vor einem Jahr als erster Fahrer überhaupt auch den Zeitfahr-Thron. Beide Titel hatte zuvor noch niemand geholt.
Der 23-Jährige verwies nach 47,8 Kilometern mit Start und Ziel in der nordöstlich von Glasgow gelegenen Kleinstadt Stirling in 55:19,23 Minuten seine Rivalen Filippo Ganna (+12,28 Sekunden) aus Italien und den erst 19-jährigen Briten Joshua Tarling (+48,20) auf die Plätze. "Ich hatte einen super Tag, ich bin sehr happy", sagte Evenepoel im Siegerinterview: "Ich konnte 10 bis 15 Watt schneller fahren als sonst." Die letzte Rampe sei "brutal" gewesen, erklärte er weiter, "ich konnte meine Beine kaum noch spüren. Ich bin sehr stolz." Evenepoel, der kommende Herausforderer der Superstars Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar bei der Tour de France, lieferte ein nahezu perfektes Zeitfahren.
"Es ist nichts, worauf wir anstoßen werden"
Einen schwachen Tag erwischten dagegen die deutschen Starter. Lennard Kämna, Zeitfahrweltmeister der Junioren 2014, belegte mit einem Rückstand von 3:00,59 Minuten den 18. Platz. Der deutsche Meister Nils Politt fuhr auf Rang 32 (+3:55,51). Die Top Ten, das ausgegebene Ziel, wurde klar verpasst. "Ich finde, für mich persönlich war das kein schlechtes Zeitfahren", sagte Kämna: "Auf den letzten Kilometern ist mir ein bisschen die Puste ausgegangen." Im Kampf um die Tickets für die Olympischen Spiele in Paris im kommenden Jahr erlitten die Deutschen einen herben Rückschlag. "Es ist nichts, worauf wir anstoßen werden", urteilte Kämna.
Der letzte deutsche Sieger war Zeitfahr-Spezialist Tony Martin, der 2016 in Doha triumphiert hatte. Insgesamt sicherte sich der Olympia-Zweite von 2012 in London viermal das begehrte Regenbogentrikot. Martin hatte vor knapp zwei Jahren seine aktive Karriere beendet. Am Freitag kamen nun fast alle Stars. Unter anderem der zweimalige Tour-Sieger Pogacar, Wout van Aert, Geraint Thomas und Titelverteidiger Tobias Foss kämpften gegen die Uhr um das begehrte Regenbogentrikot. Mathieu van der Poel, Sieger im Straßenrennen, trat nicht an.
Bei strahlendem Sonnenschein sorgten die Zuschauerinnen und Zuschauer an der Strecke mit schottischer Volksmusik und Dudelsack-Klängen für ein Radsport-Fest. Die quälende Schlussrampe mit teils elfprozentiger Steigung wurde aber auch dadurch nicht angenehmer. Als "extrem hart" beschrieb Politt den Anstieg, als er im Schatten des Schlosses völlig verschwitzt das Rennen analysierte: "Der fühlt sich ewig an." Er habe "ziemlich zu kämpfen" gehabt, erklärte der Kölner weiter, "es ist blöd gelaufen, aber das ändert nichts mehr, das Rennen ist vorbei."
Quelle: ntv.de, tno/sid