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Milliarden-Geschäft Sportwetten Neuer Staatsvertrag reguliert den Boom

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Sportwetten sind in Deutschland bisher illegal.

(Foto: dapd)

Der Markt für Sportwetten boomt. Doch wer in Deutschland wettet, tut das meist illegal. Ein neues Gesetz soll das ändern. Das hat nicht nur Auswirkungen für Tipper, sondern möglicherweise auch für den Sport.

In Fußballstadien rollt die Werbung für Sportwetten längst nicht mehr nur über die Banden am Spielfeldrand. Werbespots vor und nach den Spielen und Wettquoten eingebaut in Liveticker animieren Fußballfans dazu, mit zu tippen. Doch legal sind solche privaten Sportwetten keineswegs. "Bis jetzt hat kein normal-sterblicher Tipper verstanden, dass der Markt illegal war, aus meiner Sicht", sagt Suchtforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen. Wer derzeit mitspielt, befindet sich in einem Grau-Bereich - einem nicht regulierten Markt, der von den deutschen Behörden aber geduldet wird.

Möglich ist das, weil die Wettanbieter ihre Lizenzen in anderen EU-Ländern wie Malta erwerben. "Trotzdem waren sie am Markt und haben Werbung für ihre Angebote geschaltet. Das suggeriert jedem Tipper 'Oh, da haben wir ein legales, seriöses Angebot'", sagt Hayer, der sich bereits seit rund 20 Jahren mit dem Thema befasst. Ein Wortungetüm soll künftig für Klarheit sorgen: Im "Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag" sollen Internet-Glücksspiele - und damit auch Sportwetten - weitgehend legalisiert werden. Das war unter den Ländern lange Zeit umstritten. Das Ziel des neuen Regelwerks sei es nun, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete Bahnen - also auf das legale Angebot - zu lenken, erklärt der Sportrechtler Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule Köln.

An diesem Donnerstag wollen die Ministerpräsidenten der Bundesländer dem neuen Vertrag zustimmen. Ohne Regulierung wuchs das Sportwetten-Angebot in den letzten Jahren zu einem Milliardenmarkt. Der deutsche Gesamt-Wetteinsatz lag im vergangenen Jahr nach Angaben des Deutschen Sportwettverbandes (DSWV) bei dem Rekordwert von 9,3 Milliarden Euro - obwohl noch nicht mal eine Fußball-WM oder -EM stattfand. Rund zwei Drittel davon machen die Live-Wetten aus. Doch genau bei diesen Angeboten, also bei Tipps auf das nächste Tor oder die nächste Rote Karte, könnte sich ab Mitte 2021 einiges ändern. Ein Überblick:

Das könnte sich für den Tipper ändern

Tipper müssen sich künftig wohl auf ein verändertes Wett-Angebot einstellen. Der neue Staatsvertrag sieht vor, dass Live-Wetten künftig nur in Sportarten mit vergleichsweise wenigen Toren abgeschlossen werden können - etwa im Fußball oder Eishockey. "So populäre Sportarten wie Tennis, Handball oder Basketball, die sind leider außen vor", moniert DSWV-Präsident Mathias Dahms. Tipper könnten womöglich in den Schwarzmarkt abwandern, fürchtet der Verbandschef.

Suchtforscher Hayer erwartet dagegen unterm Strich von der Regulierung eine weitgehende Liberalisierung, die mehr Wettangebote und auch mehr Anbieter auf den Sportwettenmarkt bringen könnte. "Das wird in der Konsequenz zu mehr Spielanreizen und zu mehr Suchtgefahren führen", sagt Hayer. Die Neuregulierung bringe dem Tipper aber auch Rechtssicherheit, betont Sportrechtler Nolte. Denn wer bei den dann lizenzierten Anbietern tippe, können dann sicher sein, bei seriösen Anbietern zu spielen, die sich an die deutschen Glücksspiel-Auflagen halten.

Das könnte sich für die Fußballklubs ändern

Vom Sportwetten-Boom profitiert auch der Profi-Sport - etwa die Bundesliga. Dort lässt sich mittlerweile jeder Klub von einem Wett- oder Lottoanbieter sponsern. Geschätzte 43 Millionen Euro spülen die Sponsoren-Verträge dem Sport etwa für Werbung auf Trikots und Banden in die Vereinskassen. Mit rund 38 Millionen stammt der größte Teil nach Berechnungen des Fachmagazins "Sponsors" von privaten Wettanbietern. Und die investieren vor allem im Fußball-Geschäft. Wegen der Veränderung beim Live-Wetten-Angebot erwartet der DSWV, nur noch 25 bis 30 Prozent des heutigen Wettvolumens anbieten zu können. "Das heißt, es gehen den Wettanbietern durch diese Einschränkungen etwa drei bis vier Milliarden Euro Umsatz im Live-Wettmarkt verloren", sagt Dahms. Werde der Markt nun zu restriktiv, könnten sich Anbieter zurückziehen und so auch ihre Sponsoren-Gelder für den Sport zurückfahren, erklärt Dahms. Ob es so komme, hänge aber davon ab, wie gut die Regulierung greife.

Das könnte sich für die Integrität des Sports ändern

Das Unternehmen Sportradar, das mehr als 800 Ligen weltweit auf Unregelmäßigkeiten überprüft, erwartet einen Rückschritt bei der Spielmanipulationsbekämpfung. "Wenn der Staatsvertrag so umgesetzt wird, wie er aktuell geplant ist, wird er die Manipulationsmöglichkeiten in Deutschland folglich eher fördern", sagt Geschäftsführer Andreas Krannich. Denn die geplante Veränderung der Live-Wette gehe an der Lebensrealität der Menschen vorbei. "Dann werden Spieler im Internet zu Anbietern gehen, die nicht reguliert sind." Und dieser Schwarzmarkt sei für die Strafverfolgungsbehörden im Manipulationsfall schwieriger zu kontrollieren. Auch Transparency Deutschland fürchtet, dass die Integrität des Sports durch den neuen Staatsvertrag leiden könnte - allerdings sieht die Organisation einen anderen Grund: "Durch die aggressive Werbung einiger Wettanbieter ist das Risiko sehr groß, dass gerade junge Sportfans auch junge Leistungssportler von Sportwetten angezogen werden", sagt Sylvia Schenk von der Arbeitsgruppe Sport. Auch das erhöhe am Ende das Risiko für Spielmanipulationen.

Quelle: ntv.de, Lennart Stock, dpa

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