Fußball

Dortmund schwebt ins Finale BVB triumphiert über die Slapstick-Bayern

47647cc5e74fbea8f34e095eab418671.jpg

Ließen nach dem Spiel ordentlich die Sau raus: die Dortmunder Spieler

(Foto: dpa)

Dass Borussia Dortmund Fußball spielen kann, ist bekannt. Dass sie aber in der Lage ist, beim FC Bayern ein Spiel zu drehen, ist neu. Nun steht die junge Mannschaft im Pokalfinale - und hat den Münchnern die Saison versaut.

Kann man 95 Minuten auf eine Szene reduzieren, die sinnbildlich für die Partie stehen soll? Nein, dafür ist ein Fußballspiel dann doch zu komplex. Aber als sich der FC Bayern nach einer guten Stunde in allerbester Slapstickmanier partout weigerte, den Ball zum 3:1 ins Tor zu schießen, zeigte das doch gut, wie eng bisweilen Glück, Pech und auch ein wenig Unvermögen beieinanderliegen. Und manch einer, der es mit dem BVB hält, mag nach dieser Szene gedacht haben: "Das ist ein Zeichen. Jetzt packen wir es." Und sie packten es. Dortmunds Trainer Thomas Tuchel sagte hinterher: "Wenn dort das 3:1 fällt, ist es fast unmöglich, zurückzukommen. Dann säßen wir als verdiente Verlierer hier."

München - Dortmund 2:3 (2:1)

Tore: 0:1 Reus (19.), 1:1 Martínez (28.), 2:1 Hummels (41.), 2:2 Aubameyang (69.), 2:3 Dembélé (74.)
FC Bayern München: Ulreich - Lahm, Martínez, Hummels (61. Boateng), Alaba - Alonso (79. Müller), Vidal - Robben, Thiago, Ribéry - Lewandowski
Borussia Dortmund: Bürki - Piszczek, Sokratis, Bender, Schmelzer - Weigl - Castro (46. Durm), Guerreiro - Dembélé, Reus - Aubameyang
Schiedsrichter: Manuel Gräfe
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)

So aber hat eine formidable Borussia am Mittwochabend ein packendes Halbfinale mit 3:2 beim Favoriten in München gewonnen und das Endspiel des DFB-Pokals gegen Eintracht Frankfurt am 27. Mai im Berliner Olympiastadion erreicht - und die Bayern ins Tal der Tränen gestürzt. Nach dem Aus gegen Real Madrid im Viertelfinale der Champions League hatten sich die Münchner und ihr Trainer Carlo Ancelotti darauf geeinigt, dass sie nun wenigstens den nationalen Pokal gewinnen und die Saison mit zwei Titeln beenden. Denn dass der FC Bayern Deutscher Meister wird, daran zweifelt noch immer niemand. Und auch wenn Ancelotti behauptete: "Ich denke, es ist noch zu früh, um über die Saison zu sprechen", wird genau das passieren. Spätestens jetzt ist die Diskussion darüber eröffnet, wie zukunftsfähig die Münchner Mannschaft ist. Und darüber, was sie in dieser Spielzeit falsch gemacht hat.

"Das fühlt sich sensationell gut an"

Aber Ehre, wem sie gebührt, mithin den Siegern, die nach dem Coup vor der Kurve im Kreis tanzten und mit ihren nahezu enthusiasmierten Fans feierten, als hätten sie den Pokal schon gewonnen. Für die Dortmunder war gegen die AS Monaco zwar auch im Viertelfinale der Champions League Schluss. Aber nach dem Anschlag auf ihr Leben am 11. April, also an dem Tag, an dem das Hinspiel stattfinden sollte, hatten sie Wichtigeres zu tun, als sich mit Fußball zu beschäftigen. Umso erstaunlicher ist es, wie diese junge Dortmunder Mannschaft getragen von ihrem enormen Können und einer guten Portion Dusel zum vierten Mal hintereinander letztlich wie im Rausch ins Finale schwebte. "Wir haben das Ganze mit viel Leidenschaft nach Hause verteidigt. Das fühlt sich sensationell gut an", sagte Tuchel.

Er sah dabei so glücklich aus, wie ein Mann nur aussehen kann, dem gelungen ist, worauf er gehofft hatte. Seine Mannschaft sei durchaus in der Lage, den Bayern die Saison zu versauen, hatte er vor der Partie gesagt. Und schon sind wir wieder bei dieser einen Szene in der 63. Minute, über die hinterher alle sprachen. Mit 2:1 lagen die Münchner vorne, und dann geschah das: Dortmunds Torhüter Roman Bürki spielte den Ball statt zum Kollegen Julian Weigl direkt zum Münchner Thiago Alcántara. Der wirkte erst ein wenig verdutzt, passte dann zu Robert Lewandowski, der aber auch nicht aufs Tor schoss, sondern Arjen Robben bediente. Der tat dann aus elf Metern das, was die Kollegen auch schon hätten tun können - doch auf der Linie stand Sven Bender, der eher weniger als mehr geplant den Ball mit der Spitze seines linken Fußes erst an den Pfosten lenkte. Von dort sprang er - also der Ball, nicht Bender - an die Latte und zurück aufs Spielfeld. Eine "geile Klärungsaktion" sei das gewesen, sagte Kapitän Marcel Schmelzer. Und so manch einer, des es mit den Bayern hält, mag sich gedacht haben: Kruzifix, wenn sich das nicht rächt. Es rächte sich. Pierre-Emerick Aubameyang (69.) und Ousmane Dembélé schossen den BVB und seine Fans ins Glück. Am Ende waren es die Dortmunder, die skandierten: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!"

An Real dachte niemand mehr

Zur Halbzeit hatten das die Anhänger des FC Bayern getan, da war ihre Welt ja auch noch in Ordnung. Marco Reus hatte zwar den BVB vor 75.000 in Führung zwar gebracht (19.), dann aber drehte der FC Bayern durch die Tore von Javier Martínez (28.) und Mats Hummels (41.) das Spiel. Die Münchner hatten nach dem Rückstand sehr ungehalten reagiert, mit Wucht, Willen, schnellem Fußball und einer Ballbesitzquote von 75 Prozent. Nur noch wenig schien für den BVB zu sprechen. Die Arena tobte, an Real dachte niemand mehr. Dass der Sieger dieser Partie als Favorit gegen Frankfurt in Rennen geht, war eh klar. Bundestrainer Joachim Löw durfte zur Halbzeit in der ARD unwidersprochen behaupten: "Das ist das beste Duell, das wir in Deutschland zu sehen bekommen." Wie Recht er haben sollte, zeigten die zweiten 45 Minuten, aus denen dank der Nachspielzeit 50 wurden, und die an Dramatik den ersten Abschnitt noch übertrafen. Und Tuchel betonte mehrmals, welch hohen Stellenwert dieser Erfolg für sein Team habe. "Das ist gar nicht hoch genug einzuschätzen."

Dortmunds Torhüter und sein Retter hatten derweil in der Mixed Zone sichtlich Vergnügen daran, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Bender räumte ein, er wisse gar nicht genau, was er da getan habe. "Ich muss mir das noch einmal anschauen." Er habe nur gehört, wie der Ball an die Latte geklatscht sei. "Und plötzlich war er weg. Natürlich gehört da auch ein wenig Glück dazu. Das ist es, was du brauchst an so einem Abend." Grundsätzlich sei es so: Wenn der werte Herr Bürki "keine Lust hat, den Ball zu halten, dann ist das kein Problem. Ich stehe hinten gerne zur Verfügung". Dieses Zuspiel nahm der Torwart gerne auf: "Bis dahin hatte ich Lust. Aber dann habe ich gedacht: Jetzt kann er auch mal einen halten." Bürki bedankte sich dann aber noch brav bei Bender und berichtete: "Ich habe ihm in der Kabine schon ein Bier gebracht. Er hat das überragend gemacht."

Das klang alles sehr fröhlich, und war es auch. Den Ton aber gab der Kapitän vor. Auch Marcel Schmelzer betonte: "Wir hatten am Ende das glücklichere Füßchen." Und überhaupt habe dieser Abend "ein Riesenspektakel für die Zuschauer" geboten. "Wir haben die beste Mannschaft Deutschlands ausgeschaltet." Aber nachdem der BVB die Endspiele 2014, 2015 und 2016 verloren hat, solle nun niemand denken, das Finale gegen Frankfurt werde zum Selbstläufer: "Die Kunst liegt jetzt darin, als Favorit das Ding auch zu gewinnen und unsere Leistung in Berlin zu vergolden." Sie könnten es packen, diese Dortmunder.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen