Sport

Mehr als nur Missbrauchsskandal Schwimmverband taumelt Untergang entgegen

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Die sportliche Leitung will der DSV notgedrungen auf mehrere Schultern verteilen.

(Foto: imago images/Ralf Kuckuck)

Der Deutsche Schwimmverband steckt tief in der Krise. Überall fehlen Bundestrainer, doch beim Blick aufs Gehalt lehnen alle Interessenten ab. Dazu kommt die andauernde Aufarbeitung des schweren Missbrauchsskandals. Dort soll es immerhin noch in diesem Jahr sichtbaren Fortschritt geben.

Kein Präsident, kein Geld, keine Bundestrainer - aber riesige Probleme: Nach einer chaotischen Mitgliederversammlung ist der Deutsche Schwimmverband (DSV) noch tiefer in die Krise gerutscht. Marco Troll warf in Kassel nach nur zwei Jahren an der Spitze das Handtuch und klagte über fehlende Finanzmittel und fehlendes Vertrauen. Die bisherigen Vizepräsidenten Wolfgang Rupieper und Kai Morgenroth übernahmen nach langen Diskussionen als Doppelspitze, damit der Verband überhaupt handlungsfähig bleibt.

"Das ist hier kein Neuanfang", betonte Morgenroth, Schatzmeister des Hamburger Schwimmverbandes, "wir müssen nicht alles neu aufbauen, sondern vieles einfach zu Ende bringen." Doch wo anfangen? Die massiven Vorwürfe der sexualisierten Gewalt soll eine externe Kommission aufarbeiten, die bislang noch nicht benannt ist.

Der Haushaltsplan für den chronisch klammen Verband wurde abgeschmettert, bis Ende Januar sollen Morgenroth und Rupieper einen neuen Etat für das kommende Jahr aufstellen. Troll hatte wegen der Finanzprobleme die Mitgliedsbeiträge erhöhen wollen, scheiterte jedoch bei insgesamt drei Abstimmungen mit diesem Vorhaben - und zog dann die Konsequenzen: "Kein Geld, kein Vertrauen, unter diesen Voraussetzungen sehe ich keine Möglichkeit weiterzumachen."

Das fehlende Geld ist der wichtigste Grund für diverse personelle Vakanzen. So sollte längst ein neuer Cheftrainer für die Schwimmer installiert werden. "Ich habe mit international hochkarätigen Kandidaten gesprochen, letztendlich ist es immer am Gehalt gescheitert", sagte Leistungssportdirektor Christian Hansmann, "wir werden es jetzt intern lösen".

Prozess der Aufarbeitung soll Maßstäbe setzen

Bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris soll die sportliche Leitung auf mehrere Trainer verteilt werden - auch Bernd Berkhahn, Heimtrainer des Olympiasiegers Florian Wellbrock und offiziell Bundestrainer "lange Strecke", wird weiter "eingebunden". Hansmann fürchtet, dass von der Ablehnung der Beitragserhöhung "auch der Leistungssport betroffen" und die "Planung für das nächste Jahr unsicher" sind.

Im Wasserball und Wasserspringen sind die Bundestrainerposten ebenfalls vakant, im Synchronschwimmen wird mangels Geld mit einem Honorarmodell gearbeitet. Dem Wassersprung-Bundestrainer Lutz Buschkow war im Oktober vom DSV fristlos gekündigt worden, weil er nach den Vorwürfen des ehemaligen Europameisters Jan Hempel vom jahrelangen sexuellen Missbrauch durch einen Trainer gewusst haben soll. Buschkow weist die Vorwürfe zurück.

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Der Fall Hempel, der in der ARD-Dokumentation "Missbraucht: Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" öffentlich geworden war, und andere Fälle sollen extern aufgearbeitet werden, in einem Prozess, "wie es ihn im Sport noch nie gegeben hat", kündigte Rupieper, Jurist und ehemaliger Richter, an. Man sei in der finalen Phase bei der Besetzung der Kommission, die noch in diesem Jahr ins Leben gerufen werden soll.

Auch die schon länger geplante Strukturreform steht noch aus - mit der Umwandlung der Verbandsspitze in einen hauptamtlichen Vorstand und einen gewählten Aufsichtsrat. Doch auch dafür braucht es Geld - und mutmaßlich eine Beitragserhöhung, die Troll jetzt nicht durchsetzen konnte, nachdem er sie vor vier Jahren bei seiner Vorgängerin Gabi Dörries als einer der Wortführer noch abgelehnt hatte.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 20. November 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, tsi/sid

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