Fußball

Keine Stadien, keine Stimmung Katar: Kamelreiten statt Fußball

Kamele, Falken, Fußball - die Beliebtheitsskala nach Einschätzung von Mario Basler.

Kamele, Falken, Fußball - die Beliebtheitsskala nach Einschätzung von Mario Basler.

(Foto: REUTERS)

Im Emirat Katar wird gefeiert, und die Fußball-Welt schaut nach der Wahl der Fifa erstaunt auf das Gastgeberland der WM 2022. Der DFB-Teamarzt warnt vor Temperaturen bis 50 Grad, Mario Basler stuft Kamelreiten und Falken am Persischen Golf höher ein als Fußball - doch Geld spielt wohl keine Rolle. Und das löst einige der vermuteten Probleme.

Mit der Vergabe der WM 2022 an den Wüstenstaat Katar betreten der Fußball und seine Millionen Fans in zwölf Jahren absolutes Neuland. Während die Vergabe unter den großen Fußball-Nationen für Enttäuschung sorgte, feierten die Kataris selbst ihren Triumph bis in den frühen Morgen.

"Das Land hat wenig mit Fußball zu tun. Stimmung kommt dort bei Spielen nicht auf", sagte Mario Basler. Der Ex-Nationalspieler ließ bei Al-Rayyan Sport-Club von 2003 bis 2004 seine Karriere ausklingen. "In der Regel haben wir vor 800 Besuchern gespielt. Doch ich bin mir sicher, dass sie dort in den nächsten Jahren Einiges auf die Beine stellen werden." Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk stufte Basler den Fußball hinter Kamelreiten und Falken ein.

Stadien werden nach Afrika verschifft

Allein in Al-Rayyan soll in vier verschiedenen Stadien gespielt werden.

Allein in Al-Rayyan soll in vier verschiedenen Stadien gespielt werden.

Die größten Sorgen bereitet die große Hitze in dem Wüstenstaat. Im Sommer erreichen die Temperaturen 50 Grad. Deshalb soll die Temperatur in den zwölf neuen Stadien auf 27 Grad heruntergekühlt werden. Ein kostspieliges Unterfangen, dass im reichen Emirat aber nicht am Geld scheitern dürfte. Nach der WM sollen die brandneuen, hypermodernen Arenen abgebaut und in Ländern der Dritten Welt wieder aufgebaut werden. "Letztendlich werden sie Hallen errichten müssen, die wiederum keine richtige Stimmung zulassen", sagte Basler. Und da 1,7 Millionen Einwohner keine zwölf WM-Stadien an sieben Spielorten brauchen, werden die Arenen einfach verschenkt - das Öl macht's.

Doch zuvor müssen sich WM-Touristen auf ein völlig untypisches Gastgeberland einstellen. Katar ist gerade mal so groß wie Hamburg und flächenmäßig kleiner als Schleswig-Holstein. Das beliebte Bier zum Spiel wird es wohl nicht geben, denn Alkohol ist nach islamischem Gesetz nicht erlaubt. Angesichts der befürchteten mangelnden Stimmung machte sich auch Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff Sorgen. "Insofern betrachte ich Katar nicht als optimale Lösung", sagte er nach Bekanntgabe der Entscheidung.

Experten verblüfft

Vuvuzela-Getröte - auch am Persischen Golf?

Vuvuzela-Getröte - auch am Persischen Golf?

(Foto: dpa)

Von Bayern-Coach Louis van Gaal bis Altstar Günter Netzer sind die deutschen Fußball-Fachleute verblüfft und teilweise geschockt von der WM-Entscheidung pro Katar. "Der Fußball müsste immer an erster Stelle stehen", betonte der ehemalige niederländische Nationalcoach van Gaal und bezeichnete die Weltmeisterschaft 2022 im Wüstenstaat als "unglaublich" - und "nicht die richtige Wahl". Auch Jürgen Klopp, Trainer des Bundesliga-Spitzenreiters Borussia Dortmund, kommentierte das Votum der Fifa kritisch. Er wisse nicht, "wie das ablaufen soll. Aber es wird sicher Gründe für diese Entscheidung gegeben haben", sagte Klopp.

Der 59-jährige van Gaal erinnerte auch an die Hitzespiele bei der Weltmeisterschaft 1994 in den USA, als aus TV-Übertragungsgründen teilweise mittags gespielt werden musste. "Das kann nicht wahr sein", kritisierte van Gaal, der sich bereits im Januar beim ersten Trainingslager des FC Bayern in Katar ein persönliches Bild machen kann. Dann aber herrschen mit rund 20 Grad im Gegensatz zur WM-Zeit im Sommer (40 bis 50 Grad) angenehme Temperaturen.

DFB-Arzt: Temperatur das Hauptproblem

Der wichtigste Punkt werde sein, "unter welchen Bedingungen Training und Spiele stattfinden. Wenn alles klimatisiert ist, sehe ich aus medizinischer Sicht nicht so ein großes Problem", sagte der Mannschaftsarzt des deutschen Fußball-Nationalteams, Tim Meyer. Im Freien aber sei Fußball schon schwierig, machte Meyer mit Hinweis auf das Länderspiel des DFB-Teams im Sommer 2009 in Dubai gegen die Vereinigten Arabischen Emirate deutlich: "Die Spieler haben unter den Temperaturen ganz schön gelitten, obwohl der Gegner nicht der stärkste war." Trotzdem gewann das DFB-Team die Partie mit 7:2 Toren.

Bundestrainer Joachim Löw beim Freundschaftsspiel in Dubai.

Bundestrainer Joachim Löw beim Freundschaftsspiel in Dubai.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Bei einem WM-Turnier 2022 in Katar müsse man sich mit den Problemen klimatisierter Räume, zum Beispiel mit der meist sehr trockenen Luft auseinandersetzen, sagte der Ärztliche Direktor am Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes. Es gebe in Katar nicht nur sehr hohe Temperaturen, sondern auch eine massive direkte Sonneneinstrahlung.

Die Bewohner Katars waren die Kritik und Zweifel der restlichen Welt egal. Sie feierten in den Straßen ihrer Hauptstadt Doha bis in den frühen Morgen. Mit Klängen von Vuvuzela-Tröten und Trompeten ging es im Auto-Korso durch die Stadt. "Mir fehlen die Worte. Wir sind so glücklich. Wir können es kaum glauben", sagte Fußball-Fan Ismail Taymour. Reporterin Jane Dutton von Al-Dschasira machte den Fans aus der westlichen Welt indes Hoffnung. "Wir wissen, dass Fußball-Fans gerne Alkohol trinken. Wir wissen, dass es Zonen geben wird, in denen Alkohol erlaubt sein wird."

Absolute Provinz

Fußballerisch handelt es sich bei Katar um eine absolute Provinz. Aufgefallen ist das Land nur, weil es ständig versucht, in die Jahre gekommene Profis wie Basler oder Stefan Effenberg mit viel Geld zu locken. Zur Stärkung der Nationalelf wollte man einst sogar Dede (Borussia Dortmund) und den früheren Bremer Ailton für je 1,5 Millionen US-Dollar einbürgern, stieß damit aber auf den Widerstand der Fifa. In der Leichtathletik war man erfolgreicher. Der zweifache Weltmeister über 3000 m Hindernis, Stephen Cherono aus Kenia, startet mittlerweile für Katar.

Dem Fußball-Nationalteam gelang bislang noch keine WM-Teilnahme. Zu den größten Erfolgen gehört der zweimalige Gewinn des Golf-Cups 1992 und 2004. Auch die Klubs traten international noch nicht in Erscheinung, obwohl die höchste Liga im Land - wie die Bundesliga - seit 1963 existiert. Dennoch glaubt Außenminister Abdullah al-Mahmud an den Erfolg der WM 2022: "Es ist keine Frage der Größe, und auch keine Frage der Quantität, sondern eine Frage der Qualität. Es gibt viele kleine Länder, die große Dinge vollbracht haben. Und das werden wir auch mit Katar."

Quelle: ntv.de, sid/dpa/rpe

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